TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 93/08/0156

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §27 Abs4 idF 1983/594;
AlVG 1977 §27 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der G in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in R, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 26. Mai 1993, Zl. IVa-AlV-7022-10-B/3133 150663/Ried, betreffend Berichtigung der Bemessung und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 10. Jänner 1991 beim Arbeitsamt Ried im Innkreis unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Formblattes die (Weiter-)Gewährung von Karenzurlaubsgeld im Anschluß an die am 15. Oktober 1990 erfolgte Geburt ihres unehelichen Sohnes A. Im Antragsformular gab sie ihren ordentlichen Wohnsitz "O 1" an. In der Rubrik "Angaben für die Beurteilung des Anspruches auf Familienzuschläge zur beantragten Leistung des erhöhten Karenzurlaubsgeldes und der Notstandshilfe" dieses Formulares ist der Name und - wenn nicht gemeinsam wohnhaft - der Wohnort des Angehörigen, das Verwandtschaftsverhältnis zum Antragsteller und das Nettoeinkommen des Angehörigen anzugeben.

Hier führte die Beschwerdeführerin an: "F, geboren 10.1.61, Landwirtschaft der Eltern, Taschengeld; A, geboren 15.10.90, Sohn". F ist nach den im Akt erliegenden Lohnbescheinigungen in O 1 wohnhaft. Nach der Lohnbescheinigung war er als Familienangehöriger in der elterlichen Landwirtschaft tätig und erhielt Taschengeld.

Die Beschwerdeführerin bezog vom 3. Jänner 1991 bis 31. August 1991 ein Karenzurlaubsgeld von S 222,40 täglich, vom 1. September 1991 bis 31. Dezember 1991 von S 207,90 täglich, vom 1. Jänner 1992 bis 31. August 1992 von S 227,30 täglich und vom 1. September 1992 bis 15. Oktober 1992 von S 207,80 täglich (Karenzurlaubsgeld gemäß § 27 Abs. 2 AlVG abzüglich des anrechenbaren Einkommens des F).

In der Niederschrift vom 3. November 1992 bejahte die Beschwerdeführerin die Frage, ob sie beim Kindesvater gemeldet sei bzw. der Kindesvater bei ihr einen Wohnsitz gemeldet habe. Die Frage, ob sich der Kindesvater bei ihr oder sie beim Kindesvater aufhalte, beantwortete sie mit "Lebensgemeinschaft". Laut dem am 16. November 1992 zum Akt genommenen Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 1988 und dem Pachtvertrag vom 21. Februar 1991 hat F mit Wirkung vom 1. Februar 1991 die landwirtschaftlichen Liegenschaften seiner Eltern mit Einheitswert von S 318.000,-- gepachtet. In der Niederschrift vom 18. November 1992 führte die Beschwerdeführerin dazu aus, daß sie den Umstand, daß ihr Lebensgefährte von seinen Eltern die Landwirtschaft gepachtet habe, aus Unwissenheit bzw. weil sie sich um die landwirtschaftlichen Angelegenheiten nicht gekümmert habe, nicht dem Arbeitsamt rechtzeitig gemeldet habe.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Ried im Innkreis vom 14. Dezember 1992 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung unberechtigt empfangenen Karzenzurlaubsgeldes im Betrag von S 32.176,-- für die Zeit vom 1. März 1991 bis 15. Oktober 1992 verpflichtet. Begründet wurde dies damit, daß nunmehr bekannt geworden sei, daß der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ab 1. Februar 1991 die Landwirtschaft seiner Eltern gepachtet habe. Durch die damit verbundene Neubemessung des Karenzurlaubsgeldes habe sie einen Übergenuß in der genannten Höhe verschuldet.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß zwischen ihr und F keine Lebensgemeinschaft im Sinne der einschlägigen Judikatur vorliege. Im Hause O 1 seien zwei getrennte Wohneinheiten vorhanden, eine werde von ihr bewohnt, die andere von F und seinen Eltern.

