Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1993, Zl. 4.329.972/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1993 wurde in Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 8. Jänner 1992 ausgesprochen, daß Österreich der beschwerdeführenden Partei - einem Staatsangehörigen der "früheren SFRJ", der am 2. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 4. Oktober 1991 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Partei, ohne sich mit ihrer Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei der beschwerdeführenden Partei der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der beschwerdeführenden Partei bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 8. Oktober 1991, daß diese sich vor ihrer Einreise nach Österreich in Slowenien aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Die beschwerdeführende Partei macht in diesem Zusammenhang insbesondere geltend, daß zum Zeitpunkt ihrer Flucht durch Slowenien für sie eine "Verfolgungssicherheit im Sinne des Asylgesetzes" dort nicht bestanden habe, Slowenien selbst erst gerade auf dem Weg gewesen sei, seine Unabhängigkeit zu erklären, insbesondere zwischen Kroatien, das im Kriegszustand gewesen sei, und Slowenien noch keinerlei Grenzen, "die für Drittstaatenangehörige objektiv erkennbar gemacht hätten, daß es sich bei Slowenien bereits um ein eigenes Staatsgebiet handeln würde", gehabt habe.
Soweit die beschwerdeführende Partei behauptet, Slowenien wäre im Zeitpunkt ihres Aufenthaltes erst auf dem Weg gewesen, seine Unabhängigkeit zu erklären, wird auf das hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0264, verwiesen, wonach es auf die Anerkennung dieses Staates durch Österreich ankommt, da es sich ansonsten nicht um einen "anderen Staat" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 handeln würde. Daß sich die belangte Behörde mit dieser Problematik in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinandergesetzt hat, ohne daß daraus hervorgeht, ob dies allenfalls auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruht, stellt bereits für sich allein einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. das vorgenannte hg. Erkenntnis vom 16. November 1994).
Würde ferner die weitere Behauptunge der beschwerdeführenden Partei zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nichts dafür spreche, daß Slowenien die sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige, und somit die beschwerdeführende Partei "daselbst Verfolgungssicherheit" erlangt habe, dies jeweils bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt des Aufenthaltes der beschwerdeführenden Partei in diesem Land (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1522).
Die beschwerdeführende Partei hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihr im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit hat die beschwerdeführende Partei aber die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.
Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010384.X00Im RIS seit
20.11.2000