TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/16 94/12/0282

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Veröffentlicht am 16.11.1994
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Index

72/13 Studienförderung;

Norm

StudFG 1983 §2 Abs2 lita idF 1988/379;
StudFG 1983 §2 Abs4 litb idF 1988/379;
StudFG 1992 §15 Abs2;
StudFG 1992 §19 Abs1;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z1;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde der M in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 30. August 1994, Zl. 56047/29-I/7/94, betreffend Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des von der Beschwerdeführerin vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin studiert Soziologie. Sie befand sich im Sommersemester 1994 im achten Semester des zweiten Studienabschnittes dieser Studienrichtung.

Im März 1994 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Verlängerung der Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe, den sie ausdrücklich auf § 19 Abs. 6 Z. 1 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG 1992) stützte. Sie begründete ihn im wesentlichen damit, sie habe im März 1993 an der Diplomarbeit mit dem Thema "Zigeuner und Landler in G - Ursachen eines überwiegenden Nebeneinanders zweier Volksgruppen in einer Dorfgemeinschaft und Spuren einer Veränderung dieses Faktums auf Grund des sozialen Wandels" zu arbeiten begonnen und könne diese Arbeit erst im (laufenden) Sommersemester 1994 beenden. Die Gründe für die zeitliche Verzögerung lägen einerseits in der Wahl des Studienortes (Siebenbürgen), andererseits in einer aufwendigen Forschungsmethode (freie Feldforschung auf Grund von narrativen Interviews mit einer teilnehmenden unstrukturierten Beobachtung). Sie hätte für den geplanten Kulturvergleich eine Fülle von Material zu sammeln gehabt und hätte deswegen ihren Studienort insgesamt dreimal in der Dauer von einigen Wochen besuchen müssen. Da sie die rumänische Sprache nicht beherrsche, hätte sie für die Interviews mit den Roma stets Dolmetscher(innen) suchen müssen, was wegen des eher feindlichen Gegenüberstehens der beiden Volksgruppen nicht immer leicht gewesen wäre. Der Abstand zwischen ihren Studienreisen sei vor allem deshalb erforderlich gewesen, weil sie bei ihrer Arbeit in einem bedeutenden Ausmaß auf den sozialen Wandel in der G-Dorfgemeinschaft eingehe. Außerdem sei der Umfang ihrer Diplomarbeit überdurchschnittlich, insbesondere wegen des angestellten Kulturvergleiches.

Über Aufforderung der belangten Behörde legte die Beschwerdeführerin verschiedene Bestätigungen zur Untermauerung ihres Vorbringens vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. August 1994 wies die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Verlängerung der Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe um ein weiteres Semester gemäß § 19 Abs. 6 Z. 1 StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, ab. Nach Darlegung der Rechtslage führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, die Beschwerdeführerin habe die beantragte Verlängerung der Anspruchsdauer um ein Semester mit einer Studienverzögerung begründet, die durch ihre besonders umfangreiche und zeitaufwendige Diplomarbeit, die sie am 1. März 1993 übernommen habe und die für die Diplomarbeit erforderlichen Auslandsaufenthalte bedingt sei. Gemäß der Studienordnung für die Studienrichtung Soziologie betrage die Studiendauer für den zweiten Studienabschnitt vier Semester; der Anspruch auf Studienbeihilfe betrage daher fünf Semester. Da die Beschwerdeführerin den ersten Studienabschnitt innerhalb der vorgeschriebenen Studienzeit abgeschlossen habe, habe sich die Anspruchsdauer (für den zweiten Studienabschnitt) gemäß § 18 Abs. 4 StudFG 1992 für sie um ein weiteres Semester verlängert. Im Sommersemester 1994 habe sie sich im achten Semester des zweiten Studienabschnittes befunden, die Anspruchsdauer also um zwei Semester überschritten. Die Beschwerdeführerin habe in der Zwischenzeit am 29. April 1994 ihr Studium abgeschlossen. Eine Verlängerung der Anspruchsdauer gemäß § 19 Abs. 6 Z. 1 StudFG 1992 sei nur möglich, wenn dieses zusätzliche Semester direkt an die Anspruchsdauer anschließe. Im Beschwerdefall sei daher nur eine Verlängerung für das siebente Semester möglich gewesen. Da sich die Beschwerdeführerin bereits im Wintersemester 1993/94 im siebenten Semester des zweiten Studienabschnittes befunden habe, könne die Anspruchsdauer nicht für das Sommersemester 1994 (achtes Semester des zweiten Studienabschnittes) verlängert werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. Paragraphenzitate beziehen sich, sofern nicht ausdrücklich anderes angegeben wird, auf dieses Gesetz.

