TE Vfgh Erkenntnis 1992/6/24 G18/92, G55/92

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Veröffentlicht am 24.06.1992
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Index

13 Staatsvertragsdurchführung, Kriegsfolgen
13/02 Vermögensrechtliche Kriegsfolgen

Norm

B-VG Art65 Abs2 lita
BesatzungsschädenG §21
EntschädigungsG CSSR §35

Leitsatz

Abweisung des Antrags des VwGH auf Aufhebung des §21 BesatzungsschädenG betreffend die Bestellung der Mitglieder der Bundesentschädigungskommission beim BMF; Ernennungsrecht des Bundespräsidenten verfassungsrechtlich nicht geboten; Hinweis auf E v 05.03.92, G300-307/91, zur Verfassungsmäßigkeit des §19 VerteilungsG Bulgarien betreffend die Bestellung der Mitglieder der Bundesverteilungskommission beim BMF

Spruch

Den Anträgen wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 87/17/0290 und 90/17/0222, 0223 Verfahren über Beschwerden anhängig, die sich jeweils gegen Bescheide der Bundesentschädigungskommission beim Bundesministerium für Finanzen richten; mit diesen Bescheiden hatte die genannte Kommission über Entschädigungsansprüche entschieden, die von den Beschwerdeführern nach dem Entschädigungsgesetz CSSR, BGBl. 452/1975, (im folgenden: EG CSSR), erhoben worden waren.

b) Aus Anlaß dieser Beschwerden richtet der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 30. Jänner und vom 27. Feber 1992 unter den Zlen. A5/92 (87/17/0290) und A23/92, A24/92 (90/17/0222, 0223) an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG die Anträge, §21 des Besatzungsschädengesetzes, BGBl. 126/1958, in eventu die Absätze 1 bis 4 dieser Gesetzesbestimmung, als verfassungswidrig aufzuheben.

2.a) Der Verwaltungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß §21 BesatzungsschädenG dem Art65 Abs2 lita B-VG widerspreche; die Mitglieder der Bundesentschädigungskommission müßten nach dieser Verfassungsbestimmung vom Bundespräsidenten ernannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof bezieht sich zur Begründung seiner Anträge auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1991, B1395/90 u.a. Zlen., mit dem der im wesentlichen dem §21 BesatzungsschädenG gleichende §19 des Verteilungsgesetzes Bulgarien, BGBl. 129/1964, von Amts wegen in Prüfung gezogen wurde.

b) Mit Erkenntnis vom 5. März 1992, G300-307/91, hob der Verfassungsgerichtshof §19 VerteilungsG Bulgarien nicht als verfassungswidrig auf (s. hiezu unten III.2.a).

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie unter Bezugnahme auf das soeben zitierte Erkenntnis beantragt, §21 BesatzungsschädenG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

II. 1. Gemäß §35 EG CSSR entscheidet über Ansprüche auf Entschädigung nach diesem Bundesgesetz die nach dem BesatzungsschädenG errichtete Bundesentschädigungskommission. Die Bestimmungen der §§20 bis 26 des BesatzungsschädenG sind mit der Maßgabe, daß die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist, anzuwenden.

Die §§20 und 21 des BesatzungsschädenG lauten:

"§20. (1) Über Ansprüche auf Gewährung einer Entschädigung entscheidet die Bundesentschädigungskommission, die beim Bundesministerium für Finanzen in Wien zu errichten ist.

(2) Die Bundesentschädigungskommission besteht aus einem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern.

(3) Die Bundesentschädigungskommission entscheidet in Senaten von zwei Beisitzern unter Vorsitz eines Richters.

(4) Senate der Bundesentschädigungskommission können auch bei einer Finanzlandesdirektion, die ihren Sitz außerhalb Wiens hat, gebildet werden.

(5) Die Mitglieder der Bundesentschädigungskommission sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden.

(6) Entscheidungen der Bundesentschädigungskommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege.

§21. (1) Das Bundesministerium für Justiz hat im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen die für den Vorsitzenden der Bundesentschädigungskommission, für seinen Stellvertreter und für die übrigen Senatsvorsitzenden erforderliche Anzahl von Richtern zu bestellen.

(2) Die Beisitzer der Bundesentschädigungskommission bestehen aus zwei Gruppen von Mitgliedern, welche je in einer Liste zu vereinigen sind.

(3) Die Mitglieder der ersten Gruppe werden vom Bundesministerium für Finanzen aus den Beamten der Verwendungsgruppen A oder B des Dienst- oder Ruhestandes des Bundesministeriums für Finanzen oder der Finanzlandesdirektionen ernannt, die mit den Anboten und der Einigung über die Entschädigung (§19) nicht befaßt sind.

(4) Die Mitglieder der zweiten Gruppe sind von den gesetzlichen Berufsvertretungen jedes Bundeslandes zu entsenden. Das Bundesministerium für Finanzen hat nach Anhörung der Berufsvertretungen die Zahl der von den einzelnen Berufsvertretungen zu entsendenden Mitglieder unter Berücksichtigung des Umfanges und der Bedeutung der für die Berufsgruppe in Betracht kommenden, nach diesem Bundesgesetz zu entschädigenden Schäden zu bestimmen, wobei jede Berufsvertretung eines Bundeslandes mindestens ein Mitglied entsenden kann.

(5) In die Bundesentschädigungskommission dürfen nur Personen entsendet werden, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, zu Beginn des Jahres der Entsendung die Volljährigkeit erlangt haben und sich in vollem Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte befinden."

2. Für den vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen des B-VG von Bedeutung:

Art65 B-VG nennt zunächst in Abs1 verschiedene Befugnisse des Bundespräsidenten und normiert anschließend in den Absätzen 2 und 3:

"Artikel 65. (1) . . .

