TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/14 94/03/0067

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Veröffentlicht am 14.12.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BetriebsO 1986 §32 Abs1 Z3;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch DDr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Jänner 1994, Zl. MA 63 - B 738/93, betreffend Ausstellung eines Taxilenkerausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Juni 1992, Zl. MA 63 - B 256/92, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Jänner 1992 auf Ausstellung eines Taxiausweises gemäß § 32 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 1986, BGBl. Nr. 163/1986 (BO 1986), abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 32 Abs. 1 Z. 3 BO 1986 sei es erforderlich, daß der Bewerber um einen Taxilenkerausweis vertrauenswürdig sei, wobei die Vertrauenswürdigkeit zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein müsse. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 1990, Zl. 4b E Vr 11570/89, Hv 6930/89, sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, das Verbrechen des Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 1 StGB begangen zu haben, weil er am 20. April 1989 sowie am 1., 2. und 5. Mai 1989 jeweils in einen Lagerplatz der Firma Löwa eingestiegen sei und Leergutkisten mit Leerflaschen zwecks unrechtmäßiger Bereicherung an sich gebracht habe. Der Beschwerdeführer habe insgesamt 108 Leergutkisten und 1296 Leerflaschen erbeutet und habe die strafbaren Handlungen jeweils zusammen mit Mittätern verübt. Es lägen somit gut vorbereitete, vorsätzliche und mehrmals wiederholte strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen vor. Die Vertrauenswürdigkeit sei daher nicht gegeben, wenn auch das Strafgericht über den Beschwerdeführer lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe im Ausmaß von zweieinhalb Monaten (Probezeit drei Jahre) verhängt habe. Die strafbaren Handlungen ließen nämlich erkennen, daß der Beschwerdeführer fremdes Eigentum nicht respektiere.

Mit dem an die Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) gerichteten Antrag vom 23. September 1993 begehrte der Beschwerdeführer neuerlich die Ausstellung eines Taxilenkerausweises und führte aus, er habe am 18. Jänner 1993 die Taxilenkerprüfung bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien mit Erfolg abgelegt und es läge nunmehr eine Strafregisterauskunft - diese weise keine Verurteilung auf - vor.

Mit Bescheid vom 23. November 1993 wies die Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. September 1993 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Jänner 1992 sei im Instanzenzug durch den Bescheid des "Amtes der Wiener Landesregierung" vom 3. Juni 1992 aufgrund der gerichtlichen Verurteilung vom 10. April 1990 abgewiesen worden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde eingewendet, es sei gegenüber dem bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahren eine wesentliche Änderung eingetreten. Einerseits habe der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Antragstellung noch keine Taxilenkerprüfung gehabt, habe diese aber nunmehr bestanden. Andererseits scheine im Strafregister der Bundespolizeidirektion Wien keine Verurteilung mehr auf, die bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe sei bereits endgültig nachgesehen worden. Seit der Verurteilung seien bereits drei und ein Viertel Jahre verstrichen, während der sich der Beschwerdeführer wohlverhalten habe. Es hätten sich sohin seit der seinerzeitigen Entscheidung vor eineinhalb Jahren Neuerungen ergeben, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müßten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, änderte aber den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß das Ansuchen um Ausstellung eines Taxilenkerausweises gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr - BO 1994 abgewiesen wurde. In der Bescheidbegründung führt die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Jänner 1992 sei im Instanzenzug durch den Bescheid vom 3. Juni 1992 erledigt worden. Der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers sei am 23. September 1993 gestellt worden und könne aufgrund des mittlerweile verstrichenen Zeitraumes von 15 Monaten nicht mehr dieselbe Sache darstellen. Dies insbesondere deshalb, weil dem Zeitraum zwischen Verurteilung und Antragstellung bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne der BO 1994 besondere Bedeutung zukomme. Aufgrund des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 1990 stehe fest, daß der Beschwerdeführer am 20. April 1989 sowie am 1., 2. und 5. Mai 1989 jeweils in einen Lagerplatz eingestiegen sei und Leergutkisten mit Leerflaschen zwecks unrechtmäßiger Bereicherung an sich gebracht habe. Wegen dieser Straftat, die noch nicht einmal fünf Jahre zurückliege, erfülle der Beschwerdeführer das Kriterium der Vertrauenswürdigkeit mindestens in den letzten fünf Jahren vor Ausstellung des Taxilenkerausweises nicht. Aufgrund des ausdrücklichen Gesetzesbefehles des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 könne daher der Berufung keine Folge gegeben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im gegenständlichen Fall hat die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. September 1993 durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid (Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG) erledigt. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, ist es der Berufungsbehörde versagt, meritorisch zu entscheiden (vgl. die bei Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 538, zitierte hg. Judikatur).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob der (neuerliche) Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Taxilenkerausweises vom 23. September 1993 dieselbe Sache betrifft wie der Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1992, MA 63 - B 256/92. Dabei wird die "Sache" durch den angenommenen Sachverhalt in Relation zur angewandten Rechtsvorschrift bestimmt. Wenn es sich um einen anderen Sachverhalt, insbesondere auch um einen später entstandenen Sachverhalt handelt, oder wenn derselbe Sachverhalt einer anderen Rechtsvorschrift unterstellt wird, insbesondere einer später erlassenen Rechtsvorschrift, liegt nicht mehr dieselbe Verwaltungssache vor.

