TE Vfgh Erkenntnis 1992/6/17 B837/90

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

StGG Art8
PersFrSchG §4
VStG §54b

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Vorführung zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach vorhergehender, ausdrücklicher Androhung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß er am 31. Mai 1990 um

6.50 Uhr von Organen der Bezirkshauptmannschaft Weiz zum Gendarmeriepostenkommando Weiz gebracht und dort bis 8.30 Uhr festgehalten wurde, in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.a. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner auf Art144 B-VG in der Fassung vor der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. 685, gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die kostenpflichtige Feststellung, er sei dadurch, daß er am 31. Mai 1990 um 6.50 Uhr in Weiz von Organen der Bezirkshauptmannschaft Weiz zur Vollstreckung einer verwaltungsbehördlich verhängten Ersatzarreststrafe festgenommen und in der Folge bis rund 8.30 Uhr am Gendarmeriepostenkommando Weiz angehalten wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG) verletzt worden.

In der Beschwerde wird der Sache nach im wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei am 31. Mai 1990 gegen

6.50 Uhr in Weiz von Organen des Gendarmeriepostenkommandos Weiz zum Strafantritt aufgefordert sowie zum Gendarmeriepostenkommando Weiz verbracht worden. Dort sei ihm mitgeteilt worden, daß er eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Tagen und 12 Stunden anzutreten habe, wenn er nicht sofort den Betrag von S 31.396,-- bezahle. Dieser Betrag wurde von der fernmündlich kontaktierten Mutter des Beschwerdeführers beim Gendarmeriepostenkommando Weiz erlegt, worauf der Beschwerdeführer gegen 8.30 Uhr wieder freigelassen worden sei.

Zur Begründung seines Antrages führt der Beschwerdeführer aus, die Bezirkshauptmannschaft Weiz sei nach Erlassung des Teilzahlungsbescheides vom 25. September 1989 nicht berechtigt gewesen, seine zwangsweise Vorführung zum Antritt der Ersatzarreststrafe zu verfügen. Weiters sei die Bezirkshauptmannschaft Weiz nicht berechtigt gewesen, das Unterbleiben der zwangsweisen Vorführung auch davon abhängig zu machen, daß ausständige Verfahrenskosten von S 2.396,-- bezahlt werden. Der Beschwerdeführer sei sowohl im August 1989 als auch am Tag der zwangsweisen Vorführung berufstätig gewesen, weshalb die belangte Behörde nicht von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß §54 b VStG ausgehen durfte. Anläßlich der bekämpften Amtshandlung sei dem Beschwerdeführer weder ein Bescheid noch ein sonstiges behördliches Schriftstück ausgehändigt worden.

b. Die Bezirkshauptmannschaft Weiz als belangte Behörde legte den Verwaltungsstrafakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Daß die behauptete Festnahme und Anhaltung zum Zwecke des Antrittes der Ersatzarreststrafe stattgefunden hat, wird nicht bestritten. Hingegen wird der Vollzug der Ersatzarreststrafe mit Rücksicht darauf verneint, daß der Beschwerdeführer nach Bezahlung des Betrages von S 31.396,-- durch seine Mutter um 8.30 Uhr sofort freigelassen wurde. In der Gegenschrift wird insbesondere ausgeführt, die belangte Behörde habe von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe iSd §54 b VStG wegen im einzelnen aufgezählter "amtsbekannter Unterhaltsschulden, Anhängigkeit weiterer Strafverfahren" sowie der "Nichtbezahlung von Raten" durch den Beschwerdeführer ausgehen dürfen.

2. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt geht folgender Sachverhalt hervor:

Mit - rechtskräftigem - Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 9. Oktober 1987, Z 15 L 411/9-87, wurde über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs1 lita iVm §5 Abs1 StVO eine Geldstrafe von S 30.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von 25 Tagen verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß §64 VStG verpflichtet, S 3.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens sowie S 2.396,-- als Ersatz der Barauslagen des Strafverfahrens zu bezahlen und die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

In Stattgebung eines Antrages des Beschwerdeführers vom 9. Oktober 1987 wurde ihm mit Teilzahlungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 12. Oktober 1987, Z 15 L 411/9-87, die Entrichtung des Gesamtbetrages von S 35.396,-- in einem Teilbetrag von S 1.396,--, zahlbar am 30. Oktober 1987, sowie in 17 monatlichen Teilbeträgen von jeweils S 2.000,--, zahlbar jeweils am 30. der folgenden Monate, gestattet.

