TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/6 92/16/0166

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Veröffentlicht am 06.10.1994
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Index

32/06 Verkehrsteuern;

Norm

GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §1;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z1 litc idF 1985/557;
GrEStG 1955 §4 Abs2 idF 1985/557;
GrEStG 1987 §1 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der G in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 2. September 1992, Zl. 289/1-9/Nd-1992, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb ein Reihenhaus in R von der "I-Genossenschaft reg. Gen. m.b.H." (im folgenden: Genossenschaft bzw. ISG). Am 28. Februar 1979 hatte die Genossenschaft folgendes Schreiben an die Beschwerdeführerin gerichtet:

"Parzellenzuteilung

Der Vorstand unserer Genossenschaft hat Ihnen in seiner Sitzung am 19. Februar 1979 die Parzelle Nr. 1329/10 des Reihenhauses I in R zugesichert. Die Grundkosten für diese Parzelle einschließlich der Garagen- und Abstellflächen sowie der bis zum heutigen Tage angefallenen Nebenkosten betragen S 179.500,--. Wir bitten Sie diesen Betrag innerhalb von 4 Wochen an uns zu überweisen. Die endgültige Abrechnung der Grundkosten erfolgt gleichzeitig mit der Bauendabrechnung des Reihenhauses. Falls Sie von der Anwartschaft zurücktreten, wird Ihnen zur Deckung unserer Unkosten ein Verwaltungskostenbeitrag von S 200,-- verrechnet. Der eingezahlte Grundpreis wird rückerstattet, sobald der Parzellennachfolger diesen an uns überwiesen hat, spätestens jedoch 12 Monate nach Aufkündigung. Die von der ISG herausgegebenen "Allgemeinen Richtlinien für den Erwerb eines Reihenhauses nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1968" haben Sie verbindlich zur Kenntnis genommen.

Die Parzellenzusicherung wird erst nach Zurücksendung der unterfertigten Gleichschrift und gänzlicher Bezahlung der Grundkosten rechtskräftig."

Die Beschwerdeführerin hatte am 29. März 1979 unterfertigt.

In den in diesem Schreiben genannten Allgemeinen Richtlinien heißt es u.a.:

"8. Nutzung, Kaufanwartschaft und Übereignung:

a)

Nach Fertigstellung des Reihenhauses wird dieses den Siedlern übergeben. Durch die Übergabe einerseits und die Übernahme andererseits wird ein Nutzungsverhältnis begründet, das mit der Kaufanwartschaft verbunden ist.

b)

Sobald der ISG sämtliche abschließenden Abrechnungsunterlagen sowie die Zustimmung der Landesregierung für die Bauendabrechnung vorliegen, wird zwischen der ISG und dem Siedler ein Kaufvertrag abgeschlossen. Die Vertragserrichtung erfolgt von einem von der ISG bestellten Rechtsanwalt bzw. Notar. Die Kosten hierfür gehen zu Lasten des Siedlers.

c)

Voraussetzung für den Abschluß des Kaufvertrages ist die restlose Erfüllung der aus der Bauendabrechnung sich ergebenden Verpflichtungen innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe; diese Frist kann nach Ersuchen ...

d)

Der Siedler ist verpflichtet, den Kaufvertrag fristgerecht zu unterfertigen. Die ISG ist andernfalls berechtigt das mit der Kaufanwartschaft verbundene Nutzungsverhältnis aufzulösen."

Unter Vorlage des Kaufvertrages vom 21. Februar 1984 wurde in der Abgabenerklärung angezeigt, daß die Beschwerdeführerin von der Genossenschaft eine Liegenschaft und Liegenschaftsteile mit einem von der Genossenschaft errichteten Einfamilien-Reihensiedlungshaus um den Gesamtkaufpreis von S 1,668.801,-- erworben habe. Es wurde die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c und Abs. 2 lit. b Grunderwerbsteuergesetz 1955 beantragt.

Am 21. August 1989 veräußerte die Beschwerdeführerin das Reihenhaus an F, was sie über Anfrage des Finanzamtes am 26. März 1992 bekannt gab.

