TE Vfgh Erkenntnis 2008/10/10 G5/07

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Veröffentlicht am 10.10.2008
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z9
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art15a
StGG Art5
BStG 1971 §10 Abs3
F-VG 1948 §2, §4

Leitsatz

Abweisung des Antrags der Wiener Landesregierung auf Aufhebung einerBestimmung des Bundesstraßengesetzes über die Errichtung der AutobahnVerbindungsspange Rothneusiedl unter der Voraussetzung einesKostenbeitrags vom Land Wien auf Grund einer Art15a-Vereinbarung;kein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung und dasfinanzausgleichsrechtliche Sachlichkeitsgebot; kein rechtlicher Zwangzum Abschluss einer Vereinbarung; weniger strenge Anforderungen derBestimmtheit an eine Selbstbindungsnorm

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Wiener Landesregierung stellt aufgrund ihres

Beschlusses vom 23. Jänner 2007 den auf Art140 B-VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286/1971 in der Fassung BGBl. I 58/2006 als verfassungswidrig aufheben.

2. Die angefochtene Bestimmung steht in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

Das F-VG 1948 regelt den Wirkungsbereich des Bundes und der Länder auf dem Gebiete des Finanzwesens. Der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften tragen grundsätzlich den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt (§2 F-VG). Eine abweichende Regelung über den Aufwand muss sohin durch die zuständige Gesetzgebung erfolgen (VfSlg. 2604/1953) und hat in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, dass die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden (§4 F-VG).

§10 Bundesstraßengesetz 1971 (kurz: BStG 1971) in der Fassung BGBl. I 58/2006 lautet (der angefochtene Teil ist hervorgehoben):

"§10. (1) Muss eine Bundesstraße wegen der besonderen Art oder Häufigkeit der Benützung durch eine Unternehmung oder durch deren Kunden und Lieferanten in einer kostspieligeren Weise geplant, gebaut oder erhalten werden, als dies mit Rücksicht auf den allgemeinen Straßenverkehr notwendig wäre, so hat die Unternehmung dem Bund (Bundesstraßenverwaltung) die Mehrkosten zu vergüten.

(2) Länder, Gemeinden und andere juristische Personen können Beiträge zu Planung, Bau oder Erhaltung von Bundesstraßen an den Bund (Bundesstraßenverwaltung) leisten.

(3) Der Abschnitt gemäß Verzeichnis 1, Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), Nummer A 24 'Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl Knoten Hanssonkurve (A23) - Knoten Rothneusiedl (S1)' wird unter der Voraussetzung errichtet, dass auf Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwischen Bund und Land Wien ein substantieller Kostenbeitrag für Planung und Bau vom Land Wien geleistet wird."

3. Die Wiener Landesregierung legt die Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung wie folgt dar (Hervorhebungen im Original):

"1. Verletzung der verfassungsgemäßen Kompetenzaufteilung, Verstoß gegen Art10 Abs1 Z9 B-VG:

Gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG ist die Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge außer der Straßenpolizei Bundessache. Die A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl ist im Verzeichnis 1 - Bundesstraßen A (Autobahnen) des Bundesstraßengesetzes 1971 angeführt, stellt daher einen zu einer Bundesstraße erklärten Straßenzug dar und ist somit im Sinne des Art10 Abs1 Z9 B-VG eine Straße von überregionaler Bedeutung. Demzufolge stellt die A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl als Bundesstraße eine Angelegenheit des Bundes dar, für deren Planung und Errichtung der Bund in der Folge gemäß §2 F-VG allein die Kosten zu tragen hat.

Bezüglich des Inhalts von gemäß Art15a B-VG abgeschlossenen Vereinbarungen ist festzuhalten, dass die im B-VG festgesetzte Kompetenzverteilung durch derartige Vereinbarungen nicht geändert werden darf (vgl. Mayer, B-VG Kommentar, 2. Auflage zu Art15a unter Berufung auf VfSlg. 10.292). Eine Änderung der Kompetenzverteilung liegt im gegenständlichen Fall aber vor, da der Bund durch die in §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 erfolgte Festsetzung des Erfordernisses des Abschlusses einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG die Entscheidung über den Bau der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl davon abhängig macht, ob das Land Wien mit dem Bund diese Vereinbarung abschließt. Dadurch nimmt der Bund die ihm verfassungsgemäß zugewiesene Aufgabe des Baues von Bundesstraßen nicht wahr.

Mit einer derartigen Vorgangsweise eröffnet sich der Bund die Möglichkeit der Auswahl, welche der ihm obliegenden Kompetenzen er selbst in Anspruch nimmt und welche - ihn nachteilig belastende - Angelegenheiten er an andere Gebietskörperschaften überträgt. Diese Aufgabenverteilungskompetenz steht dem einfachen Bundesgesetzgeber jedoch verfassungsrechtlich nicht zu.

Zu der in §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 festgesetzten Beteiligung Wiens an den Planungskosten der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl ist weiters auch auszuführen, dass die Bestimmung - und somit die Planung - der überregionalen Straßenzüge jedenfalls in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fällt. Nach §2 F-VG haben der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt, zu tragen. Die Aufnahme in das Verzeichnis der überregionalen Straßenzüge im Bundesstraßengesetz 1971 bedeutet, dass die Planung dieses Abschnitts bereits erfolgt ist und die angefallenen Planungskosten jedenfalls vom Bund zu tragen sind. Bei den Planungskosten handelt es sich um ca. 10 % der Projektskosten, das sind im gegenständlichen Fall ca. 39 Millionen Euro. Die nachträgliche anteilige Überwälzung der Planungskosten auf das Land Wien widerspricht jedenfalls der Kompetenzbestimmung des Art10 Abs1 Z9 B-VG, daher ist die Wortfolge 'Planung und' in §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 auch aus diesem Grund verfassungswidrig. Außerdem ist die Festsetzung eines Beitrages des Landes Wien an den Planungskosten unsachlich, da die Planungskosten bereits vor Erlassung der gegenständlichen Bestimmung beim Bund angefallen sind.

