TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/19 93/03/0178

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Veröffentlicht am 19.10.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
KFG 1967 §103 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der M in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 14. Mai 1993, Zl. UVS-3/695/10-1993, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 27. Jänner 1992 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 24. Oktober 1991 um 17.30 Uhr als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs auf der Tauernautobahn A 10 im Gemeindegebiet Zederhaus bei Straßenkilometer 97,166 in Fahrtrichtung Villach die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 71 km/h überschritten. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt werde.

Im Einspruch gegen die Strafverfügung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei zwar Halterin des betroffenen Fahrzeuges, habe dieses aber zur Tatzeit nicht gelenkt. Mit Schreiben vom 11. März 1992 forderte die Bezirkshauptmannschaft die Beschwerdeführerin auf, bekanntzugeben, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Mit Schreiben vom 20. März 1992 wiederholte die Beschwerdeführerin, daß nicht sie die Verwaltungsübertretung begangen habe, und verwies darauf, daß sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Mit Schreiben vom 8. Juli 1992 teilte die Bezirkshauptmannschaft der Beschwerdeführerin mit, es müsse angenommen werden, daß die Beschwerdeführerin selbst im Tatzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt habe, weil sie der Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers nicht nachkomme.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 6. August 1992 wurde sodann die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 24. Oktober 1991 um 17.30 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf der Tauernautobahn - Scheitelstrecke, Gemeindegebiet Zederhaus, bei Straßenkilometer 97,166 in Fahrtrichtung Süden gelenkt und dabei die auf diesem Teilstück der Autobahn durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 71 km/h überschritten. Dadurch habe sie eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei der Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers nicht nachgekommen. Da sie somit ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllt habe, werde angenommen, daß sie zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug selbst gelenkt und die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen habe.

In der Berufung gegen das Straferkenntnis führt die Beschwerdeführerin aus, sie habe das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht selbst gelenkt.

In der Folge teilte sie der belangten Behörde mit Eingabe vom 15. Februar 1993 mit, sie habe mittlerweile jedes in Frage kommende Familienmitglied befragt, ob es das von ihr gehaltene Fahrzeug im Tatzeitpunkt am Tatort gelenkt habe. Aufgrund dieser Umfrage sei sie nun in der Lage, der belangten Behörde mitzuteilen, daß das Fahrzeug im Tatzeitpunkt von A, wohnhaft in Vukovar, S...199, gelenkt worden sei.

Die belangte Behörde sandte eine mit 10. März 1993 datierte Anfrage an A unter der von der Beschwerdeführerin bekanntgegebenen Adresse. Nachdem dieses Schriftstück nicht zugestellt werden konnte und mit dem Vermerk "non admis" retourniert worden war, teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. März 1993 mit, daß es ihr nicht gelungen sei, schriftlich mit A in Kontakt zu treten. Die Beschwerdeführerin werde daher ersucht, eine Adresse anzugeben, an welcher dieser Zeuge erreicht werden könne.

Mit Eingabe vom 2. April 1993 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, sie könne eine andere, als die bereits angegebene Anschrift des Zeugen nicht bekanntgeben.

Mit Schreiben vom 14. April 1993, der Beschwerdeführerin zugestellt am 19. April 1993, ersuchte die belangte Behörde schließlich um Bekanntgabe der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin, um die Angemessenheit der Strafhöhe überprüfen zu können. Dieses Ersuchen blieb unbeantwortet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Berufungsverfahren vorgebracht, das Fahrzeug sei von A gelenkt worden. Die belangte Behörde habe daraufhin versucht, mit A unter der von der Beschwerdeführerin angegebenen Adresse schriflich in Kontakt zu treten, daß Schriftstück sei jedoch von der Post mit dem Vermerkt "nicht angetroffen" retourniert worden. Da somit der Entlastungsbeweis zugunsten der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei und sonstige Anhaltspunkte für die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe den PKW nicht selbst gelenkt, nicht vorgebracht worden seien, sei "gemäß höchstgerichtlicher Rechtsprechung davon auszugehen", daß die Beschwerdeführerin selbst das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihre Berufungsbehauptung hätte von der belangten Behörde nicht widerlegt werden können. Die belangte Behörde könne sich nicht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Es sei unzulässig, daß die gesamte Beweislast eines Verwaltungsstrafverfahrens auf die Beschwerdeführerin als Beschuldigte abgewälzt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeausführungen betreffen die Rechtsfrage, welche Ermittlungspflichten die Behörde treffen, wenn als Entlastungszeuge eine im Ausland lebende Person namhaft gemacht wird. Zufolge früherer divergierender Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Slg. Nr. 13451/A, mit dieser Frage auseinandergesetzt. Aus diesem Erkenntnis ergibt sich, daß die Behörde aufgrund der Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung, wenn es zur Klärung des Sachverhaltes notwenig ist, zumindest versuchen muß, mit dem der Anschrift nach bekannten Zeugen in Verbindung zu treten. Dieses "in Verbindung treten" werde regelmäßig dadurch zu geschehen haben, daß die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Lange innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so müsse dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde habe dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlege oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitpunkt gehe, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Verweigere es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, werde die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Wäre der Zulassungsbesitzer dazu grundsätzlich bereit, reichten aber dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde (noch) nicht aus, so habe ihn die Behörde zur zweckdienlichen Ergänzung zu verhalten und darüberhinaus selbständige Ermittlungen anzustellen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich somit, daß die Ermittlungspflicht der Behörde durch die oben dargestellte Mitwirkungspflicht des Beschuldigten ergänzt wird, wobei die Verletzung dieser Mitwirkungspflicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu würdigen ist.

Im gegenständlichen Fall gab die Beschwerdeführerin als Halterin des in Deutschland zugelassenen PKWs - nachdem sie mehrmals hiezu aufgefordert worden war - der belangten Behörde den Namen und die ausländische Anschrift jener Person, die nach ihrer Verantwortung das Fahrzeug im Tatzeitpunkt gelenkt habe, bekannt. Die belangte Behörde versuchte, mit dieser Person schriftlich unter der von der Beschwerdeführerin angegebenen Adresse in Verbindung zu treten. Nachdem dies nicht gelungen war, benachrichtigte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin hievon und ersuchte um Bekanntgabe einer anderen Adresse. Die Beschwerdeführerin teilte sodann der belangten Behörde mit, daß sie eine andere Adresse nicht angeben könne, machte aber in keiner Weise den Versuch, ihre Behauptung zur Person des Lenkers in anderer Weise nachzuweisen. Auch nachdem die belangte Behörde die Beschwerdeführerin ersucht hatte, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zwecks Überprüfung der Angemessenheit der Strafhöhe mitzuteilen, woraus für die Beschwerdeführerin ersichtlich war, daß ihrer Verantwortung ohne Erbingung von Nachweisen nicht gefolgt werden werde, wurden keine weiteren Anstrengungen unternommen, die Berufungsbehauptung glaubhaft zu machen. Wenn die belangte Behörde in Anbetracht dieses Verfahrensablaufes in freier Beweiswürdigung annahm, daß die Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt habe, kann dies nicht als unschlüssig erkannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Zeugen Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Verhältnis zu anderen Materien Normen VStG Verwaltungsstrafverfahren freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993030178.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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