TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/14 94/16/0107

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Veröffentlicht am 14.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §28 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell über die Beschwerde der JL in T, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 7. März 1994, Zl. 256/1-9/Mü-1988, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wurde (zusammen mit anderen Grundeigentümern) zum Zwecke der Erweiterung der Flugplatzes H mit dem am 10. November 1977 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. November 1976 betreffend bestimmte Grundstücke enteignet. Sie war zusammen mit ihrem damals noch lebenden Ehegatten HL Miteigentümerin der von der Enteignung betroffenen Grundstücke gewesen.

Am 14./24. Oktober 1977 wurde zwischen den Enteigneten und der Flughafen Betriebsgesellschaft m.b.H. unter Verwendung des Titels "Vorvertrag" eine Vereinbarung geschlossen, die in ihrem Teil IV (Entschädigung für die Grundabtretungen) unter Punkt 4 folgenden Wortlaut hat:

"4.) Ferner verpflichtet sich die Flughafenbetriebsgesellschaft zu bewirken, dass das Land Oberösterreich die in Spalte 6 und 7 der Anlage angeführten Grundflächen den in Spalte 1 genannten Eigentümern ohne weitere Gegenleistung lastenfrei und unverzüglich nach Eintritt der unter Punkt II Ziffer 1 genannten Voraussetzungen in das Eigentum überträgt und ihnen die Beiwirtschaftung und Verfügung über diese Grundflächen spätestens ab 15.11.1977 überlässt."

In den Spalten 6 und 7 der zitierten Anlage sind betreffend die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten folgende Grundstücke aufgelistet:

    "EZ.1407 KG P

            Grst. 621        2170 m2

     EZ.1407 KG P

            Grst. 623         826 m2

     EZ.1407 KG P

            Grst 582/6       5465 m2

     EZ.1407 KG P

            Grst. 624 Teil  23510 m2

     EZ. 285 KG P

            Grst. 368       38180 m2

     EZ.  95 KG N

            Grst. 1683/1 Rest7370 m2

     EZ. 285 KG P

            Grst. 1623      27301 m2"

In der Spalte 8 der Anlage findet sich unter der Überschrift "Ausmaßkorrektur aufgrund des Bonitätsunterschiedes" zugeordnet zum letztgenannten Grundstück der oben wiedergegebenen Aufzählung der Zusatz:

"30220 m2

(gesamte Parzelle, davon 2899 m2 zum Ausgleich des Bonitätsunterschiedes der Grundtücke Nr.621 und 623)"

Mit Schreiben vom 7. November 1977, Zl. Fin-5001/28-Ha-1977, teilte der Landeshauptmann von Oberösterreich dem damaligen Rechtsfreund der Enteigneten folgendes mit:

"Das Land Oberösterreich bestätigt den Empfang des zwischen der Flughafen Betriebsgesellschaft m.b.H. und den im Zusammenhang mit der Verlängerung der Start- und Landebahn des Flughafens H enteigneten Grundeigentümern abgeschlossenen Vorvertrages vom 14.10./24.10.1977 samt Beilage.

Auf Grund des Beschlusses der o.ö. Landesregierung vom 10. 10. 1977 im Zusammenhalte mit der vom O.ö. Landtag in der Sitzung am 3. 11. 1977 erteilten Ermächtigung zur Veräußerung von Grundstücken an die enteigneten Grundeigentümer erteilt hiemit das Land Oberösterreich seine Zustimmung zu diesem Vorvertrag gemäß Abschnitt II Ziffer 1 dieses Vertrages."

Am 7. Jänner 1987 schlossen das Land Oberösterreich einerseits sowie die Beschwerdeführerin und die Verlassenschaft nach dem am 24. August 1984 verstorbenen Gatten der Beschwerdeführerin andererseits ein Übereinkommen, worin u.a. festgelegt wurde, daß der Erwerb durch die Beschwerdeführerin mit 5/8 und durch die Verlassenschaft nach HL mit 3/8 Anteilen erfolgt und deren Punkt II folgenden Wortlaut hat:

"In Erfüllung des im Vertragspunkt I. Z. 4 genannten Vorvertrages hat das Land Oberösterreich an die "Erwerber" am 15.11.1977 mit Nutzen und Vorteilen, Lasten und Abgaben folgende, in den nachträglich erstellten Lageplänen ausgewiesenen Grundflächen übergeben:

1.

Gemäß dem Lageplan des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 17.1.1978, GZ. AX - 20 a /77, aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 1407, KG P.

1.1. das Grundstück 621 Wald im Ausmaß von 2.170 m2

1.2. das Grundstück 623 Wald im Ausmaß von 826 m2

1.3. das Grundstück 582/6 Wiese im Ausmaß von 28.305 m2

2.

Aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 285, KG. P das Grundstück 368 Acker im Ausmaß

von 38.217 m2

3.