Mit Bescheid vom 23. April 1992 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (im folgenden: Finanzamt) für den Kaufvertrag vom 9. Februar 1984 gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955 die Grunderwerbsteuer wegen Aufgabe des begünstigten Zweckes durch Weiterveräußerung des Kleinwohnungs-Eigenheimes in Höhe von S 85.414,-- fest.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die Achtjahresfrist gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 sei schon am 1. Juni 1989 abgelaufen, weil sie bereits am 1. Juni 1981 in das angekaufte Reihenhaus eingezogen und zu diesem Zeitpunkt der Kaufpreis festgestanden sei. Die schriftliche Ausfertigung des Kaufvertrages sei von der Genossenschaft bis zum 21. Februar 1984 hinausgezögert worden. Sie legte die eingangs genannte Parzellenzuteilung und die eingangs genannten Richtlinien der Genossenschaft vor.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung brachte die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag vor, daß sie aufgrund dieser Parzellenzuteilung bereits am 29. März 1979 einen Anspruch auf Übereignung gehabt hätte; schon damals sei der Abschlußwille vorhanden gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen hätte sich ergeben, daß sie bereits am 29.3.1979 einen Anspruch auf Übereignung erworben hätte. Aufgrund der bis 31.12.1979 geltenden Rechtslage seien noch nicht geschaffene Wohnhäuser nicht befreit gewesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften, sohin das GrEStG 1955 (im folgenden: GrEStG), anzuwenden. Nach dessen § 1 Abs. 1 Z. 1 unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründet. Aus den Beschwerdeausführungen ergibt sich, daß der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c GrEStG geltend gemacht wird. Danach ist von der Besteuerung ausgenommen der erste Erwerb eines von einem gemeinnützigen Bauträger geschaffenen oder zu schaffenden Wohnhauses, das den für Kleinwohnungen geltenden Bestimmungen entspricht, durch eine Person, die das Hausgrundstück als Eigenheim übernimmt; vor Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557, war der erste Erwerb eines von einem gemeinnützigen Bauträger geschaffenen Wohnhauses, das den für Kleinwohnungen geltenden Bestimmungen entspricht, durch eine Person, die das Hausgrundstück als Eigenheim übernimmt, von der Besteuerung ausgenommen. Nach der Übergangsbestimmung im Abschnitt VIII Art. II Z. 1 des Abgabenänderungsgesetzes 1985 ist die geänderte Fassung des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c GrEStG auf alle Vorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1979 verwirklicht wurden. Die Bestimmung im 3.Satz des § 4 Abs. 2 GrEStG, wonach die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 und Z. 7 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer unterliegen, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird, erfuhr durch die Neuformulierung dieses Absatzes durch das Abgabenänderungsgesetz 1985 keine Veränderung.

Für die Beurteilung der Frage, wann der Übereignunganspruch hinsichtlich des gegenständlichen Reihenhauses entstanden sei, standen den Behörden die oben zitierte Parzellierungszuteilung und die Allgemeinen Richtlinien der Genossenschaft einerseits sowie der angezeigte Kaufvertrag andererseits zur Verfügung. Das Schreiben der Genossenschaft vom 3. September 1992 ist kein Beweismittel über Tatsachenvorgänge, sondern gibt lediglich die Rechtsauffassung der Genossenschaft wieder. In diesem Zusammenhang kann eine unzureichende Beweisaufnahme und somit Mangelhaftigkeit des Verfahrens dadurch, daß Dr. H (der Verfasser des Schreibens vom 3. September 1992) nicht einvernommen wurde, schon deshalb nicht erkannt werden, weil sich weder aus diesem Schreiben noch sonst aus dem Akteninhalt ergeben hat, Dr. H sei am Vertragsgeschehen zwischen 1979 und 1984 irgendwie persönlich beteiligt gewesen. Er scheint auch nicht als Unterfertiger des gegenständlichen Kaufvertrages auf.

