TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/06/0153

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;

Norm

BauRallg;
RPG Vlbg 1973 §2 Abs2 litc;
RPG Vlbg 1973 §2;
RPG Vlbg 1973 §30;
RPG Vlbg 1973 §34 Abs2 lita;
RPG Vlbg 1973 §34 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Gemeinde L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 8. Juni 1994, Zl. I-5/3/Le/94, betreffend Grundstücksteilung (mitbeteiligte Parteien: 1. "Hotel P" Rudolf und Karin S-Gesellschaft m. b.H. & Co., 2. Rudolf S und 3. Karin S-D, alle in L, alle vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien beantragten mit Schriftsätzen vom

18. und 19. November 1992 bei der beschwerdeführenden Gemeinde die Bewilligung zur Abtrennung einer ca. 900 m2 großen Teilfläche von Grundfläche Nr. 101/4, KG L, und der "Hinzuschreibung" zu Grundstück Nr. 101/1, KG L. Mit Eventualantrag vom 17. Februar 1993 begehrten die Mitbeteiligten für den Fall, daß es sich bei der bestehenden Tiefgarage auf Grundstück Nr. 101/4 nach Beurteilung der beschwerdeführenden Gemeinde um kein unterirdisches Gebäude handle, die neue Grundgrenze im Abstand von 3 m von der westlichen Außenmauer der Tiefgarage gemäß einer vorgelegten Planskizze festzulegen.

Mit Bescheid vom 17. März 1993 hat der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde die Anträge abgewiesen und der begehrten Grundstücksteilung gemäß § 34 Abs. 2 lit. a und d des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes 1973 die Bewilligung versagt. Der dagegen eingebrachten Berufung der Mitbeteiligten hat die Gemeindevertretung keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß die Gemeindevertretung eine Verordnung über die Festlegung des Maßes der baulichen Nutzung erlassen habe, um die Einhaltung der wesentlichen von der Gemeinde angestrebten Raumplanungsziele zu verwirklichen, wobei insbesondere die Erhaltung und Entwicklung der Fremdenverkehrsgemeinde L als Erholungs- und Fremdenverkehrsgebiet im Vordergrund stünde. Im Bereich des Hotels "P" sei die Baunutzungszahl von 50 fixiert worden. Die momentane Baunutzungszahl auf dem Grundstück Nr. 101/4 (auf dem sich das Hotel befindet) betrage 85, durch die Abtrennung einer Fläche von ca. 900 m2 würde sich diese Baunutzungszahl auf 115, durch die Abtrennung einer Fläche von 810 m2 (Eventualantrag) auf 111 erhöhen. Die Genehmigung einer Grundstücksteilung, die zu einer solch drastischen Überschreitung der Baunutzungszahlen führen würde, wäre ein eindeutiger Verstoß gegen die Ziele des Raumplanungsgesetzes und auch jene der Baunutzungsverordnung selbst.

Aufgrund der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Gemeindevertretung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid den Bescheid der Gemeindevertretung aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung zurückverwiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, § 34 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes LGBl. Nr.15/1973 i.d.F.

LGBl. Nr. 27/1993 (RPG), nenne in seiner lit. a als Versagungsgrund den Widerspruch zum Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan, führe aber nicht die Verordnung gemäß § 30 des Raumplanungsgesetzes über die Festlegung des Maßes der baulichen Nutzung an. Aus der Formulierung des § 30 Abs. 1 RPG ergebe sich unzweifelhaft, daß eine Verordnung im Sinne des § 30 nicht unter den Begriff des Bebauungsplanes subsumiert werden könne und sohin für sich allein einer Grundteilungsbewilligung nicht entgegenstehen könne. Es lägen auch keine Gründe vor, die eine Analogie rechtfertigen könnten. Es sei auch abzulehnen, eine durch die Grundteilung bewirkte Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung über die Argumentation des Widerspruches zu den im § 31 Abs. 3 RPG angeführten Interessen des Fremdenverkehrs als Versagungstatbestand des § 34 Abs. 2 lit. d zu qualifizieren, zumal eine Erhöhung der Baunutzungszahl keinen den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustand des Gebäudes darstelle. Die beantragte Grundstücksteilung widerspreche auch nicht den im § 2 RPG genannten Zielen. Die beantragte Grundstücksteilung könne auch allein aufgrund des Umstandes, daß die bereits überschrittene Baunutzung auf Grundstück Nr. 101/4 durch den neuen Grenzverlauf erhöht werde, denkmöglich keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die Mitbeteiligten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973, i.d.F.