2. Verstoß gegen §4 F-VG:

Beteiligt sich das Land Wien nicht, wie mit §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 vom Bund diktiert, an den Kosten der Planung und Errichtung der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl und wird in der Folge diese Bundesstraße nicht hergestellt, entsteht durch das notgedrungene Ausweichen des überregionalen Verkehrs auf das regionale Straßennetz eine erhöhte Abnützung der regionalen Straßen. Dadurch entsteht für Wien wegen der ständig steigenden Verkehrsfrequenz in diesem Gebiet, welche auf Grund der bereits erfolgten Errichtung der Bundesstraße S 1 zum überwiegenden Teil auf überregionalen Durchzugsverkehr zurückzuführen ist, für die Zukunft ein stark erhöhter Kostenaufwand für die Erhaltung der Straßen des regionalen Straßennetzes zumindest in der Umgebung der vorgesehenen A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl. Das Land Wien wird somit in die Zwangslage versetzt, sich entweder an einer vom Bund durchzuführenden und von diesem zu finanzierenden Maßnahme finanziell zu beteiligen oder andernfalls die auf Grund der Nichterfüllung seiner Aufgaben resultierenden Mehrkosten zu tragen.

Nach der im Zuge der Planung erstellten Baukostenschätzung stellen sich die Errichtungskosten der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl wie folgt dar:

Straßenbau (Hauptstraßen A 23 und A 24,      Euro    30,1 Mio.

untergeordnete Straßen)

Objekte (Einhausung A 23, Brückenobjekte)    Euro   127,6 Mio.

Knoten (Verbindungsspange, Hanssonkurve inkl.

Tunnel,                                      Euro    92,2 Mio.

Halbanschlussstelle Südrandstraße,

Halbanschlussstelle

Güterterminal/Businesspark)

Sonstiges (Lärmschutzmaßnahmen,

Baugrunderkundung,                           Euro    20,6 Mio.

Bauvorbereitung und Einbautenumlegung, etc.)

Entsorgung Altlasten                         Euro    25,0 Mio.

20 % Unvorhergesehenes                       Euro    59,1 Mio.

Gesamtsumme Baukosten                        Euro   354,6 Mio.

Grundeinlösekosten (inkl. Unvorhergesehenes) Euro    36,3 Mio.

Gesamtkosten                                 Euro   390,9 Mio.

Die Kostenbeteiligung würde sich bei einer Beteiligung des Landes Wien in der Höhe von 50 % - entsprechend der Annahme des Bundesministers für Finanzen - im Bereich von 180 Millionen Euro bewegen und somit rund 2 % des jährlichen Budgets der Gemeinde Wien betragen.

Die Höhe des allfälligen Kostenbeitrags gibt Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken gemäß §4 F-VG. Für die Belastung Wiens mit dieser Summe - für eine Angelegenheit, die kompetenzrechtlich dem Bund zugeordnet ist - hätte im Paktum über den Finanzausgleich 2005 bis 2008 Vorsorge getroffen werden müssen, da diese Kosten einerseits gemäß dem in §2 F-VG festgesetzten Grundsatz nicht von Wien zu tragen sind und andererseits sich der Höhe nach in einem Bereich bewegen würden, der für Wien die Grenzen der Leistungsfähigkeit gemäß §4 F-VG überschreiten würde, da dieser Betrag weder im Rahmen des Finanzausgleiches berücksichtigt wurde noch durch ein erhöhtes Einnahmenaufkommen gedeckt werden kann und außerdem das Aufkommen Wiens für Infrastrukturinvestitionen (Straßennetz, Sporthallen und Schulen, Wintersportanlagen, Büchereien, Schutzwasserbau, etc.) in der Höhe von 162 Millionen Euro übersteigt. Auch der jährliche Zweckzuschuss des Bundes zur Erhaltung der an die Länder übertragenen Bundesstraßen B an das Land Wien in der Höhe von 40 Millionen Euro stellt sich im Vergleich zum gegenständlichen allfälligen Kostenbeitrag als gering dar. Bei Beteiligung Wiens an den Kosten der Planung und Errichtung der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl müssten die Investitionen Wiens in sonstige Infrastrukturprojekte zurückgenommen werden.

Der Bund selbst ist sich der enormen Höhe der Kostenüberwälzung bewusst und schlägt daher, wie den Erläuternden Bemerkungen zu entnehmen ist, zur Verringerung der Kostenbelastung Wiens eine Finanzierungsbeteiligung privater Partner vor. Wie diese konkret auszusehen hat, bleibt allerdings unklar.

3. Verletzung des Prinzips des freiwilligen Abschlusses von Vereinbarungen gemäß Art15a B-VG:

Die mit §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 geschaffene Lage, mit der das Land Wien in die Zwangssituation versetzt wird, sich entweder an den Kosten der Planung und Errichtung einer Bundesstraße zu beteiligen oder die auf Grund der Nichterfüllung dieser vom Bund zu setzenden Maßnahme die aus der verstärkten Nutzung des regionalen Straßennetzes durch überregionalen Verkehr resultierenden Mehrkosten durch erhöhten Erhaltungsaufwand zu tragen, widerspricht eindeutig der in Art15a B-VG verankerten Freiwilligkeit der Gebietskörperschaften zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung und damit auch der aus dem bundesstaatlichen Prinzip erfließenden Autonomie der Länder. Durch eine derartige Konstruktion ist auch eine offensichtliche Umgehung der fundamentalen Verfassungsbestimmung des §2 F-VG, wonach jede Gebietskörperschaft den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt, selbst zu tragen hat, gegeben und wird durch eine einfachgesetzliche Bestimmung Verfassungsrecht im formellen und materiellen Sinn außer Kraft gesetzt (vgl. Thienel in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Kommentar, Art15a B-VG, RZ 3 und 35 f.).

Die bloße Aufhebung der Wortfolge 'auf Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwischen Bund und Land Wien' in §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 ist jedoch nicht ausreichend, um die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung zu beheben, da die Kostenbeitragspflicht Wiens für eine Aufgabe des Bundes weiterhin bestehen bleibt und nur die Möglichkeit der Mitsprache für Wien entfallen würde.

4. Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG:

§10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 widerspricht auch dem in Art18 Abs1 B-VG normierten Rechtsstaatsprinzip, da der Ausdruck 'substanzieller Kostenbeitrag' unbestimmt ist und die Bestimmung somit an einem inhaltlichen Bestimmtheitsmangel leidet. Art18 Abs1 B-VG verlangt ganz allgemein einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad (vgl. VfSlgen. 13.785 und 15.177). Für Gesetze, die zu Grundrechtseingriffen ermächtigen, ist ein strengeres Determinierungserfordernis anzunehmen (vgl. VfSlgen. 10.737 und 13.336). Auch wenn die Festlegung der tatsächlichen Höhe des von Wien zu leistenden Kostenbeitrages zur Planung- und Errichtung der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien vorbehalten bleiben soll, ist der Rahmen, innerhalb dessen sich der Kostenbeitrag Wiens bewegen soll, überhaupt nicht vorgegeben (vgl. VfSlg. 17.326). In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage wird ausgeführt, dass der Bundesminister für Finanzen davon ausgeht, dass das Land Wien bzw. Private in etwa 50 % der Planungs- und Baukosten ersetzen. Durch diese Ausführung wird die Bedeutung des §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 noch unklarer und es wird weiters eine Interpretation dieser Bestimmung vorgenommen, die ihrem Wortlaut nicht entnommen werden kann.

Eine gänzlich unbestimmte Gesetzesbestimmung, wie §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 ist, kann jedoch allein durch die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage nicht klar gestellt werden, um dem in Art18 Abs1 B-VG normierten Bestimmtheitsgebot zu entsprechen. Angemerkt wird, dass im vorliegenden Fall in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ausgeführt wird, dass es sich bei der Schätzung der Kostenbeteiligung des Landes Wien an der Planung und Errichtung der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl lediglich um eine Annahme des Bundesministers für Finanzen handelt, aber nicht näher begründet wird, worauf diese bloße Annahme beruht.

5. Verletzung des Gleichheitssatzes (Art7 B-VG) und daraus folgend des Sachlichkeitsgebotes:

Durch die in §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 normierte Verpflichtung des Landes Wien zu einem Kostenbeitrag zur Planung und Errichtung der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl wird eine dem Gleichbehandlungsgebot widersprechende Differenzierung der Bundesländer untereinander bewirkt und liegt dadurch eine gröbliche Benachteiligung des Landes Wien vor. Nach Art2 StGG sowie Art7 Abs1 B-VG muss der Gesetzgeber an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen. Daraus ist ein Verbot sachlich nicht gerechtfertigter Differenzierungen abzuleiten. Es ist nicht erkennbar, worin der Unterschied liegen sollte, dass eine Beteiligung des Landes Wien an den Kosten der Planung und Errichtung der A 24-Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl gerechtfertigt sein sollte, jedoch für die übrigen Bundesländer für in ihrem Landesterritorium liegende auszuführende Bundesstraßen eine gleichartige Regelung nicht normiert wurde. Somit ist festzuhalten, dass hier eine offensichtliche Ungleichbehandlung des Landes Wien im Vergleich zu anderen Rechtsträgern vorgenommen wird und allein schon aus diesem Grund die angefochtene Regelung mit Verfassungswidrigkeit behaftet ist.

Weiters darf die Entscheidung der Frage, ob eine Bundesstraße errichtet wird oder nicht, lediglich auf Grund sachlicher, dem Bundesstraßengesetz 1971 zu entnehmenden Kriterien - etwa der Notwendigkeit auf Grund des erhöhten überregionalen Verkehrsaufkommens - getroffen werden. Ein Abhängigmachen der Frage der Errichtung einer Bundesstraße vom Umstand, ob ein Land die Kosten für die Planung und den Bau einer Bundesstraße mitträgt oder nicht, ist weder den kompetenzrechtlichen Verfassungsbestimmungen noch den anzuwendenden einfachgesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen und es fehlt daher einer derartigen Regelungskonstruktion die entsprechende sachliche Rechtfertigung. Es liegt somit auf Grund dieser unsachlichen Differenzierung auch eine Verletzung des Sachlichkeitsgebotes und somit des Gleichheitsgrundsatzes durch §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 vor.

6. Unverletzlichkeit des Eigentumsrechts, Verstoß gegen Art5 StGG:

Die Geldmittel sind vom Begriff des Vermögens umfasst und nach Art5 StGG vor unrechtmäßigen Eingriffen geschützt. Durch die vom Bund in §10 Abs3 des Bundesstraßengesetzes 1971 nunmehr in Verletzung der Regelung des §2 F-VG erfolgende Bindung der Verwendung bzw. Bereithaltung von Finanzmitteln kann Wien nicht mehr frei über diese Mittel verfügen und erfolgt insoweit eine der Enteignung gleichzusetzende Einschränkung von Wien in der Disposition über diese - im Übrigen in ihrer Höhe auf Grund der unbestimmten Diktion des Gesetzes nicht abschätzbaren - Haushaltsmittel. Durch diesen unzulässigen Eingriff wird Wien in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt, indem der Bund das Land Wien durch Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwingt, Geldmittel zur Finanzierung einer Bundesstraße bereitzustellen."

4. Die Bundesregierung tritt den Bedenken der Wiener Landesregierung wie folgt entgegen (Hervorhebungen im Original):

"1. Allgemeine Vorbemerkungen

3. Die angefochtene Bestimmung des §10 Abs3 BStG 1971 lautet wie folgt:

'Der Abschnitt gemäß Verzeichnis 1, Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), NummerA 24 'Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl Knoten Hanssonkurve (A23) - Knoten Rothneusiedl (S1)' wird unter der Voraussetzung errichtet, dass auf Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwischen Bund und Land Wien ein substantieller Kostenbeitrag für Planung und Bau vom Land Wien geleistet wird.'

Die Erläuterungen in der Regierungsvorlage, RV 1333 dB,

22. GP, halten zu §10 Abs2 und zu dieser Bestimmung gemeinsam fest:

'Diese Bestimmung ermöglicht die Beteiligung von Ländern, Gemeinden und anderen juristischen Personen an der Finanzierung der Planung, des Baues und der Erhaltung von Bundesstraßen oder Bundesstraßenteilen, wenn die Kosten der Errichtung und der Erhaltung der entsprechenden Bundesstraße oder des Bundesstraßenteiles höher sind, als der betriebswirtschaftliche Vorteil für den Bund (Bundesstraßenverwaltung) zusammen mit den volkswirtschaftlichen Vorteilen, die gesamtstaatlich wirksam werden.

Was den 'substantiellen Kostenbeitrag' des Landes Wien anlangt, geht das Bundesministerium für Finanzen davon aus, dass das Land Wien bzw. Private in etwa 50% der Planungs- und Baukosten ersetzen.'

