TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/18/0460

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
VwGG §36 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der N in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Juni 1994, Zl. 100.333/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) der Berufung der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 15. Dezember 1993 gemäß § 66 Abs. 2 AVG statt, behob diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß folgende Punkte zu überprüfen seien: 1. ob die Unterkunft der Beschwerdeführerin den ortsüblichen Mindesterfordernissen entspreche, 2. ob ihre Kinder nach wie vor bereit seien, für den Unterhalt aufzukommen und eine Verpflichtungserklärung abgeben, 3. ob sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes weiterhin in Österreich aufhalte. Sollte eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, so wäre der Rechtsvertreter zu befragen, an welche österreichische Vertretungsbehörde die Aufenthaltsbewilligungsvignette zu senden wäre. Aufgrund der Sachlage erscheine die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den bei ihr angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0149, mit weiterem Nachweis) berechtigt nicht jeder Verfahrensmangel die Berufungsbehörde, von § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen; vielmehr ist eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Erstbehörde nur zulässig, wenn sich der Mangel nicht anders als durch Vornahme einer mündlichen Verhandlung (in Rede und Gegenrede) beheben läßt.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht nicht hervor, aus welchen Gründen im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, bzw. warum sich die belangte Behörde nicht in der Lage sah, die für die Entscheidung in der Sache selbst (§ 66 Abs. 4 AVG) erforderlichen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen (§ 66 Abs. 1 AVG). Der diesbezügliche Beschwerdevorwurf besteht demnach zu Recht.

Ob die Ausführungen in der Gegenschrift stichhaltig sind, kann dahinstehen. Sie waren jedenfalls für die vorliegende Entscheidung ohne Belang, weil die Bescheidbegründung nicht mit den in der Gegenschrift vorgetragenen Erwägungen nachgebracht werden kann (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 23. Juni 1994).

Die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG war daher rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180460.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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