TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 91/08/0164

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht;

Norm

EFZG §8 Abs4;
EFZG §8 Abs5;
EFZG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des E in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15. Oktober 1991, Zl. V-226 De 49/3-91, betreffend Rückforderung von zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträgen nach § 9 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (mP: Stmk GKK), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Mai 1991 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß der Beschwerdeführer verpflichtet sei, zu Unrecht geleistete Erstattungsbeträge in der Gesamthöhe von S 163.319,40 gemäß § 9 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) rückzuerstatten. Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aufgrund der eingereichten Anträge auf Erstattung gemäß § 8 EFZG für Arbeitsverhinderungen der in der Beilage angeführten Dienstnehmer das fortgezahlte Entgelt einschließlich der hiefür beantragten Pauschalbeträge in Höhe von insgesamt S 463.910,60 refundiert. Anläßlich einer Beitragsprüfung am 11. Dezember 1990 sei jedoch festgestellt worden, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des Pauschalbetrages gemäß § 8 Abs. 1 lit. b leg. cit. nicht gegeben gewesen seien, weshalb dem Beschwerdeführer nur ein Erstattungsbetrag im Ausmaß von 80 v.H. des fortgezahlten Entgelts, das sei ein Betrag in der Höhe von S 300.591,20, zugestanden sei. Der Beschwerdeführer habe daher einen Erstattungsbetrag in der im Spruch genannten Höhe zu Unrecht erhalten.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen vorbrachte, der Krankenversicherungsträger habe nicht erst durch die Beitragsprüfung, sondern bereits aufgrund des beim Beschwerdeführer angewandten Lohnsummenverfahrens durch die monatliche Beitragsnachweisung von seiner Lohnsumme regelmäßig Kenntnis erlangt, sodaß die in § 9 EFZG normierte zweijährige Verjährungsfrist bereits ab Einlangen dieser monatlichen Beitragsnachweisungen zu laufen begonnen habe. Die rechtlich zulässige Rückforderungssumme auf Erstattungsbeträge betrage im übrigen lediglich S 74.802,61. Die Differenz von S 88.516,79 sei infolge Verjährung zu Unrecht zurückgefordert worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Nach der Begründung erlange die Gebietskrankenkasse mit den monatlichen Beitragsnachweisungen keineswegs Kenntnis darüber, daß die an den Beschwerdeführer ausgezahlten Erstattungsbeträge teilweise oder zur Gänze zu Unrecht erbracht worden seien. Die vom Beschwerdeführer jeweils gemeldete Lohnsumme ließe nämlich ohne zusätzliche Überprüfung keinesfalls den Schluß auf die Unrichtigkeit der ursprünglich erstatteten Beträge zu. Dem Krankenversicherungsträger sei es schon aus ökonomischen Gründen völlig unmöglich, jede Beitragsnachweisung nach deren Einlangen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Der Krankenversicherungsträger müsse vielmehr darauf vertrauen können, daß von den Dienstgebern bezüglich der Erstattungsbeträge als auch hinsichtlich der in den Beitragsnachweisungen aufscheinenden Beträge richtige Angaben gemacht würden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe daher erst durch die am 11. Dezember 1990 beim Beschwerdeführer durchgeführte Beitragsprüfung Kenntnis davon erlangt, daß der ursprünglich dem Beschwerdeführer von der Kasse ausbezahlte Erstattungsbetrag in Höhe von S 463.910,60 teilweise zu Unrecht gewährt worden sei. Die vom Beschwerdeführer eingewandte Verjährung bezüglich eines Betrages in der Höhe von S 88.516,79 liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    § 9 EFZG lautet:

            "Rückforderung zu Unrecht geleisteter

                      Erstattungsbeträge

    § 9. Der Krankenversicherungsträger hat zu Unrecht

geleistete Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber zurückzufordern.

Das Recht auf Rückforderung verjährt binnen zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Krankenversicherungsträger bekannt geworden ist, daß der Erstattungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist. Der Krankenversicherungsträger kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers, auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichten oder die Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen zulassen."

§ 8 Abs. 4 und Abs. 5 EFZG haben folgenden Inhalt:

"(4) Der Anspruch auf den Erstattungsbetrag entsteht, sobald der Arbeitgeber das Entgelt im Sinne des Abs. 1 lit. a an den Arbeitnehmer gezahlt und die Voraussetzungen des Abs. 5 erfüllt hat. Der Erstattungsbetrag ist unverzüglich, spätestens binnen vier Wochen nach Entstehen des Erstattungsanspruches auszuzahlen oder anzuweisen.

(5) Der Arbeitgeber hat den Antrag auf Erstattung bei dem nach Abs. 3 zuständigen Krankenversicherungsträger einzubringen und die für die Feststellung des Anspruches und des Erstattungsbetrages erforderlichen Angaben auf einem vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im folgenden Hauptverband genannt) aufzulegenden Vordruck zu machen. Ist das Entgelt für mehr als drei aufeinanderfolgende Tage fortgezahlt worden, so ist diesem Vordruck eine Bestätigung im Sinne des § 4 Abs. 1 beizulegen. Darüber hinaus kann der zuständige Krankenversicherungsträger in begründeten Fällen für eine bestimmte Zeit eine derartige Bestätigung auch für kürzere Arbeitsverhinderungen verlangen."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, zu welchem Zeitpunkt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bekannt geworden ist, daß die strittigen Erstattungsbeträge zu Unrecht geleistet worden sind und demgemäß die in § 9 EFZG vorgesehene Verjährungsfrist von zwei Jahren zu laufen begonnen hat.