Die A 24 ('Autobahn Verbindungsspange Rothneusiedl, Knoten Hanssonkurve (A 23) - Knoten Rothneusiedl (S 1)') wurde nach einer gemäß dem Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz), BGBl. I Nr. 96/2005, durchgeführten strategischen Prüfung mit der letzten Novelle des BStG 1971 in das Bundesstraßennetz aufgenommen. Hingewiesen werden kann in diesem Zusammenhang auf die zusammenfassende Erklärung gemäß §9 SP-V-Gesetz betreffend die von der Wiener Landesregierung als Initiator gemäß §4 leg. cit. vorgeschlagenen Netzveränderung, welche auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie veröffentlicht ist und als Beilage dieser Stellungnahme angefügt wird:

http://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/ strategische pruefung/downloads/SP V03 VERBINDUNGSSPANGE ZE.pdf.

4. Der Antrag der Wiener Landesregierung scheint teilweise davon auszugehen, dass §10 Abs3 BStG 1971 das Land Wien dazu verpflichtet, durch Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG mit dem Bund einen 'substantiellen Kostenbeitrag' für Planung und Bau der in dieser Bestimmung genannten Bundesstraße A 24 zu leisten.

Nach Ansicht der Bundesregierung legt der Wortlaut und die Systematik der angefochtenen Bestimmung diese Auslegung aber nicht nahe. Auch aufgrund der Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen kommt sie nicht in Betracht.

5. Seinem Wortlaut nach regelt §10 Abs3 BStG 1971 bloß die Voraussetzungen, unter denen der gegenständliche Bundesstraßenabschnitt zu errichten ist. Eine Verpflichtung des Landes Wien zum Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG oder zur Zahlung eines Kostenbeitrages ist dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu entnehmen. Die für §10 Abs2 und 3 BStG 1971 gemeinsam gefassten Erläuternden Bemerkungen zeigen vielmehr, dass diese beiden Absätze des §10 im Zusammenhang zu sehen sind. §10 Abs2 BStG 1971 sieht vor, dass Länder, Gemeinden und andere juristische Personen Beiträge zu Planung, Bau oder Erhaltung von Bundesstraßen an den Bund (Bundesstraßenverwaltung) (freiwillig) leisten können. §10 Abs3 BStG 1971 will von der Freiwilligkeit dieser finanziellen Beteiligung nicht abweichen, sieht aber spezifisch für die A 24 vor, dass ohne eine solche freiwillige finanzielle Beteiligung die Bundesstraße nicht errichtet werden wird.

Gegen eine verpflichtende Kostenbeteiligung des Landes Wiens sprechen aber auch verfassungsrechtliche Gründe. §10 Abs3 BStG 1971 knüpft nicht an die tatsächliche Zahlung eines Kostenbeitrages, sondern an den Abschluss einer solchen Vereinbarung an. Nun kann aus verfassungsrechtlicher Sicht der Abschluss derartiger Vereinbarungen nur freiwillig erfolgen. Ein Gesetzgeber kann gegenbeteiligte Gebietskörperschaften nicht dazu verpflichten, derartige Vereinbarungen abzuschließen. Dies würde dem Sinn solcher Vereinbarungen diametral widersprechen, auch bestünde die Gefahr 'transkompetenten' Handelns eines Gesetzgebers gegenüber einem anderen. Die dem Antrag - zumindest teilweise - unterstellte verpflichtende Kostenbeteiligung würde aber eine Verpflichtung des Landes Wien zum Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG bedeuten:

Diese Verfassungsrechtslage bestätigt die vom Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang her ohnehin gebotene Auslegung, wonach die angefochtene Bestimmung keinerlei rechtlich wirksame Verpflichtung des Landes Wien beinhaltet, eine Vereinbarung gemäß Art15a B-VG abzuschließen bzw. einen Kostenbeitrag zum Bau des fraglichen Bundesstraßenabschnitts, der A 24, zu leisten.

6. Bei §10 Abs3 BStG 1971 handelt es sich nach dem Gesagten daher nicht um eine Bestimmung, die das Land Wien zu einem Handeln verpflichtet. Vielmehr ist §10 Abs3 BStG 1971 als eine Art 'Selbstbindungsbestimmung' zu lesen. Der Gesetzgeber knüpft zulässigerweise spezifische, zusätzliche Voraussetzungen an die Errichtung eines näher bezeichneten Bundesstraßenabschnitts. Es bleibt dem Land Wien völlig frei, den Abschluss der Vereinbarung gem. Art15a B-VG zu beschließen. Unmittelbarer Normadressat des Art. [§] 10 Abs3 BStG 1971 ist bloß der Bund selbst, nicht aber das Land Wien, und Inhalt der Norm ist ein Auftrag an die Verwaltung, den genannten Bundesstraßenabschnitt erst bei Vorliegen einer Kostenbeteiligung durch das Land Wien zu bauen.

7. Sofern die Antragstellerin - wie an mehreren Stellen des Antrages ausgeführt wird - zwar nicht von einer rechtlichen Verpflichtung zur Mitfinanzierung der A 24 ausgeht, aber von einem faktischen Zwang hierzu, weil ohne den Bau dieser Bundesstraße ein starkes Verkehrsaufkommen auf regionalen Straßen und dadurch verursachte, von ihr zu tragende Mehrkosten zu erwarten wären, so geht sie offenkundig von einem falschen Verständnis der die Planung und den Bau von Straßen regelnden verfassungsrechtlichen Bestimmungen aus. Die auf Bundesstraßen Bezug habende Regelung des Art10 Abs1 Z9 B-VG stellt eine reine Kompetenzbestimmung dar, beinhaltet aber keinen politischen Auftrag an den Bund, Bundesstraßen in einem gewissen Umfang zu errichten. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers, Straßenzüge zu Bundesstraßen zu erklären, ist durch diese Kompetenzbestimmung nur in eine Richtung begrenzt, als es dem Bundesgesetzgeber nämlich verwehrt ist, solche Straßenzüge zu Bundesstraßen zu erklären, die keine Bedeutung für den Durchzugsverkehr aufweisen (siehe noch unten RdZ 9). Ist eine Bedeutung eines gewissen Straßenzuges für den Durchzugsverkehr gegeben, steht es dem Bundesgesetzgeber jedoch frei, zu entscheiden, ob er ihn zur Bundesstraße erklären will. Es ist daher festzuhalten, dass eine (verfassungsrechtliche) Verpflichtung des Bundesgesetzgebers, bestimmte Straßenzüge zu Bundesstraßen zu erklären, nicht besteht und dass keinerlei Anspruch eines Dritten (auch nicht des Landes Wien) darauf besteht, dass der Bundesgesetzgeber Bundesstraßen in das Bundesstraßenverzeichnis aufnimmt oder die Bedingungen für den Bau einer Bundesstraße in einer bestimmten Weise ausgestalten muss bzw. von Bedingungen überhaupt absieht. Ebenso wenig besteht im Übrigen ein subjektives Recht eines Dritten, den Bau einer im BStG 1971 genannten Bundesstraße durchzusetzen.