Im Berufungsverfahren wurde erhoben, daß laut Haushaltskartei der Marktgemeinde M die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn und F einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Beschwerdeführerin gab hiezu an, daß sie "bis etwa Juni 1992" mit dem Kindesvater und seinen Eltern einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. Ab diesem Zeitpunkt habe sie die früher von den Großeltern des Kindesvaters benützte Auszugswohnung in Verwendung. Sie benütze die im Parterre gelegene Küche und das Wohnzimmer sowie das im ersten Stock gelegene Schlafzimmer. Die Räumlichkeiten seien von den übrigen nicht baulich getrennt, es bestehe der gleiche Hauseingang und ein gemeinsamer Stromzähler. Im Haus sei nur ein Badezimmer vorhanden, welches von allen, also dem Kindesvater und seinen Eltern sowie von ihr und von ihrem Sohn, benützt werde. Sie sei ebenso wie der Vater des Kindes in O 1 gemeldet.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge. Begründend führte sie nach Wiedergabe des § 27 AlVG und § 6 NHV aus, daß gemäß den Erläuterungen zu § 27 Abs. 4 AlVG die "gleiche Adresse" bereits dann vorliege, wenn die gleiche Unterkunft zum Wohnen oder Schlafen benützt werde. Dies sei auch dann gegeben, wenn in einem Einfamilienhaus etwa der Kindesvater bei seinen Eltern im Erdgeschoß wohne und die Kindesmutter Räume im ersten Stock des Einfamilienhauses benütze. Die Beschwerdeführerin habe in ihren Anträgen immer ihren Sohn und F als im gemeinsamen Haushalt lebend angeführt. Diese Angaben seien durch die Meldezettel- und Lohnbescheinigungen belegt worden. Auch im ergänzenden Ermittlungsverfahren sei die gleiche Adresse mit dem Kindesvater bestätigt worden. Es sei daher nicht mehr zu prüfen, ob die Elternteile tatsächlich zusammenleben oder nicht. Der in der Berufung vorgebrachte Einwand, es bestehe keine Lebensgemeinschaft, sei daher nicht relevant. Aufgrund des Pachtvertrages errechne sich für F ab 1. Februar 1991 ein Einkommen, welches abzüglich der Freigrenzen bei weitem den Differenzbetrag zwischen dem Karenzurlaubsgeld für alleinstehende und nicht alleinstehende Mütter übersteige. Aufgrund der verspäteten Meldung über die Änderung der Einkommensverhältnisse sei das Karenzurlaubsgeld neu zu bemessen und der sich aus der Neubemessung ergebende Überbezug zum Rückersatz vorzuschreiben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grunde kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die Beschwerdeführerin als nicht alleinstehend im Sinne des ersten Tatbestandes des § 27 Abs. 4 AlVG galt, weil sie mit dem Vater ihres unehelichen Kindes an der gleichen Adresse gemeldet war.

Die Beschwerdeführerin bestreitet dies mit der Begründung, daß im Haus O 1 zwei voneinander völlig getrennte Wohneinheiten vorhanden seien. Sie bewohne mit ihrem Sohn die links vom Eingang befindliche Wohneinheit, die völlig getrennt und in sich abgeschlossen sei und aus einer Küche mit einem eigenen Bad und WC sowie einem eigenen wiederum links im ersten Stock befindlichen Schlafzimmer bestehe. F hingegen bewohne mit seinen Eltern die rechts vom Haupteingang gelegene Wohneinheit. Von einer Lebensgemeinschaft im Sinne der Judikatur, also im Sinne eines eheähnlichen Zusammenlebens, könne keine Rede sein.

Diesen Einwänden kommt keine Berechtigung zu. Über den Zweck der Neufassung des § 27 Abs. 4 (sowie des § 39 Abs. 2) AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 594/1983 wird im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (84 Blg. NR 16. GP Seite 2) ausgeführt, daß die Regelung vor der Novelle, wonach ledige Mütter das höhere Karenzurlaubsgeld (bzw. die Sondernotstandshilfe) auch dann erhielten, wenn sie mit dem Kindesvater des außerehelichen Kindes zusammenlebten, von der Öffentlichkeit kritisiert worden sei. Die Novelle sehe daher eine Gleichstellung dieses Kindesvaters mit einem Ehegatten in beiden Bereichen vor. Die Ansprüche der wirklich alleinstehenden Mütter würden dadurch nicht geschmälert. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 4 erster Tatbestand AlVG in Verbindung mit den zitierten Gesetzesmaterialien gelten ledige Mütter schon dann als nicht alleinstehend, wenn sie und der Kindesvater des außerehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 an der gleichen Adresse angemeldet sind oder anzumelden wären. Bei Zutreffen dieses Umstandes ist nicht mehr zu prüfen, ob die Elternteile tatsächlich zusammenleben (im Sinne des Bestehens einer Lebensgemeinschaft) oder einen gemeinsamen Haushalt führen (vgl. dazu die zu der ebenfalls durch die Novelle BGBl. Nr. 594/1983 geänderten Bestimmung des § 39 Abs. 2 AlVG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 10. November 1988, Zl. 87/08/0011, und vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0127).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es unmaßgeblich, ob die Beschwerdeführerin im relevanten Zeitraum mit dem Kindesvater in Lebensgemeinschaft gelebt hat. Entscheidend ist nur, ob die Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 an der gleichen Adresse gemeldet war. Dies traf zu, weil es unbestrittenermaßen im Haus O 1 keine voneinander getrennten Wohnungen gibt (vgl. hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 87/08/0011). Aus diesem Grund ist der in der Beschwerde gemachte Hinweis auf die Wohnverhältnisse in großen Wohnblocks nicht zielführend. Nach den im Berufungsverfahren gepflogenen (oben wiedergegebenen) Erhebungen gibt es im Haus O 1 nicht zwei baulich in sich geschlossene und je mit den erforderlichen sanitären Anlagen ausgestattete Wohnungen. Die Möglichkeit, daß zwei faktisch und rechtlich voneinander völlig getrennte Wohneinheiten innerhalb einer Wohnung existieren können, hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0127, verneint. Auf die Begründung des zuletzt genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die vorliegende Fallgestaltung bietet auch keinen Anlaß, an der Sachlichkeit der gesetzlichen Vermutung zu zweifeln, daß die dem Meldegesetz 1972 entsprechende Meldung der Mutter an der selben Adresse wie der Kindesvater kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes - nach der Lebenserfahrung - einen gewissen Grad einer Haushaltsgemeinschaft indiziert, die die Wirtschaftskraft der Beschwerdeführerin über jene einer gänzlich alleinstehenden Mutter stellt.

Da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt (Ausführungen zur Frage der Rückforderbarkeit des Überbezuges enthält die Beschwerde nicht), war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080156.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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