Der Beschwerdeführer hat keine Zahlung geleistet.

Sämtliche Gebietskrankenkassen für Arbeiter und Angestellte teilten der Bezirkshauptmannschaft Weiz über deren Anfrage vom 18. Dezember 1987 mit, daß bei ihnen derzeit keine Versicherung des Beschwerdeführers vorgemerkt sei.

Die Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Weiz zum Antritt der Ersatzarreststrafe von 25 Tagen wegen Uneinbringlichkeit der Geldstrafe vom 2. August 1989 wurde dem Beschwerdeführer am 16. August 1988 durch Hinterlegung beim Postamt 8160 Weiz zugestellt.

Daraufhin wurde einem weiteren Antrag des Beschwerdeführers vom 11. September 1989 stattgegeben und ihm mit Teilzahlungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 25. September 1989, Z 15 L 411/9-87, die Entrichtung des Betrages von S 30.000,-- in einem Teilbetrag von S 2.000,--, zahlbar am 30. Oktober 1989, sowie in 14 monatlichen Teilbeträgen von jeweils S 2.000,--, zahlbar jeweils am 30. der folgenden Monate, bewilligt.

In diesem Bescheid wird ausgeführt:

"Wenn Sie die Teilbeträge nicht rechtzeitig bezahlen und sich ergibt, daß die Geldstrafe ganz oder zum Teil uneinbringlich ist, wird für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe (die) festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe (oder der dem uneinbringlichen Betrag entsprechende Teil) vollstreckt werden."

Der Beschwerdeführer bezahlte am 19. Oktober 1989, am 7. Dezember 1989, am 4. Jänner 1990 sowie am 2. März 1990 jeweils S 1.000,--.

Mit Verfügung vom 22. Mai 1990, Z 15.2 L 411/9-87, ordnete die Bezirkshauptmannschaft Weiz die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers zum Antritt der Ersatzarreststrafe von 23 Tagen und 12 Stunden durch Organe des Gendarmeriepostenkommandos Weiz an. In der lediglich an das Gendarmeriepostenkommando Weiz gerichteten Gleichschrift dieser Verfügung wird ausgeführt:

"Die Vorführung hat zu unterbleiben, wenn die Geldstrafe von S 29.000,-- und S 2.396,-- VVK anläßlich der Abholung zur Vorführung bezahlt wird."

Der Beschwerdeführer wurde daraufhin von Organen des Gendarmeriepostenkommandos Weiz am 31. Mai 1990 um 6.50 Uhr zum Strafantritt aufgefordert und gleichzeitig zum Gendarmeriepostenkommando Weiz gebracht. Um 8.30 Uhr wurde der Beschwerdeführer nach Bezahlung des Betrages von S 31.396,-- (durch seine Mutter) freigelassen.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Die zwangsweise Vorführung eines Bestraften zum Antritt und zum Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe und die folgende Anhaltung ist ein in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person gerichteter, beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG idF vor der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. 685, bekämpfbarer Verwaltungsakt (VfGH 26.2.1990, B921/89, mwN). Da das gegenständliche Verfahren am 1. Jänner 1991 bereits anhängig war, ist es gemäß ArtIX Abs2 der genannten Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988 nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, das gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt wurde und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz galt, und das gemäß Art8 Abs4 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, auf das vorliegende Verfahren anzuwenden ist, bestimmt in seinem §4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen. Hiezu zählt auch die Bestimmung des §54 b VStG idF BGBl. 516/1987 über die Vollstreckung von Geldstrafen: Sie läßt die Vollziehung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu, soweit die "Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist. ... Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen." Fände die bekämpfte Festnahme und Anhaltung in dieser Gesetzesvorschrift keine Deckung, wäre der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden (VfGH 26.2.1990, B921/89, mwN). Dabei kommt es nicht auf die Zahlungsbereitschaft des Bestraften, sondern auf die tatsächliche Uneinbringlichkeit der Geldstrafe oder darauf an, daß die Behörde begründetermaßen annimmt, daß die verhängte Geldstrafe mit hoher Wahrscheinlichkeit uneinbringlich ist (VfSlg. 8642/1979, 9837/1983, 10418/1985).

