TE Vwgh Beschluss 1994/12/15 94/19/0123

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §17 Abs1;
AVG §8;
StPO 1975 §411 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, in der Beschwerdesache des I in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen die Erledigung des Bundesministers für Justiz vom 10. Mai 1993, Zl. 42.890/133-IV 4/93, betreffend Akteneinsicht, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben des Landesgerichtes Korneuburg vom 22. April 1993 wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, daß das Bundesministerium für Justiz zur Zl. 42.890/126-IV 4/93, mit Note vom 13. April 1993 mitgeteilt habe, daß den Gnadengesuchen (u.a. des Beschwerdeführers) für Dr. N betreffend eine Strafrestnachsicht bzw. Umwandlung der lebenslangen in eine zeitliche Freiheitsstrafe nicht Folge gegeben worden sei.

Mit Antrag vom 28. April 1993 begehrte der Beschwerdeführer, seinem anwaltlichen Vertreter "die uneingeschränkte Einsicht und die Anfertigung von Fotokopien (im Sinne des § 17 Abs. 1 letzter Halbsatz AVG auf seine Kosten) der gesamten einschlägigen Administrativakten über den vorliegenden Gnadenantrag, erliegend in der do. Akten JMZl. 42890-IV und zwar bis längstens zwei Wochen vor Ablauf der Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshof zu bewilligen und ihn umgehend, allenfalls telefonisch oder mittels Telefax-Depesche zu verständigen, wann von dieser Bewilligung Gebrauch gemacht werden kann."

Mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung teilte der Bundesminister für Justiz dem Beschwerdeführer mit, daß er dem Antrag auf Bewilligung der uneingeschränkten Einsicht in die näher bezeichneten Administrativakten einschließlich der Anfertigung von Fotokopien "mangels gesetzlicher Grundlage" nicht Folge gebe.

Der Beschwerdeführer bekämpft diese Erledigung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist sohin, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in seinem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt es an der Möglichkeit einer Verletzung der EIGENEN, gegen den Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - gerichteten, Interessenssphäre des Beschwerdeführers, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung, außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen, einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Zlen. 671, 672/80, Slg. Nr. 10511/A).

Der Beschwerdeführer bringt vor, in seinem Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG verletzt worden zu sein. Voraussetzung für die Akteneinsicht im Sinne des § 17 Abs. 1 AVG ist aber, daß derjenige, der Akteneinsicht begehrt, Partei des Verfahrens ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Gesetzesstelle:

"Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen."

Ob einer Person in einem bestimmten Verfahren Parteistellung zukommt, regelt grundsätzlich die Bestimmung des § 8 AVG im Zusammenhang mit den jeweils zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften; danach sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher Voraussetzung für die Gestattung der Akteneinsicht, daß der die Akteneinsicht begehrenden Person in dem betreffenden Verfahren Parteistellung zukommt (vgl. das Erkenntnis vom 23. Mai 1977, Zl. 2785/76, Slg. Nr. 9328/A).

Mit Beschluß vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0085, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Partei gegen die eingangs erwähnte Note des Bundesministers für Justiz vom 13. April 1993 zurückgewiesen. Dabei hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß der bereits erwähnten Mitteilung, keinen Gnadenantrag an den Bundespräsidenten stellen zu wollen, der Bescheidcharakter fehle; überdies sei ein subjektives Recht des Beschwerdeführers, in dem er verletzt worden sein könnte, nicht erkennbar. Ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse, das die Parteistellung zu begründen vermöchte, ist im Hinblick auf den erwähnten Beschluß vom 19. Mai 1994 - auf dessen Begründung hier verwiesen werden kann - zu verneinen; auch in den vorliegenden Beschwerdeausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Verwaltungsvorschrift aufzuzeigen, die ihm Parteistellung und damit das Recht auf Akteneinsicht in den "Gnadenakt" einräumen würde.

Es kann demnach dahingestellt bleiben, ob die vom Beschwerdeführer bekämpfte Erledigung als Bescheid anzusehen ist, wie dies der Beschwerdeführer darlegt, oder nicht, wie dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt (vgl. zum Bescheidcharakter den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, Slg. Nr. 9458/A).

Die Beschwerde war daher mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz (vgl. § 51 VwGG) hatte zu unterbleiben, da ein solcher von der belangten Behörde nicht verzeichnet (vgl. § 59 Abs. 1 VwGG) wurde.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Justizwesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190123.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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