TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/29 90/14/0215

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Veröffentlicht am 29.11.1994
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §16 Abs1;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2;
EStG 1972 §34 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Dkfm. N in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 16. Juli 1990, GZ. 219/3 - 3/88, betreffend die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezieht als Lehrer an einer Bundeshandelsakademie und Handelsschule Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Rahmen eines Lohnsteuerfreibetragsantrages für das Kalenderjahr 1987 machte er Werbungskosten von insgesamt S 59.230,-- für Fortbildung geltend. Diese Kosten waren für die Teilnahme an drei psychologischen Seminaren angefallen. Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, daß diese Aufwendungen Kosten der Lebensführung gemäß § 20 EStG 1972 seien und lehnte die diesbezügliche Gewährung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte ab.

Im anschließenden Rechtsmittelverfahren legte der Beschwerdeführer dar, warum die Seminarbesuche seines Erachtens Werbungskosten (Fortbildungskosten) im Sinne des § 16 EStG 1972 seien und brachte hiezu Belege bei. Insgesamt ergab sich dadurch folgendes:

Die Zielsetzung des ersten Seminars (Einzelsitzungen in den Jahren 1986 und 1987 mit Honorarkosten von insgesamt S 27.720,-- und Fahrtkosten von S 14.918,--) umfaßte die Aneignung von anwendbaren und vermittelbaren Kenntnissen und Erfahrungen aus den Konzepten der Bioenergetischen Analyse. In der Ausschreibung dieses Seminars waren als Zielgruppe u.a. die Angehörigen der sozialen Berufe genannt und die erworbenen Erkenntnisse und Erfahrungen sollten "in die berufliche Praxis und in den persönlichen Alltag der Teilnehmer integrierbar sein und gemeinsam erarbeitet werden". Der Leiter dieses Seminars bestätigte dem Beschwerdeführer zur Vorlage beim Finanzamt schriftlich, daß er im Rahmen seiner Tätigkeit als Veranstalter von Fortbildungskursen für Lehrpersonal seit vielen Jahren auch immer wieder die Möglichkeit von Einzelsitzungen als berufsfeldbegleitende Fortbildung empfohlen habe. Die Beratung/Supervision komme über den Beschwerdeführer hinaus sicherlich den Schülern und den Lehrerkollegen zugute. In anderen Sozialberufen werde diese Art der "Begleitung" als obligatorisch angesehen.

Das zweite Seminar (Honorar S 4.400,--, Fahrt- und Quartierkosten S 2.028,--) betraf eine vom 30. Jänner bis 1. Februar 1987 abgehaltene Fortbildungsveranstaltung über Bioenergetische Analyse.

Das dritte Seminar (vom 3. bis 10. Jänner 1987, Gesamtkosten inkl. Fahrt und Übernachtung S 10.164,--) hatte vor allem zum Gegenstand, die Methoden der Skriptanalyse (basierend auf der Transaktionsanalyse) und die Analyse von Systemen praktisch anzuwenden und theoretisch zu vermitteln.

Zur Berufsbezogenheit der Transaktionsanalyse wies der Beschwerdeführer auch darauf hin, daß diese psychologische Fachrichtung nunmehr ebenfalls Lehramtsstudenten an der Universität angeboten werde. Zur Untermauerung der Wichtigkeit einer psychologischen Ausbildung für Lehrer bezog sich der Beschwerdeführer weiters auf die Fachmeinung eines Vorstandes eines Universitätinstitutes für medizinische Psychologie, der (in einer schriftlichen Stellungnahme) die berufsbegleitende Fortbildung des Beschwerdeführers für seine Berufsausübung u.a. als "unbedingt notwendig" bezeichnete.

Seitens des für den Beschwerdeführer zuständigen Landesschulrates wurde bestätigt, daß gerade die Fachgruppe des Beschwerdeführers, der kaufmännische Fächer unterrichte, im Zuge ihrer ehemaligen Ausbildung zuwenig pädagogische und psychologische Kenntnisse vermittelt bekommen habe. Der Lehrauftrag umfasse nicht nur die Vermittlung von Fachwissen, sondern die gesamte Persönlichkeitsbildung. Eine zunehmende Zahl von Schülern zeige Motivations- und Verhaltensstörungen, die Ausfallsquoten seien daher entsprechend hoch. Die psychologische Lehrerfortbildung sei keineswegs "Privatangelegenheit", sondern es bestehe daran höchstes gesellschaftliches Interesse. In beschränktem Ausmaß werde auch bereits über das Pädagogische Institut in dieser Hinsicht neues Wissen vermittelt. Im Rahmen der Lehrerfortbildung könne der Beschwerdeführer als Referent bei Seminaren den anderen Kollegen sein Wissen weitervermitteln. Seine Privatinitiative werde von Seiten der Schulbehörde sehr positiv gesehen.

