TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 94/04/0208

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
GewO 1973 §13 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §13 Abs2 idF 1993/029;
GewO 1973 §13 Abs3 idF 1993/029;
GewO 1973 §13 Abs4 idF 1993/029;
GewO 1973 §13 Abs5 idF 1993/029;
GewO 1973 §13 Abs6 idF 1993/029;
GewO 1973 §13 Abs7 idF 1993/029;
GewO 1973 §39 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §39 Abs2 idF 1993/029;
GewO 1973 §9 Abs1 idF 1993/029;
StGG Art2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/04/0209

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der M-Handelsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 1. August 1994, Zl. MA 63 - M 327/94 und MA 63 - M 328/94, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit den beiden Bescheiden vom 1. August 1994 wurde vom Landeshauptmann von Wien - im Instanzenzug - "gemäß § 340 Abs. 7 in Verbindung mit § 13 Abs. 5 und 7 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993", (jeweils) festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des von der Beschwerdeführerin am 2. August 1993 angemeldeten "Handelsgewerbes gemäß § 126 Z. 14 leg. cit." (Zl. MA 63 - M 327/94) bzw. "Gewerbes der Handelsagenten (§ 126 Z. 13 leg. cit.)" (Zl. MA 63 - M 328/94) im näher bezeichneten Standort durch die Anmelderin nicht gegeben seien, und es wurde (jeweils) die Ausübung des angemeldeten Gewerbes untersagt.

Gleichzeitig wurde (jeweils) "gemäß § 345 Abs. 9 in Verbindung mit § 13 Abs. 5 und 7 leg. cit." festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzung für die Ausübung des (näher bezeichneten) angemeldeten Gewerbes "durch die bestellte Geschäftsführerin S, ..., nicht gegeben sind und wird die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch die bestellte Geschäftsführerin untersagt".

In den Begründungen dieser Bescheide heißt es im wesentlichen, S sei von der Ausübung eines Gewerbes als Gewerbetreibende ausgeschlossen, weil sie handelsrechtliche Geschäftsführerin der I-Gesellschaft m.b.H. gewesen sei, gegen die das Handelsgericht Wien am 22. August 1985 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieser juristischen Person mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen habe. Es stehe außer Streit, daß S gemäß § 13 Abs. 5 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 von der Ausübung eines Gewerbes als Gewerbetreibende ausgeschlossen sei. Gemäß § 13 Abs. 7 leg. cit. sei auch die Beschwerdeführerin von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, weil der S als deren handelsrechtliche Geschäftsführerin ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte dieser juristischen Person zustehe. Da durch die erstattete Gewerbeanmeldung das Recht zur Ausübung des angemeldeten Gewerbes nicht begründet worden sei, lägen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch die bestellte gewerberechtliche Geschäftsfüherin nicht vor.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf Ausübung des Gewerbes "Handelsgewerbe gemäß § 126 Z. 14 GewO 1973" und "Handelsagenten gemäß § 126 Z. 13 GewO 1973" verletzt. In Ausführung dieser Beschwerdepunkte bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, es sei die Frage strittig, ob die Beschwerdeführerin von der Ausübung eines Gewerbes deswegen ausgeschlossen sei, weil S als handelsrechtliche Geschäftsführerin ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zustehe. Es erscheine bei der Bestimmung des § 13 Abs. 7 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 als wesentlich, daß die Abs. 1 bis 6 auf juristische Personen nicht wortwörtlich, sondern sinngemäß anzuwenden seien. Durch die Gewerberechtsnovelle 1992 sei es möglich, daß eine natürliche Person trotz Vorliegens eines Ausschlußgrundes des § 13 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer juristischen Person tätig sei. Das Gesetz zwinge aber eine juristische Person bei Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers diesen entweder als handelsrechtlichen Geschäftsführer zu bestellen oder als zumindest halbtags beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen. § 39 Abs. 2 leg. cit. räume daher einer juristischen Person diesbezüglich ausdrücklich ein Wahlrecht dahingehend ein, daß der gewerberechtliche Geschäftsführer eben entweder gleichzeitig handelsrechtlicher Geschäftsführer oder zumindest halbtags beschäftigter Arbeitnehmer sei. § 13 Abs. 3 leg. cit. erlaube es nunmehr, daß trotz Vorliegens des Ausschließungsgrundes "Konkurs" die Gewerbeausübung als gewerberechtlicher Geschäftsführer möglich sei. Diese Bestimmung wäre völlig entwertet, wenn diese Person nicht gleichzeitig handelsrechtlicher Geschäftsführer sein könnte. Würde diese Möglichkeit nicht bestehen, wäre einer juristischen Person das in § 39 leg. cit. eingeräumte Wahlrecht genommen, "was, weil es eine Einschränkung bedeutet, gesetzwidrig ist". Auch einem halbstags beschäftigten Arbeitnehmer könne ein maßgebender Einfluß auf den Geschäftsbetrieb zustehen, sodaß es in diesem Fall, wollte man der Meinung der belangten Behörde folgen, überhaupt unmöglich wäre, S als gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen. Gehe man von dem in der Regierungsvorlage zur Gewerberechtsnovelle genannten Ziel der verstärkten Bindung des Geschäftsführers an das Unternehmen aus, so spreche auch diese Zielsetzung eindeutig dafür, daß der gewerberechtliche Geschäftsführer auch bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes als handelsrechtlicher Geschäftsführer tätig sein könne, weil somit die stärkste Einbindung in den Betrieb gegeben sei, was ja ausdrückliches Ziel der Gewerberechtsnovelle gewesen sei. Auch § 39 Abs. 3 leg. cit. verlange, daß in den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen sei, dieser sich im Betrieb entsprechend betätigen müsse. Unter diesen Aspekten sei § 13 Abs. 7 leg. cit. "sinngemäß" dahingehend zu verstehen, "daß die Möglichkeit, gewerberechtlicher Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. trotz Vorliegen des Ausschlußtatbestandes "Konkurs" auch bedeutet, daß diese Person handelsrechtlicher Geschäftsführer sein kann". Eine andere Interpretation würde keinen Sinn ergeben, weil es keine Begründung dafür gebe, warum eben der gewerberechtliche Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. nicht gleichzeitig handelsrechtlicher Geschäftsführer sein solle. Es sei bei Auslegung dieser Gesetzesstelle auch die Gesamtintention der Gewerberechtsnovelle 1992 zu berücksichtigen, die unter dem Aspekt des EWR-Vertrages eine weitere Liberalisierung und Deregulierung angestrebt habe.