(2) Weiter stehen ihm - außer den ihm nach anderen Bestimmungen dieser Verfassung übertragenen Befugnissen - zu:

a) die Ernennung der Bundesbeamten, einschließlich der Offiziere, und der sonstigen Bundesfunktionäre, die Verleihung von Amtstiteln an solche;

b) - d) ...

(3) Inwieweit dem Bundespräsidenten außerdem noch Befugnisse hinsichtlich Gewährung von Ehrenrechten, außerordentlichen Zuwendungen, Zulagen und Versorgungsgenüssen, Ernennungs- oder Bestätigungsrechten und sonstigen Befugnissen in Personalangelegenheiten zustehen, bestimmen besondere Gesetze."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge erwogen:

1.a) Der Verwaltungsgerichtshof begründet die Präjudizialität des zur Aufhebung beantragten §21 BesatzungsschädenG wie folgt:

"Prüfungsgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ein Bescheid der Bundesentschädigungskommission beim Bundesministerium für Finanzen. Der Verwaltungsgerichtshof geht von der Zulässigkeit der Beschwerde aus und hat daher unter dem von Amts wegen wahrzunehmenden Gesichtspunkt einer allfälligen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde im Sinne des §42 Abs2 Z. 2 VwGG auch zu prüfen, ob die belangte Kollegialbehörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war und ob sie ihre Entscheidung in der richtigen Zusammensetzung getroffen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher unter anderem die unter Punkt 2.1. (seines Prüfungsantrages) genannten Gesetzesbestimmungen, darunter jene, auf die sich der Prüfungsantrag bezieht, im Sinne des Art135 Abs4 in Verbindung mit Art89 B-VG anzuwenden; sie sind präjudiziell."

b) Nichts spricht gegen diese Annahme des Verwaltungsgerichtshofes. Im übrigen wird zur Frage der Präjudizialität auf Pkt. III.1. des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, G300-307/91, verwiesen.

Da neben der Präjudizialität auch die weiteren Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die GesetzesaufhebungsAnträge des Verwaltungsgerichtshofes zulässig.

2.a) Der Verwaltungsgerichtshof bezieht sich in seinen Anträgen auf den hg. Beschluß vom 4. Oktober 1991, B1395/90 u.a. Zlen. (s.o. I.2.a), mit dem von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §19 VerteilungsG Bulgarien eingeleitet worden waren. Mit Erkenntnis vom 5. März 1992, G300-307/91, hob der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig auf und begründete dies wie folgt:

"Der sprachliche Zusammenhang, der im Art65 Abs2 lita B-VG zwischen dem Begriff 'Bundesbeamte' (einschließlich der Offiziere) einerseits und dem Begriff 'die sonstigen Bundesfunktionäre' andererseits besteht (arg.: 'sonstige'), legt folgende Auslegung nahe: Unter den Letztgenannten sind solche Personen zu verstehen, die Organfunktionen im Bereich der Bundesverwaltung ausüben und die - in dieser Eigenschaft - zwar (im Unterschied zu 'Bundesbeamten einschließlich der Offiziere') weder in einem öffentlich-rechtlichen noch in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen (vgl. BERCHTOLD, Der Bundespräsident, Wien 1969, S 165 f.), aber sonst dieser Gruppe von Organwaltern in wesentlichen Belangen vergleichbar sind. Keineswegs erfaßt demnach der Begriff 'die sonstigen Bundesfunktionäre' die Mitglieder einer Kollegialbehörde, die ihre Funktion zeitlich begrenzt und nicht als Hauptberuf ausüben.

Dieser Befund wird durch die ... Erläuterungen dieses Begriffes in den Beratungen des Verfassungsausschusses bekräftigt, wo als Beispiele für 'die sonstigen Bundesfunktionäre' keine Mitglieder von Kollegialbehörden angeführt werden, obwohl bereits damals zahlreiche kollegial eingerichtete Behörden des Bundes bestanden (vgl. zB ADAMOVICH-FROEHLICH, Die österreichischen Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder, Wien 1925, S. 46); daher wäre es nahegelegen, die Mitglieder solcher Kollegialbehörden als Beispiele für die 'sonstigen Bundesfunktionäre' zu nennen, wenn sie von diesem Begriff hätten erfaßt werden sollen.

Das bedeutet, daß die Berufung in die Funktion des Mitgliedes einer Kollegialbehörde (auch einer solchen mit richterlichem Einschlag nach Art133 Z4 B-VG) nicht gemäß Art65 Abs2 lita B-VG durch den Bundespräsidenten erfolgen muß, sondern daß es dem einfachen Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz zur Einrichtung und zur Regelung der Organisation dieser Behörde zukommt, auch die Art der Bestellung ihrer Mitglieder festzulegen. Hiebei kann er auch von der ihm durch Art65 Abs3 B-VG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen und eine Bestimmung normieren, wonach das Ernennungsrecht dem Bundespräsidenten zusteht. Verfassungsrechtlich geboten ist eine solche Regelung jedoch nicht.

Der in Prüfung gezogene §19 des VerteilungsG Bulgarien war sohin nicht als verfassungswidrig aufzuheben."

b) Durch diese Vorjudikatur, von der abzugehen kein Anlaß besteht, sind die vom Verwaltungsgerichtshof gegen die gleichartige Bestimmung des §21 BesatzungsschädenG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken widerlegt.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bundespräsident, Ernennungsrecht (des Bundespräsidenten), Entschädigung, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G18.1992

Dokumentnummer

JFT_10079376_92G00018_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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