Der Beschwerdeführer vertritt dabei im wesentlichen die Auffassung, daß der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse jeweils mit dem Einlangen der monatlichen Beitragsnachweisungen - und nicht erst durch die später durchgeführte Beitragsprüfung - bekannt gewesen sei, daß die Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen den in § 8 Abs. 7 EFZG normierten Grenzbetrag übersteige, da es nach dieser Bestimmung auf den der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit zweitvorangegangenen Kalendermonat ankomme. Die monatliche Beitragsnachweisung sei so konzipiert und ausgefüllt gewesen, daß sich die Gesamtsumme der Beitragsgrundlagen eindeutig erkennen bzw. extrem einfach errechnen ließe. Dieses objektive Bekanntsein der monatlichen Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen sei jeweils eindeutig bereits vor Auszahlung der Erstattungsbeträge durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vorgelegen, sodaß dieser die Unrichtigkeit der grundsätzlichen Erstattungshöhe bereits im jeweiligen Erstattungszeitpunkt bekannt gewesen sei bzw. bekannt gewesen sein mußte. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei es somit möglich und zumutbar gewesen, vor Auszahlung der jeweiligen Erstattungsbeträge den Widerspruch zwischen den unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers in den Erstattungsanträgen und den schon im Machtbereich der jeweiligen Gebietskrankenkasse befindlichen Lohnsummen- bzw. Beitragsgrundlagenangaben auf den Beitragsnachweisungen zu erkennen.

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift dazu vor, daß der Beschwerdeführer in seinen Erstattungsanträgen nach dem EFZG der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegenüber falsche Angaben gemacht habe, aufgrund deren es zur Auszahlung weitaus überhöhter Erstattungsbeträge gekommen sei. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei als Krankenversicherungsträger lediglich Verwalterin des bei ihr eingerichteten Erstattungsfonds, sodaß es aufgrund dieser organisatorischen Trennung zwischen der Beitragsabteilung und jener Abteilung, der die Erstattung nach dem EFZG obliege, nicht möglich sei, aus den monatlichen Beitragsnachweisungen die erwähnte Unrichtigkeit der in den Erstattungsanträgen des Beschwerdeführers enthaltenen Summen zu bemerken. Die Übermittlung der monatlichen (richtigen) Beitragsgrundlagennachweise an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, deren weitere Behandlung durch die Beitragsabteilung erfolge, könne nicht als jener Zeitpunkt angesehen werden, in dem der Gebietskrankenkasse die Unrichtigkeit der in den Erstattungsanträgen gemachten Angaben bekannt geworden sei. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe erst durch die im Dezember 1990 durchgeführte Beitragsprüfung von der Unrichtigkeit der ursprünglich geleisteten Erstattungsbeträge erfahren. Dieser Zeitpunkt sei somit maßgeblich für die in § 9 zweiter Satz EFZG genannte Verjährungsfrist von zwei Jahren.

Im Gegensatz zu § 107 Abs. 1 ASVG, der eine Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen - ausgenommen den besonderen Rückforderungsanspruch der Geldleistungen - nur dann vorsieht, wenn der Zahlungsempfänger den Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt hat, oder wenn der Zahlungsempfänger erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte, kennt § 9 EFZG eine solche Einschränkung nicht. Es ist unerheblich, wie es zu der zu Unrecht vorgenommenen Erstattung kam. Entscheidend ist allein die objektive Tatsache, daß Erstattungsbeträge zu Unrecht geleistet wurden (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1976, VwSlg. 9129/A).

Nach dem Wortlaut des § 9 leg. cit. beginnt die zweijährige Verjährungsfrist erst ab Kenntnis des Krankenversicherungsträgers vom Überbezug der bereits geleisteten Erstattungsbeträge zu laufen. Ein allfälliges "Kennenmüssen" kann nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung einem "Kennen" nicht gleichgehalten werden.

Wie sich aus dem Zusammenhalt der oben zitierten Bestimmungen ergibt, trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, die für die Feststellung des Anspruches und des Erstattungsbetrages erforderlichen Angaben zu machen. Der Krankenversicherungsträger hingegen hat den Erstattungsbetrag unverzüglich, spätestens binnen vier Wochen nach Entstehen dieses Anspruches, auszuzahlen oder anzuweisen. Entstanden ist dieser Anspruch, sobald nach der erfolgten Fortzahlung des Entgelts der Arbeitgeber den Erstattungsantrag stellt. Da der Krankenversicherungsträger den Erstattungsbetrag unverzüglich, spätestens binnen vier Wochen nach Entstehen des Erstattungsanspruches, zu leisten hat, kann von ihm eine Überprüfung der vom Arbeitgeber im Erstattungsantrag gemachten Angaben auf ihre Richtigkeit nicht erwartet werden. Leistet der Krankenversicherungsträger den Erstattungsbetrag aufgrund der im Erstattungsantrag enthaltenen Angaben, erweist sich jedoch nachträglich, daß dieser Erstattungsbetrag teilweise oder zur Gänze zu Unrecht geleistet worden ist, so hat der Krankenversicherungsträger gemäß § 9 EFZG das Recht auf Rückforderung dieses zu Unrecht geleisteten Erstattungsbetrages.

Für das Recht auf Rückforderung gemäß der genannten Bestimmung kommt es daher - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht darauf an, ob dem Krankenversicherungsträger im jeweiligen Erstattungszeitpunkt die Unrichtigkeit des ursprünglich geleisteten Erstattungsbetrages bereits bekannt sein konnte.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erst durch die am 11. Dezember 1990 durchgeführte Beitragsprüfung die Unrichtigkeit der ursprünglich geleisteten Erstattungsbeträge bekannt geworden und die in § 9 zweiter Satz EFZG normierte zweijährige Verjährungsfrist daher mit diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991080164.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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