LGBl. Nr. 27/1993 (RPG) lautet wie folgt:

"Bewilligung

(1) Grundstücke dürfen nur mit Bewilligung des Gemeindevorstandes geteilt werden.

(2) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn die Teilung

a)

dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder den im § 2 genannten Zielen nicht entspricht,

b)

die Schaffung von nach Form und Größe zweckmäßig gestalteten Baugrundstücken verhindert oder wesentliche erschwert,

c)

das Grundstück ohne triftigen wirtschaftlichen Grund zerstückelt,

d)

für bestehende Gebäude einen den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustand herbeiführt,

e)

zur Folge hat, daß die entstehenden Grundstücksteile nicht mehr ordentlich genutzt werden können.

(3) Falls keine Versagungsgründe gemäß Abs. 2 vorliegen, ist die Bewilligung zu erteilen.

(4) Teilungen von Grundstücken, die von der Vermessungsbehörde nach den §§ 13 oder 16 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930, in der Fassung BGBl. Nr. 166/1961, beurkundet werden sowie Teilungen im Zuge eines Agrarverfahrens bedürfen keiner Bewilligung."

Nach § 26 Abs. 3 lit. b RPG ist durch den Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung (§ 30) festzulegen. § 30 RPG normiert, daß die Gemeindevertretung auch ohne daß ein Bebauungsplan erlassen wird, durch Verordnung für das ganze Gemeindegebiet oder für Teile desselben das Maß der baulichen Nutzung festlegen kann.

Die beschwerdeführende Gemeinde hat bisher für das gegenständliche Gebiet keinen Bebauungsplan erlassen; sie hat aber mit Verordnung der Gemeindevertretung vom 19. März 1992 die Baunutzungszahl sowie die Höchstgeschoßzahl festgelegt. Demnach wurde für die Zonen I bis V Baunutzungszahlen von 85 bis 40 festgelegt. Mit einer weiteren Verordnung der Gemeindevertretung vom 25. Mai 1993 wurde für die Zonen I und II die Baunutzungszahl 75 und für die Zonen III und IV die Baunutzungszahl 50 festgelegt. Die Höchstgeschoßzahl wurde für die Zone I mit 4,5, die Zone II mit 4, die Zone III mit 3,5 und die Zone IV mit 3 festgelegt. Für die antragsgegenständlichen Grundstücke beträgt die Baunutzungszahl 50.

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, daß im § 34 Abs. 2 RPG, insbesondere in dessen lit. a der Widerspruch zum Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan genannt ist, nicht aber der Widerspruch zu einer Verordnung gemäß § 30 RPG. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Ansicht der belangten Behörde, wonach das Bestehen einer Rechtslücke in bezug auf die Anführung von Verordnungen gemäß § 30 RPG nicht anzunehmen ist, sodaß nicht in Analogie der Aufzählung des § 34 Abs. 2 lit. a die Festsetzung der Baunutzungszahl durch Verordnung gemäß § 30 RPG in Betracht kommt. Der Vorarlberger Landesgesetzgeber hat die Erlassung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen mit der Verpflichtung verknüpft, die entsprechenden Entwürfe während zweier Monate im Gemeindeamt zur allgemeinen Aufsicht aufzulegen (§ 19 RPG), der beschlossene Flächenwidmungsplan ist von der Landesregierung zu genehmigen (§ 19 Abs. 5 RPG), und er darf nur aus wichtigen Gründen geändert werden (§ 21 Abs. 1 RPG). Für die Erlassung und Abänderung von Bebauungsplänen gelten dieselben Grundsätze (§ 27 und 29 RPG). Gemäß § 20 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 RPG sind Bescheide, die dem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan widersprechen, mit Nichtigkeit bedroht.