Selbstverständlich folgen aus einer Entscheidung des Bundesgesetzgebers, einen Straßenzug nicht zur Bundesstraße zu erklären, faktische Konsequenzen für die Länder, da die Nichterklärung einer Bundesstraße möglicherweise einen faktischen Druck für die Länder bewirkt, selbst Straßenbaumaßnahmen durchzuführen und zu finanzieren. Diese faktischen Konsequenzen sind jedoch dem verfassungsrechtlich vorgezeichneten System immanent. Keinesfalls kann daher der faktische Druck auf ein Land, selbst Straßenbaumaßnahmen durchführen zu müssen, weil der Bundesgesetzgeber einen Straßenzug nicht zur Bundesstraße erklären will, (verfassungs-) rechtlich von Relevanz sein. Vielmehr trifft zu, dass es dem Bundesgesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht auch völlig offen stünde, den Bundesstraßenabschnitt A 24 als Bundesstraße wieder aufzulassen, so dass das Land Wien diese Straßenverbindung selbst zu finanzieren hätte.

Dasselbe muss für jenen Fall gelten, in dem der Bundesgesetzgeber den Bau einer Bundesstraße von gewissen Bedingungen - hier der Zuzahlung durch ein Land - abhängig macht. Davon mag ein faktischer Druck auf das Land zur Leistung einer Zuzahlung ausgehen. Rechtlich relevant ist er jedoch nicht; insbesondere unterscheidet sich diese faktische Zwangslage des Landes von jener, in der das Land sich befände, wenn ein Straßenzug gar nicht zur Bundesstraße erklärt worden wäre, in keiner rechtlich relevanten Weise. §10 Abs3 BStG 1971 vermag nichts daran zu ändern, dass das Land Wien eigenständig entscheiden darf, kann und muss, ob ihm die gegenständliche Straßenverbindung die Übernahme von Kosten wert ist - eben diese Überlegung muss das Land Wien bei der Entscheidung über den Bau jeder Landesstraße genauso anstellen, wie der Bundesgesetzgeber eigenständig entscheiden darf, kann und muss, ob ihm eine gewisse Straßenverbindung den finanziellen Aufwand wert ist. Dass dabei ein gewisser faktischer Druck - etwa aufgrund des Verkehrsaufkommens - bestehen kann, ist unbestritten, rechtlich jedoch nicht relevant. In praktischer Hinsicht wird das Land durch §10 Abs3 BStG 1971 sogar besser gestellt, als bei einer Nichterklärung des gegenständlichen Straßenzuges zur Bundesstraße, müsste es doch in letzterem Fall nicht bloß einen Teil der Planungs- und Baukosten, sondern deren Gesamtheit selbst finanzieren, sofern es den Bau einer Straßenverbindung aus Verkehrssicht als geboten erachtet.

2. Zum behaupteten Verstoß gegen Art10 Abs1 Z9 B-VG

8. Art10 Abs1 Z9 B-VG ('Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge außer der Straßenpolizei') stellt die maßgebliche Kompetenznorm für die Planung und die Errichtung von Bundesstraßen dar. Nach hL räumt diese Bestimmung dem einfachen Bundesgesetzgeber innerhalb bestimmter Grenzen eine Kompetenz-Kompetenz bei der Erklärung von Straßenzügen als Bundesstraßen ein (siehe im Detail Öhlinger, Zur Kompetenzlage auf dem Gebiet des Straßenverkehrs II - Insbesondere zu den 'Straßenangelegenheiten', ZVR 1979, 257 [258]): Zwar dürfen, wie bereits in den allgemeinen Vorbemerkungen dargestellt, nur Straßenzüge, die eine Bedeutung für den Durchzugsverkehr aufweisen, zur Bundesstraße erklärt werden. Umgekehrt besteht jedoch Ermessen des Bundesgesetzgebers, ob er Straßenzüge überhaupt zur Bundesstraße erklären will. Im Rahmen dieser Kompetenz muss es dem Bundesgesetzgeber auch offen stehen, die exakten Bedingungen, an die der Bau einer Bundesstraße geknüpft wird, zu regeln. Eben diese Kompetenz - die Verknüpfung des Baus der A 24 mit dem Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwischen Bund und Land Wien über die Kostentragung aufgrund spezifischer sachlicher Umstände (vgl. auch unten RdZ 15 ff) - hat der Bundesgesetzgeber hier in Anspruch genommen.

Das Vorbringen der Stadt Wien, der Bund übertrage eine Aufgabe, die er selbst wahrzunehmen hätte, in kompetenzwidriger Weise auf das Land Wien, ist unzutreffend. Die Aufgabe, die A 24 zu errichten, bleibt dem Bund vorbehalten und wird nicht auf das Land übertragen. Durch die angefochtene Norm des §10 Abs3 BStG 1971 erhält das Land Wien weder die Aufgabe, noch die Verpflichtung, noch auch die Befugnis, den Bundesstraßenabschnitt A 24 zu planen und/oder zu errichten. Daher geht auch der Vorwurf der Antragstellerin, der Bundesgesetzgeber nehme eine ihm nicht zustehende 'Aufgabenverteilungskompetenz' für sich in Anspruch, ins Leere.

