TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/25 94/02/0103

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Veröffentlicht am 25.11.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §67c Abs2 Z1;
AVG §67c Abs2 Z6;
AVG §67c Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §51 Abs1;
FrG 1993 §52 Abs2;
FrG 1993 §52;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Februar 1994, Zl. UVS-01/11/00042/94, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. September 1993 (zugestellt am 22. September 1993) wurde gegen die mitbeteiligte Partei (mP), einen ägyptischen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren mit der Begründung erlassen, er halte sich seit Anfang 1990 im Bundesgebiet auf und sei seither des öfteren wegen Übertretungen nach dem KFG und der StVO sowie wegen des Vergehens nach § 231 Abs. 1 StGB rechtskräftig bestraft worden.

Am 26. Jänner 1994 (eingelangt am 27. Jänner 1994) stellte die mP bei der Bundespolizeidirektion Wien den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.

Am 8. Februar 1994 wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien gegen die mP gemäß § 41 Abs. 1 des Fremdengesetzes die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet; die mP wurde noch am selben Tag um 17.45 Uhr in Schubhaft genommen.

Mit Schriftsatz vom 14. Februar 1994 (eingelangt bei der Bundespolizeidirektion Wien am 15. Februar 1994) stellte die mP den Antrag auf Aufhebung der Schubhaft und erhob eine Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft. Dabei wurde ausgeführt, daß der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 25. November 1993 den Bescheid, mit dem der Wiedereinreisesichtvermerk für ungültig erklärt worden sei, wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben habe. Aufgrund dieses Erkenntnisses habe die mP einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes eingebracht, wobei darauf zu verweisen sei, daß dem Aufenthaltsverbotsbescheid die gleichen Tatsachen zugrunde gelegt worden seien, die auch im vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid von der Behörde zugrunde gelegt worden seien, sodaß davon auszugehen sei, daß auch der Aufenthaltsverbotsbescheid aufzuheben sein werde. Die nunmehr verhängte Schubhaft sei zweifellos unzulässig, die mP stelle daher den Antrag auf Aufhebung der Schubhaft, gegebenenfalls (für den Fall der Nichtstattgebung dieses Antrages) stelle sie den Antrag auf Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1994 gab die belangte Behörde gemäß § 67c Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 52 Abs. 1, 2 und 4 Fremdengesetz der Beschwerde statt und erklärte die Schubhaft für rechtswidrig. Sie ordnete ferner an, daß die mP unverzüglich freizulassen sei.

Nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes und Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung im wesentlichen aus, der unabhängige Verwaltungssenat habe die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht nur etwa qualifiziertes rechtswidriges behördliches Handeln festzustellen und aufzugreifen, sodaß auch die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes als Grundlage für die Inschubhaftnahme zu prüfen sei. Nur das Vorliegen mehrerer gerichtlicher Verurteilungen könne als "triftige Gründe", als Verstoß gegen zwingende Interessen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Ruhe angesehen werden und so ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen. Auch die Erläuterungen zum Fremdengesetz brächten zum Ausdruck, daß "bestimmte Tatsachen" im Sinne des § 18 FrG überwiegend Verstöße gegen die Schwarzarbeit bedeuteten. Die belangte Behörde vermöge demnach der Begründung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien nicht zu folgen, als die dort angeführten Übertretungen nach dem KFG und der StVO als schwerwiegende Verwaltungsübertretungen qualifiziert würden, welche als "bestimmte Gründe" die Annahme rechtfertigten, die mP verstoße fortgesetzt gegen zwingende Interessen der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung. Da sich der Schubhaftbescheid ausschließlich auf dieses bestehende Aufenthaltsverbot stütze, sei er schon deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 53 Fremdengesetz gestützte, Beschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete keine Gegenschrift und verwies lediglich auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht Verfahrensvorschriften dadurch verletzt, daß die mP in ihrer Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft den angefochtenen Verwaltungsakt nicht ausdrücklich bezeichnet und lediglich ohne nähere Ausführungen darauf verwiesen habe, daß über sie die Schubhaft verhängt worden sei. Auch der für die Schubhaftverhängung maßgebliche Sachverhalt gehe aus der Beschwerde nicht hervor, vielmehr werde ausschließlich darauf verwiesen, daß das Aufenthaltsverbot aufzuheben sein werde. Ferner fehlten das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, ebenso wie Angaben zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinbringung.

Dem ist zu entgegnen, daß der Mangel der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes nur dann entscheidungswesentlich sein kann, wenn infolge dieses Mangels die Behörde nicht erkennen kann, gegen welchen Verwaltungsakt sich das Rechtsmittel wendet. Daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben wären, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Auch bei der Beurteilung einer begründeten Anfechtungserklärung kommt es nicht auf eine formell und inhaltlich vollendete Darstellung der Beschwerde an, wohl aber muß mit Sicherheit zu erkennen sein, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. War daher der Beschwerde der mP zu entnehmen, daß sie die Aufhebung der gegen sie verhängten Schubhaft anstrebte, so genügt dieses Vorbringen den dargestellten Anforderungen. Ebenso verhält es sich mit den vom Beschwerdeführer vermißten Angaben zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde. Nach der gemäß § 52 Abs. 2 FrG anzuwendenden Bestimmung des § 67c Abs. 2 Z. 6 AVG sind jene Angaben zum Inhalt einer Schubhaftbeschwerde zu machen, die ERFORDERLICH sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist. Wenn daher im vorliegenden Fall die Verhängung der Schubhaft vom 8. Februar 1994 mittels eines Schriftsatzes vom 15. Februar 1994 bekämpft wurde, sind Angaben zur Rechtzeitigkeit dieser Beschwerde im Sinne der dargestellten Rechtslage nicht "erforderlich". Die vom Beschwerdeführer gerügten Mängel des Beschwerdeschriftsatzes liegen daher nicht vor.

Der beschwerdeführende Bundesminister wendet sich aber zu Recht dagegen, daß die belangte Behörde die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes als Grundlage für die Schubhaftverhängung geprüft hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0372, ausgeführt hat, ist die belangte Behörde im Rahmen der Schubhaftbeschwerde nur gehalten zu prüfen, ob das für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eine (mittelbare) Tatbestandswirkung erzeugende (durchsetzbare) Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht ist. Trifft dies zu, so ist sie an das Bestehen desselben gebunden und hat davon auszugehen, ohne Rücksicht darauf, daß (bei einer anderen Behörde) ein Verfahren betreffend einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes anhängig ist. Ebenso wie es nicht Aufgabe der belangten Behörde ist, die Erfolgsaussichten des die Aufhebung des gegen den Schubhäftling erlassenen Aufenthaltsverbotes begehrenden Antrages bzw. der gegen die insoweit negative erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Berufung zu beurteilen und solcherart ihrem Bescheid eine künftige allenfalls günstigere Rechtsposition des Schubhäftlings zugrunde zu legen, ist es ihr verwehrt, das rechtswirksame Aufenthaltsverbot und die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, einer Überprüfung zu unterziehen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage ihre Prüfungsbefugnis überschritten hat, war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994020103.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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