TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/25 91/07/0079

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Veröffentlicht am 25.10.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §63 Abs1;
AVG §76 Abs1;
WRG 1959 §10 Abs2;
WRG 1959 §11 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Wasserwerksgenossenschaft X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. April 1991, Zl. 511.972/03-I5/91, betreffend Vorschreibung von Barauslagen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit seinem Bescheid vom 20. Februar 1991 hatte der Landeshauptmann von Niederösterreich die Beschwerdeführerin gemäß § 76 Abs. 1 AVG verpflichtet, "die der Wasserrechtsbehörde erwachsenen Barauslagen für die Gutachten des bestellten Sondersachverständigen Univ.Prof. Dr. R. (a) Gutachten "Prognose von Niedrigstabflüssen im Pegelprofil Fischamend-Fischa" - Honorarnote vom 23. Februar 1977 über einen Betrag von S 297.954,72, b) 61 Einzelgutachten - Honorarnote vom 11. September 1983 über einen Betrag von

S 79.979,35), welche aufgrund der Berufungen der genannten Wasserwerksgenossenschaft in Angelegenheit Feldberegnungsanlagen in der Mitterndorfer Senke eingeholt worden sind, in der Höhe von

a)

S 249.109,68 (anteilige Barauslagen für 51 Berufungsverfahren)

b)

S 79.979,35

somit insgesamt S 329.089,03

zu entrichten".

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, nicht sie, sondern die verschiedenen Antragsteller hätten um wasserrechtliche Bewilligung für die einzelnen, den Anlaß der Vorschreibung von Barauslagen bildenden Beregnungsberechtigungen angesucht. Daher wären die Kosten des von der Behörde erster Instanz bestellten Sondersachverständigen nicht ihr, sondern den einzelnen Antragstellern aufzuerlegen gewesen.

Auf Grund dieser Berufung änderte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. April 1991 den erstinstanzlichen Bescheid unter Bezugnahme auf § 76 Abs. 1 AVG dahin ab, daß der im erstinstanzlichen Bescheid zu

              b)              angeführte Betrag nunmehr mit S 66.867,98 und demgemäß der Gesamtbetrag mit S 315.977,66 festgesetzt wurde. Begründend führte die belangte Behörde unter Anführung des

hg. Erkenntnisses vom 14. Mai 1957, Slg. Nr. 4350/A, im wesentlichen aus, von einem Parteibegehren sei der Antrag auf Durchführung der zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes erforderlichen oder nach dem Gesetz gebotenen Amtshandlungen als mitumfaßt anzusehen. Die Verpflichtung zur Tragung allfälliger Kosten erwachse bereits aus der Tatsache, daß das das Verwaltungsverfahren auslösende Parteibegehren gestellt worden sei. Wohl könne die Erhebung einer Berufung nicht von vornherein so gewertet werden, als ob mit ihr ein die Rechtsfolgen des § 76 Abs. 1 AVG nach sich ziehender Antrag auf Durchführung von aus Sicht der Berufungsbehörde für erforderlich gehaltenen, Barauslagen verursachenden Amtshandlungen verbunden wäre, weil dies dem Wesen des Rechtsmittels als einem dem Rechtsschutzbedürfnis dienenden Institut der rechtsstaatlichen Verwaltung, das jeder Partei unter den gleichen Bedingungen offen stehen müsse, entgegenstünde. Doch komme in dem zitierten Erkenntnis zum Ausdruck, daß, wenn im Berufungsvorbringen ein Vorbringen tatsächlicher Art enthalten sei, dessen Richtigkeit nur mittels Barauslagen verursachender Amtshandlungen geklärt werden könne, und das sich als nicht stichhältig erweise, ein solches Vorbringen nicht anders zu beurteilen sei, als wenn ein förmlicher Antrag auf Durchführung derartiger Amtshandlungen gestellt worden wäre. Die Bestellung des nicht-amtlichen Sachverständigen sei durch die zahlreichen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufungen veranlaßt gewesen, wobei sie der Bestellung des Univ.Prof. Dr. R. zugestimmt bzw. gegen den diese Bestellungen verfügenden Bescheid der Behörde erster Instanz keinen Einwand erhoben habe. Hiebei habe sich sowohl die Bestellung des Sachverständigen als auch der Inhalt der von ihm vorgelegten Gutachten formal und inhaltlich auf die von der Beschwerdeführerin angestrengten Berufungsverfahren bezogen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei der Bezug des Gutachtens "Prognose von Niedrigstabflüssen im Regelprofil (richtig wohl: Pegelprofil) Fischamend-Fischa" auf zahlreiche Berufungsverfahren evident, wobei auch die Beschwerdeführerin selbst während des Berufungsverfahrens laufend auf dieses Gutachten Bezug genommen habe. Dieses Gutachten sei Grundlage von insgesamt 61 Berufungsverfahren gewesen, von denen die Beschwerdeführerin in zehn Fällen mit ihrem stichhältigen Vorbringen habe durchdringen können, während sie in den anderen 51 Fällen keine Erfolge habe verbuchen können. Die anteilige Kostentragung für das oben angeführte Gutachten im Ausmaß dieser 51 Berufungsfälle (S 249.109,68) sei der Beschwerdeführerin mit dem erstinstanzlichen Bescheid daher zu Recht auferlegt worden. Hinsichtlich der der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Kosten der zu den einzelnen Beregnungsanlagen erstatteten Einzelgutachten sei der auferlegte Betrag - entsprechend der Anzahl der Fälle, in denen die Beschwerdeführerin unterlegen sei - nur im Ausmaß von 51/61 (S 66.867,98) gerechtfertigt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit zu korrigieren gewesen sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu § 76 Abs. 2 AVG erweise sich als irrelevant, weil lediglich Abs. 1 dieses Paragraphen Grundlage des erstinstanzlichen Bescheides gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 AVG hat, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwachsen, dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind, wenn die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurden, die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen sind, wenn die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zutreffen, die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.