Nach § 18 Abs. 1 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 343/1993) umfaßt die Anspruchsdauer grundsätzlich die zur Absolvierung von Diplomprüfungen, Rigorosen, Lehramtsprüfungen oder anderen, das Studium oder den Studienabschnitt abschließenden Prüfungen vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters. Sofern das Ausbildungsjahr nicht in Semester gegliedert ist, umfaßt die Anspruchsdauer die vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines halben Ausbildungsjahres. Wenn wichtige Gründe für die Überschreitung dieser Zeitspanne vorliegen, kann die Anspruchsdauer entsprechend verlängert werden (§ 19).

Nach § 19 Abs. 1 ist die Anspruchsdauer zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, daß die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde.

Nach Abs. 2 sind wichtige Gründe im Sinne des Abs. 1:

1. Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,

2.

Schwangerschaft der Studierenden und

3.

jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Abs. 6 lautet:

"Der zuständige Bundesminister hat auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde

1.

bei Studien im Ausland, überdurchschnittlich umfangreichen und zeitaufwendigen wissenschaftlichen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen die Anspruchsdauer um ein weiteres Semester zu verlängern oder

2.

bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder des Abs. 2 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 2) oder die Überschreitung der Studienzeit des zweiten und dritten Studienabschnittes um mehr als vier Semester (§ 15 Abs. 2) nachzusehen,

wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, daß der Studierende die Diplomprüfung (das Rigorosum) innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird."

Nach § 15 Abs. 2 besteht Anspruch auf Studienbeihilfe für ein Doktoratsstudium (§ 13 Abs. 1 lit. e AHStG) trotz Absolvierung eines Diplomstudiums, wenn der Studierende die vorgesehene Studienzeit zur Absolvierung des zweiten und dritten Studienabschnittes des Diplomstudiums um nicht mehr als vier Semester überschritten hat.

Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes obliege der Behörde. Ungeachtet des von ihr auf § 19 Abs. 6 Z. 1 gestützten Antrages habe sie Gründe vorgebracht, die dem § 19 Abs. 6 Z. 2 zu unterstellen seien, sodaß ihr die Nachsicht nach dieser Bestimmung hätte erteilt werden müssen. Sofern die Behörde aber Zweifel über die mit dem Antrag der Beschwerdeführerin verfolgte Absicht gehabt hätte, wäre sie verpflichtet gewesen, diesen Zweifel durch Vernehmung der Beschwerdeführerin zu klären und sie nötigenfalls über die Rechtslage zu belehren. Da die materiellen Voraussetzungen für die Nachsicht nach § 19 Abs. 6 Z. 2 im Beschwerdefall jedenfalls vorlägen, könne der Beschwerdeführerin die falsche Bezeichnung der Gesetzesstelle in ihrem Antrag keineswegs zum Nachteil gereichen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß sich der Nachsichtsantrag der Beschwerdeführerin vom März 1994 auf das Sommersemester 1994 bezogen hat.

Das hat die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht bestritten. Insbesondere hat sie nicht behauptet, ihr an die belangte Behörde gerichtetes Nachsichtsansuchen stehe im Zusammenhang mit einem von ihr bei der Studienbeihilfenbehörde im Wintersemester 1993/94 rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Studienbeihilfe (§ 39 Abs. 2).

Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß sich der Nachsichtsantrag der Beschwerdeführerin auf das Sommersemester 1994 bezogen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die (im übrigen in der Beschwerde unbestritten gebliebene) Rechtsauffassung der belangten Behörde, die im § 19 Abs. 6 Z. 1 vorgesehene Verlängerung komme nur für ein an den Ablauf der Anspruchsdauer unmittelbar anschließendes Semester in Betracht. Dafür spricht der Wortlaut (arg.: "... die Anspruchsdauer um ein WEITERES Semester zu verlängern ...") in Verbindung mit den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum StudFG 1992, 473 Blg. Sten. Prot. NR 18. GP, die zu § 19 auf Seite 32 unter anderem folgendes ausführen:

"Für das Antragsverfahren ergibt sich aus der Textierung ("weiteres Semester") eine weitere Voraussetzung.

Studienbeihilfe für ein Zusatzsemester gemäß § 19 Abs. 6 Z. 1 kann gewährt werden, wenn nach einem abgewiesenen Studienbeihilfenantrag in jenem Semester, das auf das letzte Semester der generellen Anspruchsdauer folgt, ein Antrag auf Zusatzsemester gestellt wird."

Da im Beschwerdefall die Anspruchsdauer des im zweiten Studienabschnitt von der Beschwerdeführerin betriebenen Studiums unbestritten mit Ablauf des sechsten Semesters geendet hat, ihr Nachsichtsantrag nach § 19 Abs. 6 Z. 1 erst am Beginn des achten Semesters gestellt wurde und sich auch auf dieses Semester bezog, kommt eine Verlängerung der Anspruchsdauer nach dieser Bestimmung nicht in Betracht.

Was die behauptete Anwendbarkeit des § 19 Abs. 6 Z. 2 betrifft - im Beschwerdefall kommt nur der zweite Tatbestand in Frage - ist dessen Anwendbarkeit von vornherein im Falle der Beschwerdeführerin ausgeschlossen: Denn die dort vorgesehene Nachsicht setzt eine qualifizierte Studienzeitüberschreitung des zweiten Studienabschnittes (bei der von der Beschwerdeführerin betriebenen Studienrichtung "Soziologie" ist ein dritter Studienabschnitt in den studienrechtlichen Vorschriften nicht vorgesehen) voraus, die aber im Beschwerdefall nicht gegeben ist. Die Beschwerdeführerin befand sich nämlich unbestritten im Zeitpunkt der Stellung ihres Nachsichtsantrages (erst) im achten Semester des zweiten Studienabschnittes und hatte daher im Hinblick auf die für diesen Studienabschnitt der Studienrichtung Soziologie im Studienrecht vorgesehene Studienzeit von vier Semestern diese noch nicht um mehr als vier Semester (im Sinne des § 19 Abs. 6 Z. 2) überschritten. Abgesehen davon zielt die Nachsichtserteilung nach dem zweiten Tatbestand nach § 19 Abs. 6 Z. 2 auf die Beseitigung der Ausschlußwirkung der qualifizierten Studienzeitüberschreitung während des Diplomstudiums für die Förderung des Doktoratsstudiums ab, bliebe doch sonst die Anführung des § 15 Abs. 2 (in § 19 Abs. 6 Z. 2) völlig unverständlich. Im übrigen entspricht die Bestimmung des § 19 Abs. 6 Z. 2 dem § 2 Abs. 4 lit. b in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. a StudFG 1983 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 379/1988 (vgl. dazu die EB zur RV zu dieser Novelle, 580 Blg. Sten. Prot. NR 17. GP zu Art. I Z. 2, Seite 11 und zu Art. I Z. 4, 6 und 11 auf Seite 11 unten und 12 oben). Aus diesem Grund geht daher der Vorwurf der Beschwerdeführerin, das von ihr Vorgebrachte wäre dem § 19 Abs. 6 Z. 2 zu unterstellen gewesen und hätte zur Nachsicht führen müssen (einschließlich der erhobenen Verfahrensrüge), ins Leere.

Da die Beschwerde bereits nach ihrem Inhalt erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994120282.X00

Im RIS seit

08.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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