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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Februar 1994, Zl. 4.339.730/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Liberias; er reiste am 26. Juli 1992 in das Bundesgebiet ein und stellte am 10. August 1992 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Mit Bescheid vom 25. August 1992 wies das Bundesasylamt diesen Antrag ab.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 1. Februar 1994 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Gerichtshof vermag die Bedenken des Beschwerdeführers betreffend die Zurechnung des bekämpften Bescheides nicht zu teilen, ergibt sich doch aus dem Hinweis im Kopf der Bescheidausfertigung "Bundesministerium für Inneres" zusammen mit der Fertigung "für den Bundesminister" mit hinreichender Deutlichkeit, daß keine unzuständige Behörde eingeschritten ist.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 24. August 1992 vor dem Bundesasylamt aus, wonach er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Togo aufgehalten habe und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle.
Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, daß er in Togo keine Verfolgungssicherheit erlangt habe, da dort "der Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht eingehalten" werde. Er hätte in Togo keine Möglichkeit gehabt, einen Asylantrag zu stellen, da dort "überhaupt keine administrative Infrastruktur" bestehe. Es existierten in Togo keine Behörden, bei denen ein Asylantrag gestellt werden könne. Es käme auch vor, daß "sämtliche Ausländer" ohne Durchführung eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens in ihr Herkunftsland gewaltweise abgeschoben würden. Der Beschwerdeführer habe in Togo damit rechnen müssen, gewaltsam nach Liberia abgeschoben zu werden, sodaß keine Rede davon sein könne, daß er in Togo Verfolgungssicherheit erlangt habe.
Würden diese Behauptungen zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht anzunehmen sei, daß Togo als Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention "die sich aus dieser Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige", und daß davon auszugehen sei, daß "das Nonrefoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung" stehe, dies bezogen auf den Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Land.
Des weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits wiederholt ausgesprochen, daß für die Annahme des Vorliegens von Verfolgungssicherheit u.a. die Möglichkeit bestanden haben muß, in dem betreffenden Drittstaat ein Verfahren einleiten zu können, in dem die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention geprüft wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/1177 und vom 30. Juni 1994, Zl. 94/01/0461 mwN).
Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit hat der Beschwerdeführer aber diesbezüglich die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994191275.X00Im RIS seit
20.11.2000