TE Vwgh Beschluss 1994/10/25 94/14/0104

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Veröffentlicht am 25.10.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
27/01 Rechtsanwälte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1007;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
BAO §83 Abs1;
BAO §83 Abs2;
BAO §85 Abs2;
RAO 1868 §8 Abs1;
VwGG §27;
ZustG §9 Abs1;
ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, in der Beschwerdesache der C in Z, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen die Finanzlandesdirektion für Tirol, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Berufung gegen den Jahresausgleichsbescheid für 1992, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 6.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der am 2. August 1994 zur Post gegebenen und am folgenden Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde machte die Beschwerdeführerin Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 132 B-VG und § 27 VwGG hinsichtlich ihrer am 25. August 1993 erhobenen Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes geltend.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. August 1994 wurde über diese Beschwerde das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde zur Erlassung des versäumten Bescheides eine Frist von drei Monaten gesetzt.

Mit der am 11. August 1994 zur Post gegebenen und am 16. August 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Mitteilung gab die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter bekannt, daß zwischenzeitlich unter dem Datum 7. Juli 1994 eine Berufungsentscheidung der belangten Behörde über das am 25. August 1993 erhobene Rechtsmittel ergangen sei. Die Ausfertigung dieser Entscheidung sei am 28. Juli 1994 jedoch der Beschwerdeführerin (unmittelbar) durch Hinterlegung zugestellt worden, obwohl sich der im Beschwerdeverfahren als Vertreter einschreitende Rechtsanwalt bereits im abgabenbehördlichen Verfahren unter ausdrücklicher Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht (§ 8 RAO) als Vertreter der Beschwerdeführerin ausgewiesen habe. Die Berufungsentscheidung sei daher durch die persönliche Zustellung an die Beschwerdeführerin nicht rechtswirksam erlassen worden. Die Beschwerdeführerin habe die von ihr am 29. Juli 1994 beim Postamt behobene Ausfertigung der Berufungsentscheidung zwar an ihren Vertreter weitergeleitet, dem sei die Ausfertigung jedoch erst am 8. August 1994 zugekommen. Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG gelte die Entscheidung daher erst mit diesem Tag als gegenüber der Beschwerdeführerin zugestellt und damit erlassen.

Der belangten Behörde wurde vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Vorbringen unter Anschluß der betreffenden Aktenteile Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und beantragt, die Beschwerde abzuweisen (richtig wohl: zurückzuweisen). Sie hat in ihrer Stellungnahme lediglich vorgetragen, sie habe von der Regel, wonach die (hier: im Rechtsmittel) erfolgte Berufung auf die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht gemäß § 8 RAO auch die Zustellbevollmächtigung umfasse, deshalb nicht ausgehen können, weil der Vertreter der Beschwerdeführerin, trotzdem im Berufungsverfahren ein Vorhalt und die Berufungsvorentscheidung unmittelbar an die Beschwerdeführerin und nicht an deren Vertreter adressiert worden seien, keinen Zustellmangel geltend gemacht habe und er im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Hinterlegung der Berufungsvorentscheidung als Zustellung bezeichnet habe.

Dieser Ansicht der belangten Behörde kann der Gerichtshof nicht beitreten:

Schon in seinem Rechtsmittel gegen den Bescheid des Finanzamtes hatte sich der Vertreter der Beschwerdeführerin, der Rechtsanwalt ist, im Sinne des § 8 RAO auf die ihm erteilte Vollmacht berufen. Gemäß § 8 Abs. 1 RAO ersetzte diese Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis. Dies gilt auch für die in der Vertretungsvollmacht gelegene Zustellbevollmächtigung. Eine Partei, die in einer Verwaltungssache einem Rechtsanwalt eine allgemeine Vertretungsvollmacht erteilt, ermächtigt diesen damit nämlich auch zur Empfangnahme der in der Sache ergehenden Bescheide und sonstigen behördlichen Erledigungen (Verwaltungsgerichtshof 25. Jänner 1979, 1647/77, ZfVB 1979, 5-6/2126). Beruft sich der Rechtsanwalt auf die ihm erteilte Vollmacht, so zeigt er damit der Behörde auch die für die betreffende Sache erteilte Zustellvollmacht an, ohne daß es noch einer besonderen Erwähnung oder eines urkundlichen Nachweises derselben bedürfte.