In der Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde betonte der Beschwerdeführer neuerlich die Wichtigkeit und Berufsnotwendigkeit der Aneignung entsprechender bioenergetischer- und transaktionsanalytischer Kenntnisse für seine Tätigkeit im Schuldienst. Gerade die Berufsgruppe der Lehrer sei auf gezielte psychologisch-pädagogische Fortbildung angewiesen. Nach dem Schulunterrichtsgesetz bestehe die Verpflichtung, nicht nur Fachleute, sondern mündige Persönlichkeiten mit der Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln, heranzubilden. Die heutige "Schülerpersönlichkeit" sei vielfach durch gesellschaftliche und psychologische Störungen geprägt. Ein entsprechendes Gegensteuern werde von der Öffentlichkeit und vom Arbeitgeber gefordert. Der Beschwerdeführer habe keine "schulfeste" Stelle, sodaß bei dem Rückgang der Schülerzahlen die Gefahr einer Versetzung gegeben sei. Auch eine mögliche Beförderung sei mittlerweile von den entsprechenden Qualifikationen (auch der Menschenführung) abhängig. Er habe stets nur berufsspezifische Kurse besucht. Die Tatsache, daß diese Fortbildung vielleicht noch zu wenige Lehrer absolvierten, beweise nicht, daß diese nicht berufsnotwendig wäre. Der inzwischen verstärkte Ausbau der schulpsychologischen Betreuung eröffne dem Beschwerdeführer auch die Chance, bei zukünftigen Pflichtseminaren für Lehrer über Bioenergetik und Transaktionsanalyse selbst als Referent tätig zu werden. Für die eindeutige und ausschließliche Berufsbezogenheit spreche auch, daß für zwei Seminare vom Dienstgeber jeweils Sonderurlaub bei Fortzahlung des Entgeltes gewährt worden sei (das Seminar mit den Einzelsitzungen habe er absichtlich so angesetzt, daß der Unterrichtsbetrieb nicht beeinträchtigt worden sei). Aufgrund der besuchten Seminare habe er 1989 einen vom Pädagogischen Institut des Bundes abgehaltenen und vom Dienstgeber bezahlten weiteren Kurs über Bioenergetik besuchen können.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Um Fortbildungskosten als Werbungskosten anzuerkennen, müßte es sich um Aufwendungen handeln, die eindeutig und ausschließlich im Zusammenhang mit der Erzielung der jeweiligen Einnahmen stünden. Bei den Seminaren handle es sich um eine allgemeine Unterweisung in psychologische Teilbereiche (Bioenergetik sei eine Therapie der Seele durch Arbeit mit dem Körper und deren Ziel sei, den freien Fluß der Lebenskraft, der vitalen Energie zu erlangen;

Transaktionsanalyse gliedere sich in vier Hauptabschnitte, mit denen zwischenmenschliches Verhalten verstanden werden könne). Von einer für einen Lehrer mit Unterricht in kaufmännischen Fächern absolvierten berufsspezifischen Fortbildung könne dabei nicht gesprochen werden. Nach dem Schreiben des Landesschulrates sei das Erlernen dieser psychologischen Methoden keineswegs im Rahmen der offiziellen Lehrerausbildung bereits gesetzlich normiert und werde deren Aneignung lediglich positiv gesehen. Der Beschwerdeführer stehe in einem unkündbaren Dienstverhältnis zum Bund. Er würde bei seinen Einkünften als Lehrer auch keine Kürzung erfahren, wenn er die psychologischen Seminare nicht besucht hätte. Die durch die psychologischen Fortbildungsseminare erworbenen Kenntnisse mögen dem Beschwerdeführer zwar bei der Ausübung seines Berufes als Pädagoge "sicherlich dienlich" gewesen sein, mit den bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als in kaufmännischen Fächern unterrichtender Lehrer stünden sie jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Sie könnten daher nicht als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1972 anerkannt werden.