9. Darüber hinaus ist das Vorbringen des Landes Wien bereits deshalb unzutreffend, weil §10 Abs3 BStG 1971 das Land Wien gerade nicht dazu verpflichtet, irgendwelche Kosten zu tragen. Aber selbst wenn man die angefochtene Norm in jener Weise auslegen würde, wie es die Wiener Landesregierung vornimmt, ginge ihr Vorbringen ins Leere:

Die Kompetenznorm des Art10 Abs1 Z9 B-VG dient einerseits als Grundlage für alle hoheitlichen Maßnahmen, welche zwecks Planung und Bau einer Bundesstraße gesetzt werden. Nach herrschender Ansicht (vgl. bereits Öhlinger, aaO, 259) stellt sie - abweichend von der sonstigen für die Privatwirtschaftsverwaltung geltenden Kompetenzlage - auch die Kompetenzgrundlage für privatrechtliche Akte der Bundesstraßenverwaltung dar. Art10 Abs1 Z9 B-VG sagt aber nichts über die Kostentragung im Rahmen der Planung und des Baus von Bundesstraßen aus - dies normiert §2 F-VG 1948 -, so dass eine diesbezügliche Regelung - so sie überhaupt vorliegen würde - jedenfalls nicht als ein Verstoß gegen diese Kompetenznorm angesehen werden könnte.

10. Der spezifische Vorwurf der Antragstellerin, hinsichtlich der Verpflichtung des Landes Wien, einen Kostenbeitrag (auch) zu den Planungskosten der A 24 zu leisten, ist aus den genannten Gründen ebenfalls unzutreffend. Bezüglich der Planung einer Bundesstraße gilt aus Kompetenzsicht nichts anderes als hinsichtlich der Errichtung.

3. Zum behaupteten Verstoß gegen §4 F-VG 1948

a) Grundsätzliche Erwäqungen

11. Die Wiener Landesregierung vertritt die Rechtsansicht, dass eine Kostenbeteiligung von rund 180 Mio. Euro bei einer angenommenen Beteiligung Wiens in Höhe von 50 % der Kosten gegen §4 F-VG 1948 verstoße, weil damit die Grenzen der Leistungsfähigkeit Wiens überschritten würden, da dieser Betrag

-

weder im Rahmen des Finanzausgleichs berücksichtigt worden sei noch durch ein erhöhtes Steueraufkommen gedeckt werden könne,

-

das Aufkommen Wiens für Infrastrukturinvestitionen in der Höhe von 162 Mio. Euro übersteige,

-

den jährlichen Zweckzuschuss des Bundes zur Erhaltung der an die Länder übertragenen ehemaligen Bundesstraßen B in Höhe von 40 Mio. Euro p.a. deutlich übersteige, und

-

dazu führen würde, dass die Investitionen Wiens in sonstige Infrastrukturprojekte zurückgenommen werden müssten.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Leistungsfähigkeit Wiens im Sinne des §4 F-VG 1948 nicht bereits dann überschritten, wenn die Finanzausstattung Wiens, sei es in Form von Ertragsanteilen, Transfers oder eigenen Abgabenrechten, eine Kostenbeteiligung an der A 24 nicht ermöglichen würde, wie dies von Wien ausgeführt wird. Da die Leistungsfähigkeit einer Gebietskörperschaft keine feststehende Größe ist, sondern insbesondere von politischen Entscheidungen über kostenschaffende Ausgaben abhängt (vgl. Ruppe, §4 F-VG, Rz 3, in: Korinek/Holoubek [Hg.], Bundesverfassungsrecht), ist es letztlich eine Frage der Prioritätenreihung durch Wien, welche Projekte und Aufgaben mit den vorhandenen Mitteln umgesetzt werden oder nicht.

12. Ebenso ist es für die Frage des Überschreitens der Leistungsfähigkeit Wiens aus verfassungsrechtlicher Sicht unerheblich, ob bei einer Beteiligung Wiens an der A 24 andere Projekte - das müssen entgegen den Ausführungen der Wiener Landesregierung nicht nur Infrastrukturprojekte sein - zurückgenommen werden, sondern ist das die logische Konsequenz jeder Investitionsentscheidung einer Gebietskörperschaft, soweit sie nicht die Verschuldung erhöht und damit aber wiederum zukünftige Investitionen erschwert.

Für den Bund gilt nicht anderes. Welche Bundesstraßen errichtet werden, kann schon aus verfassungsrechtlichen Gründen - siehe das Postulat der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in Art51a und 126b B-VG - nur durch eine Abwägung und Gegenüberstellung der Erfordernisse des Verkehrs, der vorhandenen Mittel und aller anderen Projekte und Aufgaben des Bundes bestimmt werden. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Einschränkungen kann es zweckmäßig, wirtschaftlich und sparsam sein, ein Projekt nur dann zu realisieren, wenn dritte Interessenten Finanzierungsbeiträge leisten.

In diesem Sinne kam aus Sicht des Bundesgesetzgebers aufgrund der hohen Kosten der A 24 im Verhältnis zum Nutzen für das hochrangige Straßennetz die Aufnahme der A 24 in das Bundesstraßennetz ohne einen Kostenbeitrag des Landes Wien nicht in Frage. Erst durch die in §10 Abs2 BStG 1971 grundsätzlich geschaffene Möglichkeit einer Kostenbeteiligung Dritter bzw. in §10 Abs3 BStG 1971 speziell für die A 24 normierte Vorgabe, die Straße erst nach dem allfälligen Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung zu errichten, ist die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Realisierung der A 24 geschaffen worden.

b) Verhältnis einer allfälligen Belastung Wiens zu den Einnahmen Wiens aus dem Finanzausgleich

13. Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen ist das Verhältnis der von der Wiener Landesregierung genannten, möglichen Kostenbeteiligung von 180 Mio. Euro zum Budget der Gemeinde Wien zu relativieren. In den Ausführungen der Antragstellerin werden diese 180 Mio. Euro, die sich auf ein mehrjähriges Projekt beziehen, in Bezug zu einigen jährlichen Budgetansätzen gestellt. Eine Gesamtbetrachtung der Einnahmen Wiens aus dem Finanzausgleich, d.h. noch ohne sonstige Einnahmen, ergibt demgegenüber, dass der von der Wiener Landesregierung genannten möglichen Beteiligung von 180 Mio. Euro Einnahmen in Höhe von etwas mehr als

6,6 Milliarden Euro (Basis 2006, hinsichtlich der eigenen Abgaben 2005) gegenüberstehen, jene somit 2,7 % der jährlichen Einnahmen Wiens als Land und Gemeinde aus dem Finanzausgleich betragen.