Nach § 9 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 (anzuwenden im Beschwerdefall gemäß Art. 49a Abs. 3 B-VG im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung gegebenen Rechtslage; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0242, u.a.) in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, können (u.a.) juristische Personen Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.

§ 13 Abs. 3 leg. cit. bestimmt, daß Rechtsträger, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen sind. Dies gilt auch, wenn mit den ausgeführten Ausschlußgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

Nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle ist eine natürliche Person von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender ausgeschlossen, wenn ihr ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte eines anderen Rechtsträgers als einer natürlichen Person zusteht oder zugestanden ist, auf den der Abs. 3 anzuwenden ist oder anzuwenden war.

Nach Abs. 7 dieser Gesetzesstelle sind die Abs. 1 bis 6 auf andere Rechtsträger als natürliche Personen sinngemäß anzuwenden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 6 auf eine natürliche Person zutreffen, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht außer Streit, daß S als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein maßgeblicher Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte der Gesellschaft zusteht. Ebenso wird in der Beschwerde nicht bestritten, daß S gemäß § 13 Abs. 5 leg. cit. von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender (§ 38 Abs. 2 leg. cit.) ausgeschlossen ist.

Treffen aber die Tatbestandsvoraussetzungen der Abs. 1 bis 6 auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, zu, so ist bei den im ersten Halbsatz des § 13 Abs. 7 leg. cit. genannten "andere(n) Rechtsträger(n)" ein Gewerbeausschlußgrund gegeben. Wenn dabei eine "sinngemäße" Anwendung der Abs. 1 bis 6 bestimmt wird, so hat das nur die Bedeutung, daß die Ausschlußgründe eben nicht (unmittelbar) bei diesen Rechtsträgern gelegen sind. Darauf, ob der Ausschlußgrund eine natürliche Person betrifft, die (auch) gewerberechtlicher Geschäftsführer ist oder nicht, kommt es nach dem Gesetz nicht an.

Daran vermag auch der Beschwerdehinweis auf § 39 Abs. 2 leg. cit. nichts zu ändern. Welchen persönlichen Voraussetzungen ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nach dem Gesetz (lediglich) zu entsprechen hat, ist im Hinblick auf den unterschiedlichen Regelungsgegenstand davon zu trennen, welche Tatbestandsvoraussetzungen bei einer natürlichen Person im Sinne des § 13 Abs. 7 leg. cit. gegeben sein müssen. Die gesetzlichen Differenzierungen sind dabei auch aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar und es bestehen keine Bedenken, daß die Regelung auf unsachlichen Unterscheidungen beruhe. Stellt doch § 13 Abs. 3 bis 5 leg. cit. offenkundig darauf ab, Personen, die sich WIRTSCHAFTLICH als (besonders) unzuverlässig erwiesen haben, von der Gewerbeausübung auszuschließen (vgl. Mayer, Geschäftsführer, Pächter und befähigter Arbeitnehmer, in Rill (Herausgeber): Gewerberecht, Beiträge zu Grundfragen der GewO 1973, S. 225; vgl. auch den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 87 Abs. 2 leg. cit. herausgearbeiteten Gesichtspunkt der Vermeidung einer Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung - so etwa das Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0038). Solche Personen im Grunde des § 13 Abs. 7 leg. cit. von einer "Gewerbeausübung" (in einem weiteren Sinn eines maßgebenden Einflusses auf den Betrieb der Geschäfte) auszuschließen, erscheint als durchaus sachgerecht. Ausgehend davon, daß einem gewerberechtlichen Geschäftsführer - in seiner spezifischen Funktion - wirtschaftliche Entscheidungsbefugnisse nicht (notwendig) zukommen (vgl. diesbezüglich Mayer, a.a.O., S. 226), ist es aber ebenso sachgerecht, daß diesen die insolvenzrechtlichen Ausschlußgründe nicht treffen sollen.

Wenn aber bei Identität der Funktionen in einer Person - insofern kumulativ - jeweils die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sein müssen, wovon die belangte Behörde ausgegangen ist, so stellt das, entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, keine "gesetzwidrige Einschränkung" dar. Es sind im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles auch keine Bedenken dahin entstanden, dieses Regelungssystem sei sachlich nicht begründbar und widerspreche daher dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot.

Soweit schließlich die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, es sei als Gesamtintention der Gewerberechtsnovelle 1992 eine weitere Liberalisierung und Deregulierung angestrebt worden, genügt der Hinweis, daß ein kundgemachtes Gesetz aus sich selbst auszulegen ist; andere Erkenntnisquellen über die Absicht des Gesetzgebers sind erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers zweifelhaft ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. November 1971, Slg. Nr. 8101/A). Eine derartige Unklarheit des Gesetzeswortlautes vermag der Verwaltungsgerichtshof nach dem oben Gesagten nicht zu finden.

Aus den dargelegten Erwägungen läßt der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040208.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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