TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/06/0108

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauO Stmk 1968 §1 Abs1;
BauO Stmk 1968 §1 Abs2;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des Dr. M in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. März 1994, Zl. 03-12 Ko 155-94/5, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) EK in S, 2) AK in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G; 3) Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte und die zweitmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerber) sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 212 im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde (in der Folge kurz: Gemeinde). Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, ist Eigentümer des angrenzenden Grundstückes Nr. 213/2.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz vom 27. Oktober 1976 wurde den Bauwerbern bezüglich des Grundstückes Nr. 212 (das, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, - erst - in der Folge auf das heutige Ausmaß vergrößert wurde) die Widmungsänderungsbewilligung und mit (gesondertem) Bescheid vom selben Tag die Baubewilligung zwecks Aufstockung eines Einfamilienwohnhauses erteilt (es handelt sich nicht um das nun verfahrensgegenständliche Objekt).

Mit Gesuchen vom 19. April 1978 kamen die Bauwerber um Erteilung der Widmungsbewilligung und der Baubewilligung zwecks Errichtung eines Nebengebäudes auf einer Grundfläche ein, die an das (ursprüngliche) Grundstück Nr. 212 angrenzte (nach den vorliegenden Verwaltungsakten ist davon auszugehen, daß diese Grundfläche vom Grundstück 195 abgetrennt und in der Folge mit dem Grundstück Nr. 212 vereinigt worden ist). Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 10. November 1978 wurde das Widmungsgesuch gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO) mangels geeigneter Zufahrtsmöglichkeit abgewiesen. Die Berufung der erstmitbeteiligten Partei gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde vom 21. Mai 1979 als unbegründet abgewiesen; unstrittig ist, daß auch die dagegen erhobene Vorstellung (unbekämpft) als unbegründet abgewiesen wurde.

Mit Eingabe vom 30. Juni 1992 kamen die Bauwerber um Erteilung der (zum Teil nachträglichen) Baubewilligung zwecks Errichtung eines (bereits bestehenden) Nebengebäudes (Wirtschaftsgebäudes), des Zubaues eines Geräteraumes zu diesem Wirtschaftsgebäude, einer (bereits bestehenden) Stützmauer talseitig des Wirtschaftsgebäudes sowie einer "Einfriedungsmauer" (Tor) auf dieser Grundfläche ein, die nach den vorgelegten Plänen nun Teil des Grundstückes Nr. 212 ist. Hiezu beraumte die Behörde am 29. Oktober 1992 eine Bauverhandlung an, zu der unter anderem auch der Beschwerdeführer als Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. Nach Zustellung dieser Ladung erhob der Beschwerdeführer zunächst mit der am 23. Oktober 1992 bei der Behörde eingelangten Stellungnahme Einwendungen gegen das Vorhaben: Die Bauwerber verfügten nicht über eine geeignete Zufahrt (zu ergänzen: zum fraglichen Grundstück). Sie hätten sich an keine bisher geschlossene Vereinbarung gehalten, sodaß auch in Hinkunft eine Vereinbarung als aussichtslos zu betrachten sei. Sie hätten sogar entgegen "der ersten Vereinbarung ausdrücklich und absichtlich gegen diese verstoßen, sodaß der unveränderte rechtliche Zustand seit 1978 und vorher besteht". In diesem Zusammenhang verweise er darauf, "daß das Ansuchen um Widmungsbewilligung und das Ansuchen um Baubewilligung bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurde". Da die Bauwerber dementgegen dennoch "das ursprüngliche Objekt" errichtet hätten, sei eine neuerliche Bauverhandlung unzulässig und stelle "dies lediglich eine Belästigung der Anrainer dar". Die Rechtskraft des abweisenden Bescheides könne nicht dadurch durchbrochen werden, daß neuerlich ein Ansuchen "über dasselbe Objekt gestellt" werde. Vielmehr hätte die Behörde ohne Anberaumung einer Verhandlung das Ansuchen ab- bzw. zurückweisen müssen.