Unrichtig ist es, wenn der Beschwerdeführer vermeint, daß die Bezirkshauptmannschaft Weiz nach Erlassung des Teilzahlungsbescheides vom 25. September 1989 nicht berechtigt gewesen wäre, seine zwangsweise Vorführung zum Antritt der Ersatzarreststrafe zu verfügen. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 8297/1978 die Rechtswidrigkeit einer zwangsweisen Vorführung zum Antritt einer Ersatzarreststrafe angenommen, die nach Erlassung eines Teilzahlungsbescheides, aber ohne neuerliche behördliche Aufforderung, die Ersatzarreststrafe anzutreten, von der Behörde verfügt wurde, nachdem die vorgeschriebenen Teilzahlungen nicht entrichtet wurden. Anders als in jenem Fall wurde jedoch in dem dem Beschwerdeführer zugegangenen Teilzahlungsbescheid vom 25. September 1989 ausdrücklich die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angedroht, falls der Beschwerdeführer die Teilbeträge nicht rechtzeitig bezahlt und sich ergibt, daß die Geldstrafe ganz oder zum Teil uneinbringlich ist. Auch unter Berücksichtigung des in VfSlg. 8297/1978 dargelegten Rechtsgedankens reichte sohin die Aufforderung zum Antritt der Ersatzarreststrafe vom 2. August 1989 in Verbindung mit dem neuerlichen Hinweis im Teilzahlungsbescheid vom 25. September 1989 für den Fall des Terminverlustes aus, die zwangsweise Vorführung zum Strafantritt am 31. Mai 1990 zu begründen, zumal die belangte Behörde gute Gründe hatte, die Uneinbringlichkeit der restlichen Geldstrafe anzunehmen. Von der Uneinbringlichkeit der restlichen Geldstrafe konnte die belangte Behörde nämlich schon deswegen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen, weil nicht nur erhebliche Unterhaltsrückstände des Beschwerdeführers, sondern auch sonstige Schulden aus früheren Exekutionsversuchen laut dem glaubwürdigen Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde amtsbekannt waren.

Die zwangsweise Vorführung zum Antritt einer an sich gerechtfertigten Ersatzarreststrafe wird aber auch nicht dadurch rechtswidrig, daß in der lediglich an die Exekutivorgane gerichteten Anweisung der Bezirkshauptmannschaft Weiz (, nicht hingegen in der an den Beschwerdeführer von der belangten Behörde gerichteten Verständigung,) über die "Vorführung zum Strafantritt" darauf hingewiesen wird, daß die Vorführung zu unterbleiben hat, "wenn die Geldstrafe von S 29.000,-- plus S 2.396,-- VVK anläßlich der Abholung zur Vorführung bezahlt wird". Mag diese Weisung auch hinsichtlich der geschuldeten Kosten des Verwaltungsverfahrens rechtswidrig gewesen sein, so wird dadurch doch die Rechtmäßigkeit des Exekutionsvorganges mangels Bezahlung des überwiegenden Teiles der geschuldeten Geldstrafe nicht berührt. Es kann keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer nach Begleichung der von ihm geschuldeten Geldstrafe lediglich mangels Bezahlung der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens - weiter - festgehalten worden wäre. Daß besagte Verfahrenskosten (von der Mutter des Beschwerdeführers) aber gleichzeitig mit dem geschuldeten Strafbetrag entrichtet wurden, macht die in der Vorführung zum Strafantritt gelegene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt keinesfalls rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer ist sohin durch die von 6.50 Uhr bis 8.30 Uhr andauernde Vorführung zum Antritt einer Ersatzarreststrafe durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Weiz im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt worden. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus weder in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, deren Verletzung von ihm zwar behauptet, nicht aber begründet wurde, noch in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die im Sachverhalt umschriebene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verletzt worden. Seine Beschwerde war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Kosten an die belangte Behörde als Ersatz des Aufwandes für die Vorlage des Verwaltungsaktes sowie für die Erstattung der Gegenschrift waren nicht zuzusprechen, weil dies im VerfGG 1953 nicht vorgesehen ist (VfSlg. 10003/1984).

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Verwaltungsstrafrecht, Ersatzfreiheitsstrafe, Festnehmung, Vorführung Strafantritt, Verfahrenskosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B837.1990

Dokumentnummer

JFT_10079383_90B00837_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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