Die Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Zur Zustellung des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde ausgeführt, daß dieser im Rahmen der Ersatzzustellung (§ 16 Abs. 1 Zustellgesetz) am 25. Juli 1990 von der Mutter des Beschwerdeführers in Empfang genommen worden sei. Da sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub befunden habe und erst am 25. August 1990 an seinen Wohnort und in seine Wohnung zurückgekehrt sei, gelte die Zustellung gemäß § 16 Abs. 5 Zustellgesetz erst mit 26. August 1990 als bewirkt. Zum Beweis der Ortsabwesenheit stellte der Beschwerdeführer in einer eidesstattlichen Erklärung den Verlauf des Auslandsurlaubes (mit entsprechenden Belegangeboten) im einzelnen dar, wobei diese Angaben auch von seiner Ehegattin eidesstattlich bestätigt wurden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - für den Fall daß die Beschwerde nicht schon wegen Verspätung zurückzuweisen sei - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch das auch glaubhaft bescheinigte Vorbringen des Beschwerdeführers über die vorübergehende Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Vornahme der Ersatzzustellung wurde die Zustellung des angefochtenen Bescheides nach § 16 Abs. 5 Zustellgesetz erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag (somit mit dem 26. August 1990) wirksam. Ausgehend von diesem Zustellungsdatum ist die am 27. September 1990 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde als rechtzeitig eingebracht anzusehen, sodaß eine Zurückweisung der Beschwerde nicht in Betracht kommt.

Während Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Erlangung eines Berufes (Ausbildungskosten) zu den nicht abzugsfähigen Ausgaben im Sinne des § 20 EStG 1972 zählen, bilden Berufsfortbildungskosten Werbungskosten. Berufsfortbildung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um seinen Beruf besser ausüben zu können. Fortbildungskosten dienen dazu, in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Sie sind wegen ihres Zusammenhanges mit der bereits ausgeübten Tätigkeit und den hierauf beruhenden Einnahmen als Werbungskosten abzugsfähig (vgl. Hofstätter/Reichl, Kommentar zur Einkommensteuer, § 16 Abs. 1 EStG 1972, allgemein, Tz 7, Berufsfortbildung; Doralt, EStG2, § 16 Tz 220, Stichwort Fortbildungskosten, und die dortigen Judikaturhinweise). Anders als es im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommt, sind solche Aufwendungen zur beruflichen Fortbildung nicht nur dann Werbungskosten, wenn ohne sie eine konkrete Gefahr für die berufliche Stellung oder das berufliche Fortkommen bestünde oder durch sie ein konkret abschätzbarer Einfluß auf die gegenwärtigen oder künftigen Einkünfte gegeben ist. Dem Wesen einer die BERUFSCHANCEN erhaltenden und verbessernden Berufsfortbildung entsprechend muß es vielmehr genügen, wenn die Aufwendungen an sich - auch ohne zunächst konkret erkennbare Auswirkungen auf die Einkünfte - GEEIGNET SIND, daß der Steuerpflichtige im bereits ausgeübten Beruf auf dem laufenden bleibt und den jeweiligen Anforderungen gerecht wird (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1986, 85/14/0156, vom 22. September 1987, 87/14/0078, und vom 12. April 1994, 91/14/0024). Gerade dies war aber nach den Ausführungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und nach den von ihm beigebrachten, von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Unterlagen Ziel der besuchten psychologischen Seminare. Zu Recht verweist der Beschwerdeführer darauf, daß das Berufsbild des Lehrers über die Aufgabe der reinen Wissensvermittlung hinaus auch persönlichkeitsbildende Komponenten beinhaltet. Um den darin und allgemein im Lehrberuf gelegenen - vom Beschwerdeführer auch hinreichend belegten - gewachsenen Anforderungen zu genügen und auch um einer erfolgreichen Wissensvermittlung gerecht zu werden, sind einschlägige psychologische Kenntnisse unzweifelhaft sinnvoll. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist damit auch die psychologische Fortbildung bei einem in kaufmännischen Fächern unterrichtenden Lehrer berufsspezifisch und damit der unmittelbare ursächliche Zusammenhang mit den Einnahmen gegeben. Darauf ob Fortbildungskosten unvermeidbar sind oder freiwillig auf sich genommen werden, kommt es bei der Beurteilung als Werbungskosten nicht an, wenn die Aufwendungen die berufliche Bedingtheit einwandfrei erkennen lassen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1986, 84/14/0037, vom 26. Juni 1990, 89/14/0106, und vom 22. März 1991, 87/13/0074).

Da die belangte Behörde somit zu Unrecht die im Zusammenhang mit den Fortbildungsseminaren stehenden Ausgaben nicht als Werbungskosten anerkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990140215.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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