Tabelle 1

Einnahmen Wiens als Land und Gemeinde aus dem Finanzausgleich in Mio. Euro im Jahr 2005 (eigene Abgaben) bzw. 2006 (Ertragsanteile und Transfers). Rundungsdifferenzen wurden nicht ausgeglichen.

Einnahmen aus Landes- und Gemeindeabgaben

2005                                                 1.401,0

Einnahmen aus Ertragsanteilen 2006                   3.259,1

Zweckzuschüsse und Bedarfszuweisungen 2006

Zweckzuschüsse zur

Krankenanstaltenfinanzierung 1)              114,6

Bedarfszuweisungen an Länder                 193,3

Finanzzuw. f. umweltschonende u energiesp.

Maßn.                                         18,0

Finanzzuw.in Agrarangelegenheiten              0,4

Finanzzuw. für Zwecke des öffentl.

Personennahverk                               36,2

Zuschüsse für Krankenanstalten (Gemeinde-

Anteil)                                       38,3

Zuschüsse für Umweltschutz an Länder           1,3

Zuschüsse nach dem BSWG 1982 und BSWG 1983     6,7

Zuschüsse nach §§1 und 3 ZZG (WBF)           464,3

Zuschüsse für Straßen                         39,4

Katastropheneinsatzgeräte der Feuerwehren      4,8

Finanzkraftstärkung der Gemeinden (§21 FAG

2005)                                         17,3

Bedarfszuweisungen an Gemeinden (§23 FAG

2005)                                          5,4

Finanzzuweisung für Personennahverkehr        41,5

Zuschüsse zur Theaterführung an Gemeinden      2,3

Katastrophenfonds: Schäden im Vermögen der

Gemeinden                                      0,2

Summe Zweckzuschüsse und Bedarfszuweisungen            984,0

Kostentragung:

Landeslehrer                                 575,2

Ausgaben gemäß GSBG: Länder 2)               210,5

Kostenersätze für Flüchtlingsbetreuung        32,6

Klinischer Mehraufwand                        67,2

Schienenverbund                              109,0

Summe Kostentragung                                    994,4

Summe Einnahmen Wiens aus dem Finanzausgleich        6.638,5

1)

Zweckzuschüsse zur Krankenanstaltenfinanzierung: länderweise Aufgliederung ohne die nicht aufteilbaren Ausgaben der Bundesgesundheitsagentur für Transplantationswesen und Projekte und Planungen von überregionaler Bedeutung

2)

Ausgaben gemäß GSBG: ohne die Rückerstattungen der Länder

Quellen:

Landes- und Gemeindeabgaben: Gebarungen und Sektor Staat 2005, Teil II, hrsg. von Statistik Austria

Ertragsanteile, Zweckzuschüsse und Kostentragung: BMF, vorl. Erfolg 2006

14. Der Betrag von 180 Mio. Euro kann im Übrigen durchaus durch ein erhöhtes Steueraufkommen gedeckt werden: Im Vergleich zur Steuerschätzung, die im Juni 2004 in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Finanzausgleichspartner als Basis für die Verhandlungen über den Finanzausgleich 2005 bis 2008 erstellt wurde, einerseits und den tatsächlichen Erfolgen 2005 und 2006 bzw. den aktuellen Prognosen für die Ertragsanteile 2007 und 2008 gemäß den Bundesvoranschlagsentwürfen für diese Jahre andererseits zeigt sich, dass die Ertragsanteile und die Bedarfszuweisungen Wiens als Land und Gemeinde insgesamt um rund 600 Mio. Euro höher sind bzw. sein werden, als dem Finanzausgleichspaktum zugrunde lag. In diesem Betrag von 600 Mio. Euro sind die Mehreinnahmen aus den vereinbarten Erhöhungen der Bedarfszuweisungen an Länder und Gemeinden in der Höhe von jeweils 100 Mio. Euro p.a. noch nicht enthalten, d.h. es handelt sich tatsächlich um unerwartete Mehreinnahmen. Zu diesem Betrag kommt, wie gesagt, noch der Anteil Wiens (als Land und Gemeinde) an den höheren Bedarfszuweisungen von jährlich 24 Mio. Euro, sodass die gesamten Mehreinnahmen Wiens in der Finanzausgleichsperiode 2005 bis 2008 im Vergleich zur Prognose vom Juni 2004 sogar rund 700 Mio. Euro betragen.

Tabelle 2:

Wien als Land: Vergleich Ertragsanteile und Bedarfszuweisungen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt gemäß Prognose Juni 2004 und Erfolg/Ansatz laut Bundesvoranschlagsentwurf (BVA-E) (in Mio. Euro, Rundungsdifferenzen wurden nicht ausgeglichen):

       Prognose Juni  Erfolg  /BVA-E

       2004

       EA       BZ     EA      BZ      Differenz  Verh.Er . Diff.

                                                            Netto

2005   1.441,7  134,1  1.475,4 166,8   66,4       19,3      47,1

2006   1.467,7  143,0  1.526,5 192,4   108,1      19,3      88,8

2007   1.556,7  181,0  1.614,7 219,6   96,5       19,3      77,2

2008   1.629,3  207,9  1.687,4 251,3   101,5      19,3      82,2

Summe  6.095,4  666,1  6.304,0 830,1   372,5      77,2      295,3

EA: Ertragsanteile Wiens als Land ohne Spielbankabgabe

BZ: Bedarfszuweisungen zur Aufrechterhaltung oder

Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt (§22 Abs1 FAG 2005)

Verh.Erg.: Anteil Wiens aus der Erhöhung der Bedarfszuweisungen

gemäß §24 FAG 2005

Diff. Netto: Mehreinnahmen abzüglich der vereinbarten Erhöhung

der Bedarfszuweisung

Tabelle 3:

Wien als Gemeinde: Vergleich Ertragsanteile und Bedarfszuweisungen gemäß Prognose Juni 2004 und Erfolg/BVA-E (in Mio. Euro, Rundungsdifferenzen wurden nicht ausgeglichen):

      Prognose      Erfolg   /BVA-E

      Juni 2004

      EA        BZ   EA       BZ       Differenz Verh.Er .  Diff.

