TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/9 92/13/0024

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Veröffentlicht am 09.11.1994
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Index

10/12 Politische Parteien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;
32/08 Sonstiges Steuerrecht;

Norm

AbgÄG 1975 Art6;
BAO §2 lita;
BAO §3 Abs1;
BAO §3 Abs3;
KStG 1966 §2 Abs1;
KStG 1966 §2 Abs4;
ParteienG 1975 §1 Abs2;
ParteienG 1975 §2 Abs1;
UStG 1972 §2 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der X in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 17. Dezember 1991, Zl. 6/2-2202/90-03, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1985 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes (BGBl. Nr. 404/1975). Im Jahr 1985 zeigte sie dem Finanzamt an, daß sie einen Betrieb gewerblicher Art eingerichtet habe, der insbesondere mit dem Pressedienst, der Öffentlichkeitsarbeit, der Herausgabe von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften, der Werbung und der Informationstätigkeit einschließlich Wahlwerbung betraut sei.

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob in den genannten Aktivitäten ein Betrieb gewerblicher Art der Beschwerdeführerin zu erblicken ist, in dessen Rahmen die Beschwerdeführerin als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG tätig wird, sodaß ihr ein Vorsteuerabzug zusteht (Auffassung der Beschwerdeführerin), oder ob dies nicht der Fall ist (Auffassung der belangten Behörde).

In der Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1985 bis 1988 wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. VI des Abgabenänderungsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 636, ist die Beschwerdeführerin als politische Partei im Anwendungsbereich der in § 3 Abs. 3 BAO umschriebenen Abgabenvorschriften wie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu behandeln. Als solche kann sie auch einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 2 Abs. 1 KStG 1966 unterhalten, in dessen Rahmen sie gemäß § 2 Abs. 3 UStG als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen ist.

Zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören alle Einrichtungen dieser Körperschaften, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erreichung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dienen. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, gehören gemäß § 2 Abs. 4 KStG 1966 nicht zu den Betrieben gewerblicher Art. Eine Ausübung der öffentlichen Gewalt ist insbesondere anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.

Unbestritten ist, daß auch eine politische Partei einen Aufgabenbereich hat, der - vergleichbar dem Hoheitsbereich anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts - als zentrale Funktion anzusehen ist, "quasi zum Kern ihrer Aufgaben" gehört und aus diesem Grund nicht dem Aufgabenbereich eines Betriebes gewerblicher Art der politischen Partei zugeordnet werden kann.

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erblicken ferner übereinstimmend in der Vorschrift des Art. I § 1 Abs. 2 des Parteiengesetzes (Verfassungsbestimmung), wonach zu den Aufgaben der politischen Parteien die Mitwirkung an der politischen Willensbildung gehört, die Umschreibung jenes Aufgabenbereiches, der dem "Hoheitsbereich" anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts vergleichbar ist. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch darüber, was unter "Mitwirkung an der politischen Willensbildung" zu verstehen ist. Während die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht vertritt, daß die Mitwirkung an der politischen Willensbildung in den von der Verfassung vorgesehenen Wegen der Staatswillensbildung, also durch Initiativen, Diskussionen und Entscheidungen in den zur Staatswillensbildung berufenen Staatsorganen des Bundes, der Länder und Gemeinden erfolgt, und daß "die Wahlwerbung im Vorfeld dieser Aufgabe" liege, ist die belangte Behörde der Auffassung, daß Öffentlichkeitsarbeit und Wahlwerbung einer politischen Partei als "conditio sine qua non" der Mitwirkung an der politischen Willensbildung anzusehen seien und deshalb dem "Hoheitsbereich" zugeordnet werden müssen.

Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin würde voraussetzen, daß als politische Parteien im Sinne des Parteiengesetzes nur solche zu verstehen sind, die bereits in Vertretungskörpern repräsentiert werden und dort die Möglichkeit haben, die verfassungsmäßig vorgesehenen Wege der Staatswillensbildung zu beschreiten. Das Parteiengesetz umfaßt aber auch solche Parteien, die noch keinen derartigen Wahlerfolg zu verzeichnen haben. Da auch ihr Aufgabenbereich in der Mitwirkung an der politischen Willensbildung besteht, kann der von der Beschwerdeführerin vertretenen Rechtsansicht nicht zugestimmt werden. Vielmehr muß wohl bei solchen politischen Parteien unter "Mitwirkung an der politischen Willensbildung" in erster Linie die Mitwirkung an der Willensbildung der Wähler verstanden werden. Schon dieser Gesichtspunkt spricht gegen die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin. Wie noch darzulegen sein wird, hält es der Gerichtshof allerdings für entbehrlich, Umfang und Art der Mitwirkung an der politischen Willensbildung näher zu untersuchen.