In der Bauverhandlung erklärte der Sachverständige zunächst, daß die Widmung des fraglichen Grundstückes zu einem Bauplatz mit (jenem) Bescheid vom 27. Oktober 1976 bewilligt worden sei. Das Bauvorhaben entspreche der Widmungsbewilligung. Festgestellt werde, daß "die beantragten Bauführungen bereits im Bestand sind, ausgenommen der in den Einreichplänen dargestellte nordseitige weitere Zubau. Die Bestandsobjekte sind durch andere Verfahren bereits aktenkundig". Zu den schriftlichen Einwendungen des Beschwerdeführers führte der Sachverständige aus, daß zwar mit dem Bescheid vom 10. November 1978 tatsächlich eine Widmungsbewilligung versagt worden sei (eine Entscheidung über das damals beantragte Bauansuchen liege offensichtlich nicht vor), es ergebe sich aber nach Prüfung "der auch damals vorgelegten Einreichpläne, im Vergleich mit den heute zu beurteilenden", daß "diese beiden nicht ident" seien, "weder in grundrißtechnischer oder optischer Form". Dem Akt liege eine auszugsweise Abschrift eines näher bezeichneten gerichtlichen Vergleiches bei, der die Zufahrt zum verfahrensgegenständlichen Grundstück über das Grundstück des Beschwerdeführers regle.

Der Beschwerdeführer machte in der Bauverhandlung (weiters) geltend, das Wirtschaftsgebäudes samt Zubau werde zu nahe an der Grenze zum Grundstück Nr. 213/1 errichtet, weil seiner Beurteilung nach ein Mindestabstand von 4,0 m einzuhalten sei. Die errichtete Stützmauer bestehe aus losen, aufeinandergelegten Steinen, bergseits sei Material aufgeschüttet worden, um eine ebene Fläche zu erhalten. Die Mauer könne dem Druck bzw. dem Gewicht der Aufschüttungen und des Bauwerkes nicht standhalten. Es bestehe Gefahr bei Unwettern und Erderschütterungen. Das verfahrensgegenständliche Grundstück der Bauwerber grenze nicht an eine öffentliche Verkehrsfläche, sondern sei über einen schmalen, desolaten und abrutschgefährdeten Privatgrassteig erreichbar. Diese Zufahrt über private Anrainergrundstücke sei technisch nicht so gestaltet, "daß ein Fahrzeug mit mehr als einer Tonne Gewicht und schneller als im Schrittempo, wegen der Unebenheiten", fahren könne. Die Erschütterungen beschädigten unter anderem sein Haus. Er und eine namentlich genannte andere Anrainerin duldeten das Überfahren nicht, weil die Bausubstanz der alten Häuser gefährdet sei. Einer "Mehrbelastung" des Weges werde keinesfalls zugestimmt (wird näher ausgeführt).

Mit Bescheid vom 19. Mai 1993 erteilte der Bürgermeistrer der Gemeinde die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen (darunter, daß für "die geplante bzw. ausgeführte Stützmauer" ein "Standsicherungsnachweis, in überprüfbarer Form, bis zur Bescheiderlassung" vorzulegen sei - ein solcher "Nachweis" eines Zivilingenieurs für Bauwesen vom 20. November 1992 liegt im Akt). Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden teils als unzulässig zurückgewiesen und teils als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dies damit, daß das Bauvorhaben bewilligungsfähig erscheine (der Bescheid bezieht sich auch auf die Widmungsbewilligung vom 27. Oktober 1976). Hinsichtlich der Konstruktion der Mauer und der mangelnden Eignung der Zufahrt stehe dem Beschwerdeführer kein Mitspacherecht zu. Im übrigen seien "Probleme der Zufahrt" im Widmungsverfahren zu klären und nicht im Bauverfahren. Außerdem sei festzuhalten, "daß die Behauptung einer allfälligen Servitutsüberschreitung zivilrechtlich zu klären ist und nicht in den Aufgabenbereich der Baubehörde fällt". Das Gebäude halte den erforderlichen Abstand zur Grundgrenze ein (wird näher ausgeführt). Das nunmehr gegenständliche Vorhaben und das dem abweislichen Bescheid vom 10. November 1978 zugrundegelegene Vorhaben seien, vergleiche man die Einreichpläne, "weder in grundrißtechnischer noch optischer Form" ident. Somit werde keine "entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG begründet, an die die Baubehörde allenfalls gebunden wäre. Im übrigen vermöge "eine Formalentscheidung nie das Vorliegen einer entschiedenen Sache zu begründen".