Ein anderer Sachverhalt liegt nur vor, wenn dieser von der erledigten Sache in wesentlichen Punkten abweicht (vgl. hg. Erkenntnisse vom 12. März 1990, 90/19/0072, und vom 18. März 1974, Slg. Nr. 8577/A). War ein bestimmter Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen der Vertrauenswürdigkeit zu beurteilen, so ist nur eine solche Änderung der Sachlage relevant, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die in der vorangegangenen Entscheidung als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung des Vorliegens der Vertrauenswürdigkeit nicht von vorneherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. hg. Erkenntnisse vom 19. März 1970, Slg. Nr. 7762/A, und vom 14. Juni 1971, Slg. Nr. 8035/A).

Da der Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1992 darauf abstellte, daß innerhalb des Zeitraumes von fünf Jahren vor der (beantragten) Ausstellung des Taxilenkerausweises die Vertrauenswürdigkeit aufgrund der vom Beschwerdeführer am 20. April sowie am 1., 2. und 5. Mai 1989 gesetzten strafbaren Handlungen, nicht gegeben sei, war mit dem angefochtenen Bescheid über dieselbe Sache abzusprechen, weil keine relevante Änderung der Sachlage eingetreten war, zumal nach wie vor die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers innerhalb des Zeitraumes von fünf Jahren vor Bescheiderlassung lagen. Daran ändert nichts, daß allenfalls eine andere Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises (nämlich die Taxilenkerprüfung) erst nach Erlassung des Bescheides vom 3. Juni 1992 erfüllt wurde.

Eine Änderung der maßgebenden Rechtslage, die es der Behörde verwehren würde, das neue Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, liegt dann vor, wenn sich nach Abweisung des ersten Ansuchens die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die Entscheidung gewesen sind, so geändert haben, daß sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anders lautende Entscheidung ermöglicht hätten, wobei der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung dieser Frage auf die Rechtslage im Zeitpunkt des letztinstanzlichen Zurückweisungsbescheides abzustellen hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, 88/09/0115).

§ 32 Abs. 1 Z. 3 BO 1986 normierte als Voraussetzung für die Erlangung eines Taxilenkerausweises die Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers; diese muß zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein. Die genannte Bestimmung stimmt wörtlich mit § 6 Abs. 1 Z. 3 der BO 1994 überein.

Mit Beginn des 1. Jänner 1994 trat die BO 1994 in Kraft und die BO 1986 außer Kraft (vgl. §§ 26 und 27 BO 1994). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat somit die belangte Behörde zu Recht die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehende BO 1994 angewendet.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1992 wurde die Ausstellung eines Taxilenkerausweises verweigert, weil aufgrund der strafbaren Handlungen, deren der Beschwerdeführer im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 1990 für schuldig erkannt wurde, das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit (zumindest) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Ausstellung des Ausweises nicht erfüllt sei.

Die maßgebliche Rechtslage für den angefochtenen Bescheid ergibt sich aus der BO 1994. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises u. a. daß der Bewerber vertrauenswürdig ist, wobei die Vertrauenswürdigkeit zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein muß. Da diese Voraussetzung mit jener des § 32 Abs. 1 Z. 3 BO 1986, welche tragend für die mit Bescheid vom 3. Juni 1992 erfolgte Abweisung des Antrages vom 16. Jänner 1992 gewesen ist, übereinstimmt, liegt eine Änderung der maßgebenden Rechtslage nicht vor.

Da somit der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. September 1993 dieselbe Verwaltungssache betrifft wie der rechtskräftige Abweisungsbescheid vom 3. Juni 1992, wäre er von der belangten Behörde im Instanzenzug gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers zwar abgewiesen anstatt wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, dadurch wurde der Beschwerdeführer aber, weil er keinen Anspruch auf Sachentscheidung hinsichtlich des Antrages vom 23. September 1993 hatte, nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. März 1980, 1042/78).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, aus den ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen hätte die belangte Behörde nicht auf den Mangel an Vertrauenswürdigkeit schließen dürfen, und weiters die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, weil ihm im Verwaltungsverfahren nicht die Möglichkeit gewährt worden sei, dieses Vorbringen zu erstatten, ist darauf zu verweisen, daß die Rechtskraft des Bescheides vom 3. Juni 1992 unabhängig von dessen inhaltlicher Richtigkeit einer Sachentscheidung über den Antrag vom 23. September 1993 entgegenstand. Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Verfahrensverletzung kann daher schon deshalb nicht vorliegen, weil im gegenständlichen Verfahren über die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers nicht abzusprechen war.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONZurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994030067.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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