Gemäß dem Lageplan des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 9.11.1982, GZ. AX - 28/80, aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 285, KG. P,

das Grundstück 1621 im Ausmaß von 30.463 m2

zusammen daher Grundstücke im Ausmaß von 99.981 m2"

In einem am 27. Jänner/2. Februar 1989 errichteten Nachtrag zum Übereinkommen vom 7. Jänner 1987 nahmen die Vertragsparteien unter anderem die folgende Richtigstellung vor:

"1.

Einvernehmlich stellen die Vertragsparteien fest und berichtigen, daß im bezogenen Übereinkommen vom 7. 1. 1987 das Ausmaß der in Punkt II. aufscheinenden Grundstücke wie folgt beträgt:

Z. 1.2. Grundstück 623 Wald richtig 416 m2 statt irrtümlich 826 m2;

Z. 1.3. Grundstück 582/6 Wiese richtig 28715 m2 statt irrtümlich 28305 m2;

Z. 2 Grundstück 368 Acker richtig 37657 m2 statt

irrtümlich 38217 m2,

Sodaß das Gesamtausmaß der vertragsgegenständlichen Grundstücke am Ende Punkt II. richtig 99421 m2 statt bisher irrtümlich 99981 m2 beträgt."

Das Übereinkommen vom 7. Jänner 1987 wurde dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern am 22. Jänner 1987 mit dem Zusatz "grunderwerbsteuerfrei gemäß § 3 Z. 6 Grunderwerbsteuergesetz 1957 idgF" übermittelt.

Das Finanzamt erließ daraufhin am 10. November 1987 einen Grunderwerbsteuerbescheid, worin es das Übereinkommen vom 7. Jänner 1987 (abhandlungsbehördlich genehmigt mit Beschluß des BG Linz-Land am 12. Jänner 1987) als den steuerbaren Erwerbsvorgang erachtete und die beantragte Steuerbefreiung mit der Begründung nicht gewährte, daß seit der Enteignung ein Zeitraum von mehr als drei Jahren verstrichen sei.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin im wesentlichen mit dem Argument, der Anspruch auf Übereignung der in Rede stehenden Ersatzliegenschaften sei bereits im Wege des "Vorvertrages" vom 24. Oktober 1977 unter Zustimmung durch das Land Oberösterreich vom 7. Jänner 1977, somit innerhalb der 3-Jahres-Frist begründet worden.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, wogegen die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit Berufungsentscheidung vom 7. März 1994, Zl. 255/1-9/Mü-1988, keine Folge. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß der Vertrag vom 14./24. Oktober 1977 ein Vorvertrag i.S. des § 936 ABGB sei. Durch diesen Vertrag sei ein Anspruch auf Übereignung noch nicht begründet worden. Zwischen der Enteignung und dem Übereinkommen vom 7. Jänner 1987, wodurch der Anspruch auf Übereignung erst begründet worden sei, liege ein Zeitraum von mehr als neun Jahren. Die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 3 Z. 6 GrEStG 1955 komme daher nicht zum Tragen.

Nicht gegen diesen Bescheid sondern (durch wiederholte, insgesamt viermalige ausdrückliche Bezeichnung klargestellt) gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 7. März 1994, Zl. 256/1-9/Mü-1988, richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerfreiheit gemäß § 3 Z. 6 GrEStG 1955 verletzt und vertritt die Auffassung, bereits der "Vorvertrag" vom 14./24. Oktober 1977 habe in Verbindung mit der Zustimmung des Landes Oberösterreich den Übereignungsanspruch begründet. Dazu legte die Beschwerdeführerin eine Ausfertigung des Bescheides der belangten Behörde vom 7. März 1994

Z. 255/1-9/Mü-1988 vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der hg. Judikatur ist Gegenstand einer Bescheidbeschwerde nur derjenige Bescheid, der in der Prozeßerklärung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 VwGG ausdrücklich als angefochten bezeichnet wird. Ein anderer Bescheid ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1987, Zl. 86/03/0203). Auch wenn der Beschwerde ein anderer als der in ihr ausdrücklich und damit zweifelsfrei bezeichnete Bescheid beigeschlossen wird, gilt für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nur der in der Beschwerdeschrift zitierte Bescheid als angefochten (vgl. den hg. Beschluß vom 18. November 1983, Zl. 83/04/0270, 0309). Entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen der Partei darf der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Bescheides keine anderde Deutung gegeben werden als diejenige, die aus dem Wortlaut der Erklärung unmittelbar hervorgeht (vgl. die hg. Beschlüsse vom 22. Februar 1991, Zl. 90/17/0181 und vom 20. Jänner 1989, Zl. 88/17/0183).

Daraus folgt für den Beschwerdefall, daß die Beschwerdeführerin, die ausdrücklich den Bescheid der belangten Behörde vom 7. März 1994, Zl. 256/1-9/Mü-1988, bekämpft, durch diesen Bescheid, der sich gar nicht an sie, sondern an eine damals nicht mehr existente Erbengemeinschaft gerichtet hatte (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 27. Juni 1994, Zl. 94/16/0106), in ihren Rechten nicht verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen, wobei die Entscheidung mit Rücksicht auf die durch die oben referierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Vollständigkeit halber sei aber noch darauf hingewiesen, daß die Beschwerde auch dann, wenn die Beschwerdeführerin den ihr gegenüber erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. März 1994, Zl. 255/1-9/Mü-1988, zum Gegenstand ihrer Anfechtung gemacht hätte, aus folgenden Gründen ohne Erfolg geblieben wäre:

Zunächst ist zwar festzuhalten, daß die belangte Behörde die Vereinbarung vom 14./24. Oktober 1977 zu Unrecht als Vorvertrag i.S. des § 936 ABGB angesehen hat. Die rechtliche Qualifikation eines Vertrages hängt nämlich nicht von der Bezeichnung ab, die die Parteien gewählt haben, sondern vom Inhalt der Vereinbarung, auf den die Parteiabsicht gerichtet war (vgl. z.B. OGH HS 12906, 12908 und 12909 uva.). Ungeachtet ihres von den Vertragsparteien gewählten Titels "Vorvertrag" ist die Vereinbarung vom 14./24. Oktober 1977 als Fall einer sogenannten Verwendungszusage gemäß § 880a ABGB zu qualifizieren, die in Verbindung mit der Zustimmungserklärung des Landes Oberösterreich, zu deren Lasten die Vereinbarung zunächst getroffen wurde, bereits einen Anspruch der Beschwerdeführerin (und ihres damals noch lebenden Ehegatten) auf Übereignung der in den Spalten 6 und 7 der Anlage der Vereinbarung aufgelisteten Grundstücke begründet hat. In Ermangelung einer in den zitierten Urkunden näher bezeichneten Miteigentumsquote ist diesbezüglich in ergänzender Vertragsauslegung davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin und ihr Gatte je zur Hälfte Miteigentum an den Ersatzgrundstücken erhalten hätten. Die zitierte Vereinbarung, die als Musterbeispiel für den von Reischauer (in Rummel, ABGB I2 Rz 1 Abs. 4 zu § 936 ABGB) geschildeten Fall einer verunglückten Formulierung anzusehen ist, beinhaltet nämlich im Zusammenhang mit der Zustimmung des Landes Oberösterreich unzweifelhaft bereits die Begründung einer unmittelbaren Leistungspflicht des Landes in Gestalt der Eigentumsüberlassung betreffend die in den Spalten 6 und 7 der Anlage bezeichneten Grundstücke an die Beschwerdeführerin und ihren damals noch lebenden Gatten. Keineswegs kann die zitierte Vereinbarung nur als eine für das Wesen eines Vorvertrages gemäß § 936 ABGB maßgebliche Übereinkunft, künftig einen Vertrag abschließen zu wollen, angesehen werden.

Da sowohl die zitierte Vereinbarung vom

14./24. Oktober 1977 als auch die für die Begründung des Übereignungsanspruches zusätzlich erforderliche Zustimmung des Landes Oberösterreich vom 7. November 1977 innerhalb der 3-Jahres-Frist des § 3 Z. 6 GrEStG 1955 errichtet wurden, wäre für einen dadurch bewirkten Erwerbsvorgang Steuerfreiheit nach der zitierten Gesetzesstelle gegeben gewesen.

Das Finanzamt hat jedoch mit dem von der belangten Behörde bestätigten Bescheid nicht diesen Erwerbsvorgang, sondern das Übereinkommen vom 7./12. Jänner 1987 als den steuerbaren Rechtsvorgang angesehen. Mit Rücksicht darauf, daß dieses Übereinkommen für die Beschwerdeführerin eine dem Vertrag vom 14./24. Oktober 1977 auch auslegungsweise nicht entnehmbare Miteigentumsquote von 5/8 vorsieht und sich in Verbindung mit dem Nachtrag vom 27. Jänner/2. Februar 1989 abgesehen vom Grundstück Nr. 621 EZ 1407 KG P mit einem Flächenausmaß von 2170 m2 auf Grundstücke bezieht, die entweder in den Spalten 6 und 7 der Anlage zum Vertrag vom 14./24. Oktober 1977 gar nicht oder mit ganz anderen Flächenausmaßen spezifiziert sind, kann daher von vornherein keine Rede davon sein, daß für den Eigentumserwerb an den in der Urkunde vom 7./12. Jänner 1987 genannten Grundstücken schon die Vereinbarung vom

14./24. Oktober 1977 (in Verbindung mit der Zustimmungserklärung des Landes Oberösterreich vom 7. November 1977) der anspruchsbegründende Rechtsvorgang war.

Aus diesem Grund hätte auch eine Prüfung des unangefochten gebliebenen Bescheides der belangten Behörde vom 7. März 1994, Zl. 255/1-9/Mü-199, ergeben, daß die belangte Behörde damit frei von Rechtswidrigkeit in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides die Auffassung vertreten hat, daß zwischen der Enteignung und dem maßgeblichen Erwerbsvorgang mehr als drei Jahre verstrichen sind.

Der Anspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994160107.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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