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, daß die Rechte des Anrainers im § 61 Abs. 2 BO und § 8 AVG geregelt seien. "Aber auch der direkte Eingriff der Behörde" gebe den Nachbarn Parteistellung, z.B. nach § 21 Abs. 1 BO. "Auch der Eingriff auf die Grundstücksfläche des Nachbarn, sei dies technischer oder rechtlicher Natur, beinhaltet schon in dieser Tatsache selbst die Parteistellung."

Die "Einschränkungen des § 61 Abs. 2 einer Parteistellung seien auch dann nicht gegeben, wenn eine unmittelbare Gefährdung für Leib und Leben und für das Vermögen des Nachbarn von den beabsichtigten Bauvorhaben" ausgehe. "Obwohl § 61 Abs. 2, wie die bisherige Rechtsprechung eine Parteistellung wegen mangelnder Festigkeit des Bauwerkes (Statik) nicht vorsieht, so ist dies unter § 61 Abs. 2 lit. k unterzuordnen, da Emissionen sämtliche Einflüsse, auch herabfallende Mauerteile sind, wie tieferstehend noch unter dem Punkt "Mauer" ausgeführt werden wird. Richtig sei, daß prinzipiell dem Nachbarn bezüglich der geeigneten Zufahrt" (§ 1 Abs. 2 BO) eine Parteistellung nicht zustehe, wohl aber dann, wenn die Rechte des Nachbarn durch diese Zufahrt geändert werden sollten. Die gegenständliche Entscheidung greife in die Rechte der Nachbarn ein. Hier werde "abermals der untaugliche Versuch einer Enteignung vorgenommen, wie dies die Marktgemeinde schon mehrmals versuchte. Die politische Entscheidung liegt hier offensichtlich näher, als die sachbezogene Entscheidung" (wird auch unter Hinweis auf § 8 AVG eingehend näher ausgeführt, wobei der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch darauf verweist, daß das Vorliegen einer geeigneten Zufahrt "bereits einmal von der Behörde verneint wurde und rechtskräftig das Bauansuchen auch von der II. Instanz abgewiesen wurde"). Die Berufungsbehörde habe nicht nachvollziehbar begründet, weshalb der Abstand des Gebäudes zu seinem Grundstück nicht verletzt werde. Die Standfestigkeit der Mauer sei nicht gegeben; es bestehe Rutschgefahr. Die Nachreichung von Plänen nach Abschluß des Verfahrens sei unzulässig (wird ebenfalls näher ausgeführt).