Nun ist für die Erlassung einer Verordnung gemäß § 30 RPG, mit der die Gemeindevertretung, ohne daß ein Bebauungsplan erlassen wurde, für das ganze Gemeindegebiet oder für Teile desselben das Maß der baulichen Nutzung festlegen kann, weder eine Auflage in der Gemeinde noch eine Genehmigungspflicht der Landesregierung festgelegt, die Änderung einer Verordnung gemäß § 30 RPG ist ohne weiteres zulässig, ein Widerspruch zu einer Verordnung gemäß § 30 RPG ist nicht mit Nichtigkeit bedroht. Aus all diesen Umständen ist zu schließen, daß der Landesgesetzgeber bewußt eine Verordnung gemäß § 30 RPG in rechtlicher Hinsicht nicht mit einer Verordnung, mit der ein Flächenwidmungs- oder ein Bebauungsplan erlassen wurde, gleichgestellt hat. Wenn nun der Landesgesetzgeber im § 34 Abs. 2 lit. a zwar den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan genannt hat, nicht aber eine Verordnung gemäß § 30 RPG, so ist das Bestehen einer Rechtslücke, von der im Zweifel nicht auszugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 1978, Slg. 9.677/A), auch hier nicht anzunehmen.

Hingegen ist der beschwerdeführenden Gemeinde beizupflichten, wenn sie darauf hinweist, daß durch die beantragte Grundstücksteilung teilweise den im § 2 RPG normierten Raumplanungszielen der Gemeinden widersprochen würde. Die Verordnung, mit der die Baunutzungszahl festgesetzt wurde, solle der Verwirklichung des Raumplanungszieles durch Schaffung der räumlichen Voraussetzungen für gesunde Lebensinsbesondere Wohn-, Arbeits- und Freizeitbedingungen im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. c RPG dienen, da die Gemeinde bestrebt sei im Sinne der Gewährleistung einer gesunden Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie der Sicherung des Fremdenverkehrs eine übergebührliche Ausnutzung der vorhandenen Bauflächen zu verhindern und durch Festsetzung von Baunutzungszahlen, gestaffelt in Randgebiete (50 %), in zentral gelegene Gebiete (75 %) eine Steuerung der Ausnützung von Grundflächen zu gewährleisten.

Nun steht unbestritten fest, daß das Grundstück Nr. 101/4 eine Fläche von 3.450 m2 aufweist und die Gesamtgeschoßfläche des Hotels, das auf diesem Grundstück errichtet ist, 2.934 m2 beträgt, was einer Baunutzungszahl von 85 entspricht. Durch die Abtrennung von 900 m2 bzw. 810 m2 würde dem Grundstück Nr. 101/4 eine Restfläche von 2.550 bzw. 2.640 m2 verbleiben, wodurch sich die Baunutzung zwangsläufig erhöhen würde. Durch die Zuschreibung zum Grundstück Nr. 101/1 würde sich in der Folge für dieses Grundstück, ausgehend von der sodann um 900 bzw. 810 m2 vergrößerten Fläche die Möglichkeit der Errichtung eines größeren Baukörpers ergeben (was auch das in der Gegenschrift erklärte Ziel der mitbeteiligten Parteien ist). Die Abschreibung eines Grundstücksteiles von einem Grundstück, das bereits jetzt zwar rechtmäßig, weil die Baubewilligung zu einem Zeitpunkt erteilt wurde, zu dem eine Begrenzung der Baunutzungszahl noch nicht durch Verordnung festgesetzt war, bebaut wurde, würde somit dem von der Gemeinde angestrebten Raumplanungsziel, durch Erhaltung von Freiräumen die Lebensbedingungen nicht zu verschlechtern, zuwiderlaufen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der Gemeinde war abzuweisen, da in der genannten Verordnung kein Streitgenossenzuschlag vorgesehen ist und die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist; diese Befreiung erstreckt sich auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 1969, Slg. Nr. 7554/A, uva.).

Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060153.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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