Eine weitere Überlegung geht in folgende Richtung:

Schwerpunkt der Regelung des Parteiengesetzes ist die Finanzierung der politischen Parteien. Damit soll dem Aufwand für "Öffentlichkeitsarbeit" und den "Wahlwerbungskosten" der politischen Parteien Rechnung getragen werden (Art. II bis IV des Parteiengesetzes). Nun könnte man die Auffassung vertreten, daß das Parteiengesetz zwar in seinem Art. I § 1 Abs. 2 den Aufgabenbereich der politischen Parteien umschreibt, bei der Finanzierung der politischen Parteien aber nicht diesen Aufgabenbereich, sondern dessen "Vorfeld" im Auge hat und damit einen Bereich anspricht, der auch zum Gegenstand eines Betriebes gewerblicher Art gemacht werden kann. Die mit dem Parteiengesetz bezweckte Finanzierung der politischen Parteien würde dann nicht deren primären Aufgabenbereich betreffen, sondern einen vorgelagerten, dem Hauptzweck dienenden Bereich, nämlich die Öffentlichkeitsarbeit und die Wahlwerbung. Ob nun einer derartigen Interpretation der logische Aufbau des Parteiengesetzes und dessen offensichtliche Zweckbestimmung, nämlich die Finanzierung der Tätigkeit politischer Parteien entgegensteht, braucht im Beschwerdefall ebensowenig untersucht zu werden, wie der Begriffsinhalt "Mitwirkung an der politischen Willensbildung". Der Gerichtshof teilt nämlich die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß Öffentlichkeitsarbeit und Wahlwerbung jedenfalls untrennbar mit dem Kernbereich der Tätigkeit politischer Parteien verbunden ist. Es ist das Wesen einer repräsentativen Demokratie, daß das Volk als eigentlicher Souverän von Mandataren vertreten wird. Diese Vertretung ist nur möglich, wenn die Vertretenen Grund zu der Annahme haben können, daß ihre politischen Anliegen und Vorstellungen tatsächlich von den Mandataren vertreten werden. Anders als die Werbung eines Kaufmannes, die nur eine den geschäftlichen Zwecken dienende und diese fördernde Funktion haben kann, sind die Öffentlichkeitsarbeit und die Wahlwerbung einer politischen Partei unabdingbar dafür, daß ein sinnvolles Vertretungsverhältnis entstehen kann. Wird doch der Wähler vielfach nur durch die Öffentlichkeitsarbeit und die Wahlwerbung von den politischen Zielvorstellungen der Parteien informiert und erst dadurch in die Lage versetzt, seine Wahlentscheidung zu treffen, was wiederum notwendige Voraussetzung dafür ist, daß die diversen Vertretungskörper mit dem Willen des Volkes entsprechenden Vertretern beschickt werden können. Die durch Öffentlichkeitsarbeit und Wahlwerbung der politischen Parteien bewirkte politische Willensbildung der Wähler ist daher essentielle Voraussetzung für die Durchführung von Wahlen und das daran anknüpfende politische Tätigwerden der gewählten Organe. Öffentlichkeitsarbeit und Wahlwerbung gehören so gesehen zum Kernbereich der Tätigkeit von politischen Parteien, die sich typischerweise der Wahl durch das Volk stellen, von dem gemäß Art. 1 B-VG das Recht der demokratischen Republik Österreich ausgeht. Gehören aber Öffentlichkeitsarbeit und Wahlwerbung zu den Wesensmerkmalen einer politischen Partei, so können sie nicht als ein bloß "mittelbares", dem Hauptaufgabenbereich der politischen Pareiten bzw. deren wirtschaftlichen Vorteilen (§ 2 Abs. 1 KStG 1966) lediglich dienendes Element bezeichnet werden, das zum Gegenstand eines Betriebes gewerblicher Art gemacht werden könnte.

Zu dem von der Beschwerdeführerin herangezogenen Beispiel des Amtsblattes einer Gemeinde ist zu sagen, daß das Bemühen einer Gemeinde, den Bürgern Einblick in ihre Tätigkeit zu geben, nicht zu ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich gehört und mit der wahlwerbenden Tätigkeit einer politischen Partei nicht vergleichbar ist. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992130024.X00

Im RIS seit

02.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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