Nach dem klaren Wortlaut des dritten Satzes des § 4 Abs. 2 GrEStG kann es nicht zweifelhaft sein, daß die darin genannte Frist mit dem Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG zu laufen begann (ständige hg.Rechtsprechung; siehe beispielsweise das Erkenntnis vom 12. April 1984, Zl. 83/16/0076 m.w.N.). Zur Begründung eines Übereignungsanspruches im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG genügt die zwischen den Vertragsparteien erzielte Willensübereinstimmung, einen bestimmten oder durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbaren Anteil an einer Liegenschaft, die wenigstens durch ihre Adresse bezeichnet wird, um einen betragsmäßig festgesetzen Kaufpreis zu erwerben (hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1983, Slg. 5.845/F; zuletzt Erkenntnis vom 15. April 1993, Zl. 91/16/0079).

Die hier vorliegende "Parzellenzuteilung" samt den überreichten Richtlinien entspricht diesen Erfordernissen keineswegs. Während dort nur eine Parzellennummer genannt wurde, wurden erst mit dem Kaufvertrag vom 9. Februar 1984 zwei Grundstücke zur Gänze und zwei Grundstücksanteile erworben. Vor allem aber ist in der Parzellenzusicherung kein Preis für das zu erwerbende Reihenhaus genannt. Eine Willenseinigung über den Kaufpreis ist ja erst erzielt, wenn sich der Erwerber dem Veräußerer gegenüber verpflichtet, für den Erwerb und für die Errichtung einer bestimmten Wohnung bestimmte Beträge zu bezahlen, sowie allfällige Zusatzdarlehen zu übernehmen (Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, zweite Lieferung August 1988, RZ. 129 zu § 1 GrEStG 1987, mit Hinweisen auf die hg. Judikatur).

Aus der Parzellenzuteilung im Zusammenhang mit den Richtlinien kann keinesfalls ein klagbarer Anspruch der Beschwerdeführerin, ein bestimmtes WOHNHAUS als Eigenheim zu erwerben, entnommen werden, weil insbesondere betreffend die Baukosten noch keine für einen Kauf notwendige Bestimmbarkeit des Gesamtkaufpreises vorlag. Vielmehr sahen die Richtlinien den SPÄTEREN Abschluß eines Kaufvertrages vor. Dieser spätere Kaufvertrag wurde am 9. Februar 1984 abgeschlossen. Er enthält nicht nur eine genaue Beschreibung des Kaufobjektes und neben der Bestimmung des Kaufpreises auch eine Regelung, wie er zu entrichten ist.

Der Auffassung der belangten Behörde, der Erwerbsvorgang sei schon vor dem 31. Dezember 1979 verwirklicht worden, kann somit nicht gefolgt werden. Es ist aber auch der Beschwerdeführerin darin nicht zu folgen, das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft sei anläßlich der Übernahme zur Nutzung am 1. Juni 1981 abgeschlossen worden. Durch die Übergabe wurde nur ein Nutzungsverhältnis begründet, welches aber nicht Gegenstand der Besteuerung ist. Auch die in Punkt 9 der Richtlinien enthaltenen Rücktrittsregelungen nehmen auf den Baubeginn und auf die Eintragung ins Grundbuch, nicht aber auf die Übergabe des fertiggestellten Hauses Bezug.

Begünstigt nach § 4 Abs. 1 lit. c GrEStG ist der Erwerb als Eigenheim; am 1. Juni 1981 erfolgte jedenfalls kein derartiger Erwerb.

Zusammenfassend ergibt sich aus dem vorliegenden Vertragswerk, daß ein nach Leistung und Gegenleistung exakt bestimmtes Rechtsgeschäft, welches den Anspruch auf Übereignung des gegenständlichen Reihenhauses begründete, erst am 9. Februar 1984 abgeschlossen wurde. Damit war wohl das GrEStG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1985 anwendbar, aber die Befreiung durch die 1989 erfolgte Veräußerung verwirkt. Eines Eingehens auf die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente zu der bis 31. Dezember 1979 geltenden Rechtslage bedarf es daher nicht.

Dem Verjährungseinwand sei nur erwidert, daß das Finanzamt mit Schreiben vom 29. März 1988 die Beschwerdeführerin ersuchte, zum Zweck der Überprüfung der beantragten Grunderwerbsteuerbefreiung gewisse Fragen zu beantworten. Dadurch trat die im § 209 Abs. 1 BAO genannte Unterbrechung der Verjährung ein.

Damit erwies sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992160166.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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