Der Gemeinderat gab mit Bescheid vom 5. Oktober 1993 der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, daß dem Nachbarn gemäß § 61 Abs. 2 BO hinsichtlich der Eignung der Zufahrt auch dann kein Mitspracherecht zustehe, wenn er Eigentümer des Zufahrtsweges sei (wird unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/06/0204; vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0145; vom 6. November 1991, Zl. 90/05/0062 - diesbezüglich auch hinsichtlich der behaupteten Servitutsüberschreitung -; Slg. Nr. 5195/A und Slg. Nr. 6180/A u. a. näher ausgeführt). Dies gelte in gleicher Weise hinsichtlich des Vorbringens betreffend die Standfestigkeit und die Statik der Stützmauer und der befürchteten Rutschgefahr.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er abermals darauf verwies, daß es dem Grundstück der Bauwerber an einer geeigneten Zufahrt mangle, worüber bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliege: Wegen dieses Mangels seien "Widmungs- und Baubewilligung abgewiesen" worden. Das fragliche Gebäude bedürfe jedenfalls einer Baubewilligung. Es sei über 6 m hoch und es sei dies kein landwirtschaftlicher Bau. Es habe auch eine Stützmauer errichtet werden müssen, die jederzeit abrutschen könne und eine Gefahr für Personen und Sachen darstelle. Das Gesetz könne "höchstens in jene Richtung interpretiert werden, daß eine Widmung für diese Fläche nicht notwendig ist, weil es sich um landwirtschaftliche Nebenbauten handelt, wohl aber muß sach- und fachgerecht entsprechend der Bauordnung ein Bauwerk errichtet werden. Es ist daher wohl eine Baubewilligung notwendig, vielleicht aber auch keine Widmungsbewilligung". Ähnlich habe der Verwaltungsgerichtshof "beim Aufstellen von Plakatwänden entschieden". Es sei Sache der Baubehörde, die technisch einwandfreie Errichtung eines Bauwerkes zu überprüfen. Ob diese Bauwerke eventuell von einer Widmung ausgenommen seien, sei eine andere Frage.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Zusammenfassend führte die belangte Behörde aus, daß zwar die Behörde die Eignung der Zufahrt zu überprüfen habe, dem Nachbarn aber diesbezüglich kein Mitspracherecht zustehe. Gegenstand des Widmungsbewilligungsansuchens vom 19. April 1978, das rechtskräftig abgewiesen worden sei (das Baugesuch sei nicht bescheidmäßig erledigt worden), sei die Errichtung eines Nebengebäudes auf einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 212 gewesen, welche Fläche ursprünglich einen Teil des Grundstückes Nr. 195 gebildet habe. Ein Vergleich jenes Bauprojektes mit den nun verfahrensgegenständlichen Bauprojekt ergebe, daß es sich hiebei um verschiedene Gebäude handle, die sich sowohl in ihrer Größe, als auch in ihren Ansichten und im Grundriß unterschieden, sodaß Identität der Sache nicht vorliege. Darüberhinaus sei das Bauansuchen nicht bescheidmäßig erledigt worden, weshalb schon aus diesem Grunde res judicata nicht eingewendet werden könne. Lediglich in einem "auf diese Fläche Bezug nehmenden Widmungsverfahren" hätte entschiedene Sache eingewendet werden können. Diesbezüglich sei das Verfahren vor den Gemeindebehörden insofern mit einem Mangel behaftet, als der im erstinstanzlichen Bescheid genannte Widmungsbescheid vom 27. Oktober 1976 nicht die gegenständliche Teilfläche mitumfasse, die "damals noch eine Teilfläche des Grundstückes Nr. 195" gebildet habe. Gemäß § 61 Abs. 2 lit. a BO könne der Nachbar das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung einwenden; dies sei jedoch vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor den Gemeindebehörden noch in der Vorstellung eingewendet worden, sodaß dieser Verfahrensmangel von der belangten Behörde nicht mehr aufgegriffen werden könne. Soweit zivilrechtliche Ansprüche des Beschwerdeführers in Rede stünden, würden diese durch die erteilte Baubewilligung nicht berührt (verwiesen wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0145). Hinsichtlich des Einwandes der mangelnden Standfestigkeit der Mauer und der befürchteten Rutschgefahr stünde dem Nachbarn ebenfalls (mangels Aufzählung im taxativen Katalog des § 61 Abs. 2 lit. a bis k BO) kein Mitspracherecht zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach dem gesamten Vorbringen in der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Nachbarrecht verletzt, daß die Baubewilligung nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erteilt werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u.v.a.).

Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO), LGBl. Nr. 149, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 54/1992, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen; diese sind in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt. Dazu gehört u. a. (§ 61 Abs. 2 lit. a BO) das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung.

Keine nachbarschützende Wirkung im Sinne dieser taxativen Aufzählung kommt hingegen der Bestimmung des § 1 Abs. 1 über die Eignung des Bodens (Gefahr des Abrutschens der Mauer) bzw. des § 1 Abs. 2 über die Zufahrtsmöglichkeit von der öffentlichen Verkehrsfläche zu (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 84/06/0041 = BauSlg. Nr. 792; vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/06/0204 = BauSlg. Nr. 796, vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0145, oder auch vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/06/0169). Soweit in bezug der fraglichen Zufahrtsmöglichkeit zivilrechtliche Ansprüche des Beschwerdeführers in Rede stehen, werden diese durch die erteilte Baubewilligung nicht berührt. Diese Rechte sind - im Fall ihrer Verletzung - vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (siehe dazu das bereits genannte Erkenntnis Zl. 92/06/0145). Damit ist auf das entsprechende Vorbringen in der Beschwerde zu diesen Punkten - mangels diesbezüglicher subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers - nicht näher einzugehen.

