TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 93/15/0013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.1994
beobachten
merken

Index

32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §3;
UStG 1972 §6 Z1;
UStG 1972 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 10. Juni 1992, Zl. B 57-3/92, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1987 und 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, daß der Beschwerdeführer Lieferungen von Motorbooten ausgehend von der Rechtsansicht, der Lieferort dieser Gegenstände sei im Ausland gelegen gewesen, in seinen Umsatzsteuererklärungen als im Inland nicht steuerbar behandelt hatte. Die Boote seien von ausländischen Lieferanten in England, Schweden oder Norwegen abgeholt und nach G transportiert worden, wo sie der Beschwerdeführer zum Kauf angeboten habe. In weiterer Folge seien die Boote vom Beschwerdeführer mit seinem LKW ins Ausland (hauptsächlich ins ehemalige Jugoslawien, in einigen wenigen Fällen nach Italien) verbracht und dort den Käufern übergeben worden. Bei letzteren handle es sich fast ausschließlich um Österreicher mit Wohnsitz im Inland, also nicht um ausländische Abnehmer iS des § 7 Abs. 1 UStG 1972. Nach Befragung der Kunden des Beschwerdeführers als Auskunftspersonen bzw. Zeugen stelle sich der Sachverhalt wie folgt dar:

"Der Kunde besichtigt auf dem Betriebsgelände der Fa. P in G die dort ausgestellten Boote, zeigt für eines davon Interesse und entschließt sich zum Kauf. Über dessen Modalitäten wird vorerst nur eine mündliche Vereinbarung getroffen, die den Verkaufspreis beinhaltet sowie die Zusage des Herrn J enthält, das von Kunden in G besichtigte Boot mit dem firmeneigenen LKW zum gewünschten ausländischen Hafen zu transportieren und es dort auf dem Wasser dem Käufer zu übergeben. Das Entgelt für diese Nebenleistungen ist im Kaufpreis inbegriffen. Darauf hat der Kunde a-conto-Zahlungen zu leisten, die den vereinbarten Kaufpreis meist bis auf einen kleinen Rest abdecken, ehe der Transport ins Ausland durchgeführt wird. Nach Übergabe des Bootes im jeweiligen Hafen bestätigt der Kunde schriftlich die "ordnungsgemäße Übernahme nach Besichtigung und erfolgter Probefahrt" und leistet die abschließende Restzahlung. Nach der Rückkehr nach G erstellt Herr J eine Rechnung, die neben Angaben über das gelieferte Motorboot und den Ort der Übergabe auch den Hinweis enthält, daß es sich bei dem ausgewiesenen Entgelt um einen sogenannten "Exportpreis, ohne Zoll, ohne Mehrwertsteuer" handelt."

Auf Grund dieses Sachverhaltes gelangte der Prüfer zu einer Erhöhung der dem Steuersatz von 32 v.H. unterliegenden Nettoumsätze des Beschwerdeführers im Jahr 1987 von S 1,876.682,-- und im Jahr 1988 von S 1,128.030,--.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ in wiederaufgenommenen Verfahren entsprechende Sachbescheide.

In seiner gegen diese Bescheide erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe seinen Kunden die Verfügungsmacht über die gelieferten Boote deswegen erst im Ausland verschafft, weil "der Transport auf Namen, Risiko und auf Verfügungsmacht der Fa. P" erfolgt sei und der eigentliche Kaufvertrag und der Übergang erst nach erfolgter Probefahrt "fixiert" worden sei. Hätte ein Kunde im Ausland festgestellt, daß das vorgeführte Boot nicht seinen Erwartungen entspreche, "wäre der Kaufvertrag und eine damit verbundene Verfügungsmacht nie zustande gekommen". Aus beigeschlossenen Kopien von Kundenerklärungen gehe eindeutig hervor, daß die Übertragung der "Verfügungsmacht, der endgültige Kaufvertrag und die Übergabe" der Boote nicht in Österreich "stattgefunden" habe.

Begründend für seine abweisliche Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt sodann aus, die im bisherigen Verfahren vernommenen, namentlich angeführten Zeugen hätten im wesentlichen übereinstimmend angegeben, die von ihnen erworbenen Boote auf dem Betriebsgelände des Beschwerdeführers bzw. fallweise auf verschiedenen österreichischen Messen besichtigt und sich auf Grund dieser Besichtigungen zum Kauf entschlossen zu haben. Der Kaufvertrag sei jeweils nach der Besichtigung, wenngleich in den meisten Fällen mündlich, abgeschlossen worden. Die Käufer hätten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einigung über Ware und Preis auch Anzahlungen in nicht unerheblicher Höhe geleistet. In der Folge habe der Beschwerdeführer in Kenntnis der Person des jeweiligen Warenabnehmers und mit dessen Einverständnis die Boote an verschiedene Orte im Ausland (wie Portoroze, Opatija, Punat, Rab sowie in einem Fall an einen Ort in Italien) verbracht, wo sie den Abnehmern körperlich übergeben worden seien. In allen diesen Fällen sei im Hinblick auf § 3 Abs. 8 UStG 1972 schon mit dem Beginn der Beförderung eine Lieferung anzunehmen, wäre es doch gänzlich unverständlich, zu welchen eigenen Zwecken des Beschwerdeführers der mühsame, verwaltungsaufwendige und kostenintensive Transport von zum Teil tonnenschweren Wasserfahrzeugen vorgenommen worden sein sollte. Nichts anderes gelte auch in Fällen, in denen zwar der Kaufvertrag im Ausland geschlossen worden sei, aber die Boote vom Inland aus durch den Beschwerdeführer ins Ausland geliefert worden seien. Daß im Ausland Probefahrten durchgeführt worden seien, rechtfertige jedenfalls keine andere Beurteilung, weil im Mängelfall eine Rückgängigmachung der Lieferung oder eine Rücklieferung in Betracht gekommen wäre, beide Vorgänge aber eine vorangegangene Lieferung geradezu voraussetzten.