Anlaß für die Einholung der angeführten Gutachten eines nicht amtlichen Sachverständigen (Sondersachverständigen) waren die mit Berufungen der Beschwerdeführerin bekämpften bezirksverwaltungsbehördlichen Bescheide, mit denen verschiedenen Landwirten auf § 9 bzw. § 10 Abs. 2 WRG 1959 gestützte wasserrechtliche Bewilligungen für die Errichtung und den Betrieb von Feldberegnungsanlagen erteilt worden waren. Bei der Erteilung derartiger Bewilligungen sind gemäß § 11 Abs. 1 WRG 1959 jedenfalls der Ort, das Maß und die Art der Wasserbenutzung zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 1 leg. cit. ist das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden. Daraus folgt, daß es bei Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung Aufgabe der Wasserrechtsbehörde ist, den maßgeblichen Sachverhalt soweit zu ermitteln, daß die Auswirkungen des zu bewilligenden Vorhabens auf insbesondere fremde Rechte beurteilt werden können.

Im Beschwerdefall ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren als Vertreterin von überwiegend Wasserkraftnutzungsberechtigten an der Fischa-Dagnitz und somit von Inhabern bestehender Rechte im Sinne des § 12 Abs. 2 leg. cit. aufgetreten. Die Frage, ob die bestehenden Rechte der von der Beschwerdeführerin vertretenen Wasserkraftnutzungsberechtigten durch die zur Bewilligung eingereichten Beregnungsvorhaben beeinträchtigt würden, war sohin von der Wasserrechtsbehörde vor Erteilung der Bewilligungen bzw. vor Entscheidung über die Berufungen zu klären. Die Notwendigkeit der Beiziehung eines nicht amtlichen Sachverständigen durch den Landeshauptmann von Niederösterreich als Berufungsbehörde wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Der Umstand, daß diese Behörde sich erst auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin in den einzelnen Berufungen zur Bestellung des nicht amtlichen Sachverständigen veranlaßt gesehen hat, kann aber noch nicht bewirken, daß die für die Erstellung der Gutachten dieses Sachverständigen erwachsenen, die Behörde als Barauslagen belastenden Kosten der Beschwerdeführerin auferlegt werden können. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde vom ursprünglich der Beschwerdeführerin auferlegten Betrag anteilig jene Kosten abgezogen hat, die auf jene Fälle entfallen, in denen die Berufungen der Beschwerdeführerin erfolgreich waren. Denn entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann das Geltendmachen eines Tatsachenvorbringens, dem schlußendlich Berechtigung nicht zuerkannt wurde, in einem Verfahren, in dem - wie im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren - eine im Gesetz besonders hervorgehobene amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde insbesondere hinsichtlich der Frage der Beeinträchtigung fremder Rechte festgelegt ist, für sich allein nicht zu einer (alleinigen) Kostentragungspflicht der das Vorhaben bekämpfenden Partei führen. Vielmehr ist in einem solchen Verfahren in der Einwendung der Beeinträchtigung bestehender Rechte auch eine Verfahrensrüge - nämlich die, daß die Behörde die ordnungsgemäße Ermittlung und Aufklärung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen habe - zu erblicken. Eine Verfahrensrüge kann aber - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 25. Oktober 1963, Slg. NF 6129(A), ausgeführt hat - nicht als Antrag im Sinne des § 76 Abs. 1 AVG gewertet werden. Dem von der belangten Behörde zur Untermauerung ihres Standpunktes herangezogenen hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1957, Slg. NF 4350(A), dem ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, ist kein Rechtssatz zu entnehmen, daß eine Berufung in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren, der ein Erfolg versagt geblieben ist, auch den Antrag auf Durchführung von Barauslagen verursachenden Amtshandlungen im Sinne des § 76 Abs. 1 AVG enthalte (vgl. das in einer Angelegenheit des Gewerberechtes ergangene hg. Erkenntnis vom 19. November 1985, Slg. NF 11.948(A)).

Die Stellungnahmen der Amtssachverständigen der Behörde erster Instanz zeigen, daß das Ergebnis des von den Bezirksverwaltungsbehörden hinsichtlich der von ihnen erteilten Beregnungsberechtigungen durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht ausreichte, die Frage der von diesen Entnahmeberechtigungen allenfalls zu erwartenden und nicht von vornherein ausschließbaren Auswirkungen auf die Wasserkraftnutzungen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Wasserberechtigten mit hinreichender Verläßlichkeit zu beurteilen. Demgemäß können die Kosten der erforderlichen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, nämlich die der Behörde aus der Begleichung der Honorarnoten des Sondersachverständigen erwachsenen Barauslagen,- unabhängig von der Frage, ob die Beschwerdeführerin der Bestellung dieses nicht behördlichen Sachverständigen zugestimmt hat - der Beschwerdeführerin auch in den Fällen nicht auferlegt werden, in denen ihre Berufung keinen Erfolg hatte.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Beschwerdeführerin zum Ersatz dieser Barauslagen verpflichtet hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz von Stempelgebühren nur im gesetzlich gebotenen Ausmaß zuerkannt werden kann.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991070079.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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