Zulässigerweise (im Sinne dieses taxativen Kataloges) wendet sich der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt, daß eine Baubewilligung nicht vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung erteilt werden dürfe (lit. a BO), weil ihm insofern ein Mitspracherecht zukommt.

Nach den vorliegenden Bauplänen und der Baubeschreibung handelt es sich beim fraglichen Wirtschaftsgebäude (samt Zubau) um einen erdgeschoßigen Bau mit asymmetrischem Satteldach mit einer bebauten Fläche (samt Zubau) von insgesamt 75,50 m2 und einer Kubatur von (insgesamt) rund 370 m3. Die Firsthöhe ist mit 6,55 m ausgewiesen. Unstrittig ist, daß das fragliche Gebäude samt Zubau (entgegen der Tendenz in der Gegenschrift der zweitmitbeteiligten Partei ist nicht nur der Zubau verfahrensgegenständlich) sowohl baubewilligungs-, als auch widmungsbewilligungspflichtig ist (das Vorliegen diesbezüglicher Ausnahmen - etwa nach § 57 Abs. 2a oder § 58 Abs. 2 BO wurde nicht behauptet und ist - auch angesichts der Dimensionen dieses Bauwerkes - nicht erkennbar). Nichts anderes hat die belangte Behörde angenommen, sodaß das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe übersehen, daß das Gebäude "einer Bewilligung" unterliege, unzutreffend ist. Sofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausführt, daß das Gebäude eine Höhe von mehr als 6 m habe "und durchaus als zwei- bis dreigeschoßig bezeichnet werden kann und auch nach der steiermärkischen Bauordnung als dreigeschoßiges Bauwerk zu bewerten ist (§ 4 BO)", sind dessen Überlegungen einerseits (auch anhand der Baupläne) nicht nachvollziehbar und es ist andererseits auch nicht erkennbar, welche rechtliche Relevanz ihnen zukommen soll. Eine Verletzung der Abstandsbestimmungen in bezug auf SEIN Grundstück vermag der Beschwerdeführer damit nicht aufzuzeigen (nach dem Lageplan ergibt sich eine Entfernung des Wirtschaftsgebäudes zum Grundstück des Beschwerdeführers von rund 35 m; zur Geltendmachung der Verletzung der Abstandsvorschriften in bezug auf die Grundstücke anderer Nachbarn - insbesondere des Grundstückes 213/1 - ist er nicht berechtigt). Auch die Gemeinde ist davon ausgegangen, daß eine Widmungsbewilligung erforderlich sei, hat aber, wie die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt hat, zu Unrecht angenommen, daß eine solche vorläge, weil die bezogene Widmungsbewilligung vom 27. Oktober 1976 das gegenständliche Vorhaben nicht umfaßt.

Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren (rechtzeitig) eingewendet, daß das Ansuchen der Bauwerber um Widmungsbewilligung (und um Baubewilligung) bezüglich des (zwischenzeitig errichteten) Wirtschaftsgebäudes bereits rechtskräftig "zurückgewiesen" worden sei. Wenngleich die Beurteilung der Behörden, daß mangels Identität der jeweiligen Projekte entschiedene Sache nicht vorliegt (was der Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel zieht), zutreffend ist, ist diese Einwendung aber auch dahin zu verstehen, daß es dem nun verfahrensgegenständlichen Projekt an der (erforderlichen) Widmungsbewilligung mangle. Der Beschwerdeführer hat diesen Einwand durch die Bezugnahme auf die seiner Ansicht nach gegebene entschiedene Sache auch in den Rechtsmittelschriften mit noch ausreichender Deutlichkeit aufrechterhalten. Damit war die Beurteilung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe des Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung weder im Verfahren noch vor den Gemeindebehörden noch in der Vorstellung eingewendet, weshalb dieser Verfahrensmangel von ihr nicht mehr aufgegriffen werden könne, unzutreffend.

Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060108.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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