Über Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 BAO von Amts wegen zu veranlassen.

Wären bei der belangten Behörde derartige Zweifel aufgetaucht, so hätte dies daher nur zu einer derartigen Veranlassung führen dürfen, nicht aber dazu, daß die belangte Behörde anstelle der Zustellung an den durch seine Berufung auf die Vollmacht ausgewiesenen Rechtsanwalt eine Zustellung unmittelbar an die Partei vornimmt. Einen Auftrag gemäß § 85 Abs. 2 BAO (zum Inhalt eines solchen vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, 92/18/0460) hat die belangte Behörde jedoch nicht erlassen.

Ein Sachverhalt, der bereits mit Sicherheit den Bestand der Zustellbevollmächtigung ausschloß, lag auch unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde angeführten Umstände jedenfalls nicht vor. Diese rechtfertigten aber nicht einmal Zweifel am Bestand der Zustellvollmacht:

Hinsichtlich des an die Beschwerdeführerin adressierten Vorhaltes, der am 14. Oktober 1993 durch Hinterlegung zugestellt wurde (Beginn der Abholfrist laut Rückschein: 14. Oktober 1993), wurde vom Rechtsvertreter in der Stellungnahme zum Vorhalt ausgeführt: "... in Beantwortung der abgabenbehördlichen Anfrage vom 12. Oktober 1993, zugestellt am 15. Oktober 1993 ...". Eine Zustellung durch Hinterlegung wurde daher nicht behauptet, geschweige denn eine solche am Tag des Bereithaltens zur Abholung (§ 17 Abs. 2 ZustG), dies war nämlich der 14. und nicht der 15. Oktober 1993. Dieses Vorbringen sprach daher nicht für das Fehlen einer Zustellungsbevollmächtigung, sondern allenfalls für den Bestand einer solchen, weil die Sanierung des Zustellmangels durch Zukommen an den Rechtsanwalt am 15. Oktober 1993 erfolgt sein konnte.

Im "Vorlageantrag" wurde ausgeführt: "Mit der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Innsbruck vom 2. Dezember 1993, der Berufungswerberin durch Hinterlegung zugestellt am 10. Dezember 1993, ... wurde deren Berufung als unbegründet abgewiesen." Daraus läßt sich nicht entnehmen, daß die Beschwerdeführerin diese Art der Zustellung nicht nur als tatsächlichen Vorgang wiedergab, sondern sie als rechtswirksame Zustellung bezeichnet. Sie hatte nämlich keine Veranlassung dazu, eine derartige rechtliche Beurteilung vorzunehmen, war die Ausfertigung doch offenbar ihrem Vertreter zugekommen, der im Antrag für sie einschritt, und solcherart die Sanierung des Zustellmangels (§ 9 Abs. 1 ZustG) eingetreten.

Das Fehlen einer Zustellbevollmächtigung kommt daher in diesem Antrag nicht einmal schlüssigerweise zum Ausdruck.

Das Stillschweigen der Beschwerdeführerin gegenüber den Zustellfehlern (rein passives Verhalten) bedeutete keine Erklärung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1994, 93/14/0140), daß die Beschwerdeführerin ihrem Rechtsvertreter - abweichend von der oben erwähnten Regel - Zustellvollmacht für das Verfahren nicht erteilt habe.

Die belangte Behörde hat nicht bestritten, daß die Ausfertigung ihres Berufungsbescheides dem Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin erst am 8. August 1994 zugegangen sei. Erst mit diesem Tag (§ 9 Abs. 1 ZustG) kann daher der Bescheid als erlassen angesehen werden.

Die Beschwerde war daher nicht zurückzuweisen, sondern das Verfahren wegen Nachholung des Bescheides nach Erhebung der Säumnisbeschwerde und vor Zustellung der Einleitungsverfügung des Verwaltungsgerichtshofes für gegenstandslos zu erklären und das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 55, 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungVerbesserungsauftrag Bejahung EinschreiterVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungVertretungsbefugnis Inhalt Umfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994140104.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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