                                                            Netto

2005  1.596,5   0,0  1.647,4  4,9      55,7      4,9        50,9

2006  1.635,5   0,0  1.727,8  4,9      97,2      4,9        92,3

2007  1.739,7   0,0  1.830,2  4,9      95,4      4,9        90,6

2008  1.819,7   0,0  1.899,4  4,9      84,5      4,9        79,7

Summe 6.791,4   0,0  7.104,8  19,4     332,8     19,41      313,4

EA: Ertragsanteile Wiens als Gemeinde ohne Spielbankabgabe

BZ: Bedarfszuweisungen gemäß §23 Abs3 Z2 und 3 FAG 2005

Verh.Erg.: Anteil Wiens aus der neuen Bedarfszuweisungen gemäß §23 Abs3 Z2 und 3 FAG 2005

Diff. Netto: Mehreinnahmen abzüglich der vereinbarten Erhöhung

der Bedarfszuweisung

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass der von der Wiener Landesregierung gezogene Vergleich zwischen dem jährlichen Zweckzuschuss des Bundes für die Erhaltung der an die Länder übertragenen ehemaligen Bundesstraßen B in Höhe von 40 Mio. Euro und der erforderlichen Kostenbeteiligung bei der A 24 nicht aussagekräftig ist, weil die beiden genannten Beträge in keinerlei sachlichem Zusammenhang stehen, zumal es in einem Fall um jährliche Erhaltungskosten, im anderen Fall um über mehrere Jahre (aber insgesamt nur einmalig) anfallende Planungs- und Baukosten geht.

c) Zwingende Paktierunq einer allfälligen Kostenbeteiligung Wiens

15. Dem Bundesgesetzgeber kommt bei der Regelung des Finanzausgleiches ein weiter Gestaltungsspielraum zu (z.B. VfSlg. 12.505/1990). Bei einer einvernehmlichen Regelung des Finanzausgleiches kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass eine dem §4 entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde, einseitige gravierende Änderungen bedürfen jedenfalls einer sachlichen Rechtfertigung (VfSlg. 15.681/1999).

Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, dass angesichts der besonderen Interessenlage Wiens an der Errichtung der A 24 unter Berücksichtigung der Einnahmen Wiens aus dem Finanzausgleich auch eine einseitige bundesgesetzliche Regelung über eine unbedingte Kostenbeteiligung Wiens auf Grundlage des §2 F-VG durchaus als noch im Rahmen der weiten verfassungsrechtlichen Vorgaben liegend angesehen hätte werden können. Eine Regelung, die eine zwingende Kostenbeteiligung eines Landes gar nicht vorsieht, sondern nur eine solche im Einvernehmen der betroffenen Finanzausgleichspartner, also quasi eine Paktierung voraussetzt, kann aber jedenfalls von vornherein - und angesichts der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit auch einer verpflichtenden Kostenbeteiligung in einem Größenschluss - nicht als einseitige, gegen §4 F-VG 1948 verstoßende Änderung des Finanzausgleichs angesehen werden (siehe auch oben RdZ 11). Vielmehr entspricht eine solche Regelung gerade dem Grundgedanken der einvernehmlichen Paktierung des Finanzausgleichs.

4. Zur behaupteten Verletzung des Prinzips des freiwilligen Abschlusses von Vereinbarungen gemäß Art15a B-VG

16. Wie bereits oben unter RdZ 4 ausgeführt, verpflichtet §10 Abs3 BStG 1971 das Land Wien weder dazu, eine Vereinbarung gemäß Art15a B-VG abzuschließen, noch überhaupt dazu, einen Kostenbeitrag zum Bau der A 24 zu leisten. Die Bedenken der Antragstellerin sind daher nicht begründet.

Insoweit der Antrag auf einen faktischen Zwang für das Land Wien verweist, eine Vereinbarung abzuschließen, wird ergänzend zu den Ausführungen oben zu RdZ 7 vorgebracht, dass sich der behauptete faktische Zwang zum Abschluss der Vereinbarung gem. Art15a B-VG nicht aus §10 Abs3 BStG 1971 ergibt, sondern vielmehr allenfalls aus den tatsächlichen Verhältnissen und der Interessenlage Wiens. Das Motiv für die Schaffung des §10 Abs3 BStG 1971 war nicht, Wien zu einem Kostenbeitrag zur Errichtung der A 24 zu zwingen, sondern umgekehrt, deren Errichtung durch den Bund überhaupt erst möglich zu machen und damit auch die Interessenlage Wiens zu berücksichtigen.

17. Soweit die Wiener Landesregierung vorbringt, dass durch die angefochtene Norm Verfassungsrecht im formellen und materiellen Sinn, nämlich §2 F-VG 1948, durch einfaches Gesetz außer Kraft gesetzt wird, ist anzumerken, dass §2 F-VG 1948 Kostentragungsregelungen in einfachen Gesetzen ausdrücklich vorsieht, eine Verfassungswidrigkeit also schon deshalb nicht vorliegen kann. Nach begründeter Auffassung in der Lehre ist auch eine einvernehmliche Kostenüberwälzung durch Vereinbarung gemäß Art15a B-VG, wie sie hier letztlich erfolgt, als zulässig anzusehen (vgl. Ruppe, §2 F-VG, Rz 34, in: Korinek/Holoubek [Hg.], Bundesverfassungsrecht). Die Bundesregierung schließt sich dieser Rechtsauffassung ausdrücklich an, die auf einem Größenschluss basiert und davon ausgeht, dass, wenn ein Gesetzgeber gemäß §2 F-VG 1948 einseitig einer anderen Gebietskörperschaften Kostentragung auferlegen kann, dies jedenfalls auch durch einvernehmliche Vereinbarungen zweier Gebietskörperschaften erfolgen können muss. Letztlich kann aber diese Frage im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil unabhängig davon, ob diese Rechtsansicht geteilt wird, der zuständige Gesetzgeber mit §10 Abs2 und 3 BStG 1971 eine hinreichende Rechtsgrundlage für eine (abweichende) Kostentragungsregelung geschaffen hat.

5. Zum behaupteten Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG

18. Die Wiener Landesregierung bringt in ihrem Antrag auch einen Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG vor, da die Wortfolge 'substantieller Kostenbeitrag' in der angefochtenen Bestimmung unbestimmt sei. Ganz allgemein verlange Art18 Abs1 einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad. Für Gesetze, die zu Grundrechtseingriffen ermächtigen, sei ein

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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