In seinem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die vorliegenden Niederschriften über die Zeugeneinvernahme seiner Abnehmer sagten in keiner Weise aus, an welchem Ort und wann eine Willensübereinstimmung zwischen Verkäufer und Käufer zustande gekommen sei. Die bloße Tatsache, "daß ein Kunde ein Boot besichtigt, schon mit dem Gedanken eine Besichtigung vornimmt ein Boot zu kaufen", sage noch nichts über das Zustandekommen einer Willensübereinstimmung aus. Aus den bereits vorgelegten Erklärungen einzelner Kunden gehe eindeutig die Absicht der Vertragsparteien hervor, "wann und wo sie sich über den Kauf, den Kaufpreis und den Kaufgegenstand einig wurden".

In den erwähnten Erklärungen der Abnehmer des Beschwerdeführers wurde mit ähnlichem Wortlaut jeweils im wesentlichen zum Ausdruck gebracht, daß der Erwerber jeweils erst nach erfolgter Probefahrt über das gelieferte Boote frei verfügen konnte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung aus den schon in der Berufungsvorentscheidung angeführten Gründen ab. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Erklärungen seiner Kunden sagten nach Ansicht der belangte Behörde nichts darüber aus, wo und wann die Verfügungsmacht über die Boote übertragen worden sei, vielmehr werde damit jeweils nur die ordnungsgemäße Bootsübergabe bestätigt.

Mit Beschluß vom 1. Dezember 1992, B 1036/92-6 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, wobei im Hinblick auf den Gegenstand des angefochtenen Bescheides der die Umsatzsteuer betreffende Abspruch für die Jahre 1987 und 1988 angefochten erscheint.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Lieferungen sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, in eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden. Eine Lieferung wird gemäß Abs. 7 leg. cit. dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Gemäß Abs. 8 leg. cit. gilt, wenn der Gegenstand einer Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert oder versendet wird, die Lieferung MIT DEM BEGINN DER BEFÖRDERUNG oder mit der Übergabe des Gegenstandes an einen Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt.

Das der Ausführung einer Leistung regelmäßig zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unterliegt nicht der Umsatzbesteuerung, hat aber für die Beurteilung des Schuldverhältnisses und damit auch für die Merkmale der Leistung Bedeutung (siehe Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer II, Rz. 38 zu § 3).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß in allen im Beschwerdefall bedeutsamen Fällen der Kaufvertrag schon vor Beginn der Beförderung des jeweiligen Bootes an den Abnehmer geschlossen und sodann der Kaufgegenstand in Erfüllung des Vertrages vom Beschwerdeführer mit eigenem Lkw ins Ausland befördert worden ist. Die Beschwerde bekämpft die dieser Feststellung zugrundeliegende Beweiswürdigung und hält auch das betreffende Ermittlungsverfahren für mangelhaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, d.h. ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen. Davon abgesehen ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt zugrunde zu legen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 17. September 1990, Zl. 89/15/0070).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde auf Grund von Zeugenaussagen zu der Sachverhaltsfeststellung gelangt, der Beschwerdeführer habe in allen bescheidgegenständlichen Fällen die Boote in Erfüllung eines schon zuvor geschlossenen Kaufvertrages geliefert. Den Aussagen der Zeugen sei zu entnehmen, daß sie mit dem Beschwerdeführer im Inland mündlich einen Kaufvertrag über ein bestimmtes Boot geschlossen hätten, wobei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen sei, den Kaufgegenstand ins Ausland zu transportieren und dort dem Käufer zu übergeben. Ein Indiz für den Abschluß der Kaufverträge im Inland sei auch, daß alle Abnehmer schon vor Beginn der Beförderung der Boote sehr erhebliche, zum Teil fast den Kaufpreis erreichende Teilzahlungen geleistet hätten. Wegen der Übergabe der Boote an verschiedenen Orten sei ferner auszuschließen, daß der Warentransport ins Ausland durch den Beschwerdeführer für dessen eigene Zwecke erfolgt sei. Die Probefahrten mit den Booten und die Erklärungen der Zeugen, über die Boote erst nach erfolgter Übergabe an sie frei verfügen zu können, stünden den getroffenen Schlußfolgerungen nicht entgegen.

Diese Beweiswürdigung der belangten Behörde einschließlich des ihr zugrundeliegenden Verfahrens weist keinen Fehler im oben dargelegten Sinn auf.

Ist aber auf Grund des Gesagten davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer die Boote jeweils zwecks Erfüllung eines zuvor geschlossenen Kaufvertrages (im Beschwerdefall zwecks Lieferung an den Abnehmer) ins Ausland befördert hat, so ist im Hinblick auf § 3 Abs. 8 UStG als der Ort der Lieferung der Ort anzusehen, an dem die Beförderung der Waren begonnen hat; dies Ort lag aber auch vom Beschwerdeführer unbestritten im Inland.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weder mit einer in der Beschwerde geltend gemachten noch mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet hat.

Der Beschwerdeführer war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993150013.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten