TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/06/0121

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L80206 Flächenwidmung Bebauungsplan einzelner Gemeinden Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauO Stmk 1968 §58 Abs1 lita;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62;
BauO Stmk 1968 §71 Abs2;
BauRallg;
FlWPl Graz 2/0 1992 §6 Abs1;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lita;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litc;
ROG Stmk 1974 §3 Abs1;
ROG Stmk 1974 §61 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde

1. der E, 2. des P und 3. der H, alle in G, alle vertreten durch Dr. X, RA in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. April 1994,

Zlen. A 17-K-2.350/1987-14 und A 17-K-2.351/1987-14, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mP: Discothek D-GmbH KG in G, vertreten durch Dr. R, RA in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das in dieser Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1992,

Zlen. 92/06/0017 - 0019, verwiesen, dem auch der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist. Daraus ist festzuhalten, daß die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) unter anderem die Bewilligung zum Umbau eines bestehenden Weinkellers in ein Tanzlokal und des bestehenden Tanzlokales in eine Discothek begehrt hatte, wogegen sich (unter anderen) die nunmehrigen Beschwerdeführer ausgesprochen hatten. In diesem Erkenntnis vom 30. April 1992 wurde insbesondere ausgeführt, daß im gegenständlichen Verfahren die Steiermärkische Bauordnung in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 anzuwenden sei, weshalb es einer Widmungsbewilligung bedürfe. Auch werde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, welche (Flächen-) Widmungskategorie für das Kellergeschoß festgelegt sei, auf das sich die Umbauten und die Änderung des Verwendungszweckes bezögen.

Am 5. Oktober 1992 kam Dipl.-Ing. L um Widmungsbewilligung ein, die schließlich mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Mai 1993 (unter anderem auf Grundlage des 2.0 Flächenwidmungsplanes 1992 der Landeshauptstadt Graz) erteilt wurde. In Punkt 19 diese Bescheides wurde der Verwendungszweck (zulässige Bauten) wie folgt festgesetzt:

"Für Erdgeschoß und Untergeschoß alle im Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet zulässigen Nutzungen entsprechend § 23 Abs. 5 lit. c ROG. Obergeschoße: Alle im Allgemeinen Wohngebiet entsprechend § 23 Abs. 5 lit. b zulässigen Nutzungen."

Hierauf hat die belangte Behörde im verfahrensgegenständlichen Baubewilligungsverfahren am 13. September 1993 eine Bauverhandlung durchgeführt. Im Rahmen dieser Verhandlung ergänzte die Bauwerberin "die Projektbeschreibung dahingehend, daß die Eingangs-(Abgangs-) Türe zur Betriebsanlage im Keller mit einem selbstschließenden Türschließer versehen" werde, sodaß ein - auch unbeabsichtigtes - Offenstehen der Türe und damit ein Hinausdringen allfälligen Lärmes hintangehalten werde. Weiters stimmte die Bewilligungswerberin zu, daß zur Sicherung der projektgemäßen Ausführung des Bauvorhabens mit Limiter und selbst schließender Tür diese Maßnahmen als Auflagen in den Bescheid aufgenommen würden. Schließlich "präzisierte" die Bewilligungswerberin den Verwendungszweck der zur nachträglichen Bewilligung anstehenden Baumaßnahmen dahingehend, daß "ausschließlich eine Discothek mit Musikwiedergabeanlage mit Limiter Verwendung" finde und keine Live-Musik gespielt werde.

Die Beschwerdeführer wendeten ein, daß die Widmungsbewilligung nicht der mitbeteiligten Partei erteilt worden sei, sodaß keine rechtskräftige Widmungsbewilligung vorliege. Hilfsweise werde begehrt, "dem Devolutionsantrag keine Folge zu geben, da dessen Stattgebung einer gesetzwidrigen Verkürzung des Instanzenzuges gleichzusetzen wäre". Das gegenständliche Verfahren gliedere sich in ein Widmungsverfahren und in dessen Folge in ein zweitinstanzliches Baubewilligungsverfahren. Seit Erteilung der Widmungsbewilligung sei bei der Baubehörde erster Instanz kein Bauansuchen eingebracht worden, sodaß auch keine Säumigkeit vorliege. Nach Widmungserteilung sei das Bauverfahren in jedem Fall vor der erstinstanzlichen Behörde durchzuführen. Im übrigen verwiesen die Beschwerdeführer auf ihre Einwendungen, die sie im vorangegangen Administrativverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattet hatten. Zusammenfassend machten sie (weiterhin) geltend, daß der Betrieb der Discothek (bereits) eine unzumutbare Lärmbelästigung verursacht habe, der auch im Falle einer Wiedereröffnung der Discothek zu erwarten sei, weil keine geeigneten baulichen Veränderung vorgenommen worden seien. "Durch eine behördliche Genehmigung einer Discothek an diesem Standort" werde jedenfalls "entgegen § 23 Abs. 5 Raumordnungsgesetz eine dem Gebietscharakter widersprechende Belästigung der Bevölkerung ausgelöst"; es stehe außer Zweifel, "daß die beabsichtigte Discothek eine enorme Überschreitung des ortsüblichen Ausmaßes der Belästigungen und somit eine dem Gebietscharakter widersprechende Belästigung der sich überwiegend im angrenzenden allgemeinen Wohngebiet befindlichen Nachbarn" verursache. Beantragt werde daher, das gegenständliche Bauansuchen zurück- bzw. abzuweisen.

In weiterer Folge holte die belangte Behörde ein Gutachten des Amtes für Umweltschutz ein, zu dem sich die Beschwerdeführer ablehnend äußerten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Bauwerberin gemäß § 73 Abs. 2 AVG iVm den §§ 57 und 62 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der Fassung

LGBl. Nr. 67/1987, dem § 12 der Verordnung des Gemeinderates vom 9. April, vom 9. Oktober und vom 26. November 1992, mit dem der 2.0 Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz erlassen wurde, weiters § 32 Abs. 1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 in der Fassung LGBl. Nr. 41/1991 und § 7 der Steiermärkischen Feuerpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 49/1985, (abermals) die Baubewilligung zum Umbau des bestehenden Weinkellers in ein Tanzlokal und zum Umbau des bestehenden Tanzlokales in eine Discothek, bestehend aus einer Tanzfläche, fünf Gasträumen, Vorräumen, Fluren, Lager- und Abstellräumen, Service-, Kleinküchen-, und Personalräumen, Heizungs- und Lüftungsräumen und Toiletteanlagen sowie im Hof der Liegenschaft zum Einbau einer Umspannstation in die bestehende Garage unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Vorgeschrieben wurde insbesondere (Punkte 1. bis 3.), daß Musikdarbietungen ausschließlich mit Musikwiedergabeanlagen mit angeschlossener Lautstärkebegrenzungsanlage (Limiter) stattfinden dürften; Darbietung sogenannter Live-Musik sei unzulässig. Die vorgesehene Lautstärkebegrenzungsanlage (Limiter) sei während des Discothekenbetriebes stets so eingestellt zu halten, daß der Schallpegel der Musik-Wiedergabeanlagen hinsichtlich des energieäquivalenten Dauerschallpegels nicht mehr als 90 dB und hinsichtlich der Lärmspitzen nicht mehr als 100 dB betrage. Der Betrieb der Musikwiedergabeanlagen ohne angeschlossene Lautstärkebegrenzungsanlage (Limiter) sei unzulässig. Während des Discothekenbetriebes sei das Offenhalten (Aufkeilen, Fixieren im geöffneten Zustand etc.) der vorgesehenen, selbstschließenden Türe zum Keller unzulässig.

Die Einwendungen der Beschwerdeführer, wonach es (sinngemäß) zu einer das ortsübliche Ausmaß überschreitenden Lärmbelästigung der Nachbarn kommen werde, wurden als unbegründet abgewiesen. Das "(verfahrensrechtliche) Vorbringen" der Beschwerdeführer, wonach die Bauwerberin "als solche überhaupt nicht in Frage komme und das über das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung keine Devolutionsentscheidung gefällt werden dürfe", wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die Behörde aus, im geltenden Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz sei das fragliche Grundstück im Erdgeschoß als "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet", in den Obergeschoßen überlagert mit "Allgemeinen Wohngebiet" ausgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Ausweisung im Flächenwidmungsplan als "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" für das Erdgeschoß auch die rechtliche Wirkung habe, daß sie auch für die Untergeschoße zu geltend habe, weil in der rechtskräftigen Widmungsbewilligung für das Untergeschoß alle im Kern-, Büro,- und Geschäftsgebiet zulässigen Nutzungen entsprechend § 23 Abs. 5 lit. c ROG festgelegt worden seien. Selbst wenn man den Standpunkt vertrete, daß die für das Erdgeschoß geltende Widmungskategorie nicht auch für die Untergeschoße rechtswirksam sei, werde durch die Festsetzung des Verwendungszweckes in der rechtskräftigen Widmungbewilligung für das Untergeschoß dieser Mangel der Festlegung im Flächenwidmungsplan substituiert (wird näher ausgeführt).

Eine Discothek sei eine "Vergnügungsstätte" im Sinne der Legaldefinition des § 23 Abs. 5 lit. c ROG und deshalb im Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet jedenfalls typenmäßig zulässig. Wenngleich somit das Vorhaben mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimme, erwachse den Beschwerdeführern aus den Vorschriften der §§ 15 und 24 der Bauordnung, auf die sie sich der Sache nach gestützt hätten, ein Immissionsschutz, dem aber vorliegenfalls entsprochen sei (wurde eingehend näher ausgeführt).

Da im Gegenstandsfall der dem Devolutionsantrag stattgebende Bescheid der belangten Behörde vom 28. November 1991 mit dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1992 behoben worden sei, sei der von der Bauwerberin gestellte Devolutionsantrag "notgedrungen wieder offen und der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als in Betracht kommende zuständige Oberbehörde wieder zuständig. Über den demnach offenen Devolutionsantrag" sei daher eine Sachentscheidung zu treffen. Eine rechtskräftige Widmungsbewilligung liege vor; darauf, daß die Widmungsbewilligung als Adressaten nicht die Bauwerberin nenne, komme es im Hinblick auf die dingliche Wirkung derartiger Bescheide nicht an (wurde jeweils näher ausgeführt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit un Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Bauwerberin - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, war sie aufgrund des (zulässigen und berechtigten) Devolutionsantrages der Bauwerberin zur Sachentscheidung berufen. Die in der Beschwerde der Sache nach vertretene Auffassung, die belangte Behörde hätte mangels Widmungsbewilligung den Devolutionsantrag abweisen müssen, weil sich die Baubehörde erster Instanz erst nach Widmungsbewilligung inhaltlich mit dem Bauansuchen hätte befassen dürfen, ist rechtlich unzutreffend, weil eine Widmungsbewilligung zwar Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung ist, ein derartiger Umstand aber die durch Devolution eingetretene Zuständigkeit der belangten Behörde zur Sachentscheidung nicht berührt. Da zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine rechtskräftige Widmungsbewilligung vorlag - was die Beschwerdeführer nicht mehr in Zweifel ziehen - bestand für die belangte Behörde auch keine Handhabe, die Anträge wegen des Fehlens einer Widmungsbewilligung abzuweisen. Die Fertigung des angefochtenen Bescheides durch einen Beamten des Magistrates mit dem Beisatz "Für den Gemeinderat" ist rechtens (siehe die in Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, in E. 1 zu § 71 BO wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, das Baugesuch hätte, soweit es den Keller betreffe, trotz Rechtskraft der Widmungsbewilligung "als unzulässig zurückgewiesen" weden müssen, weil der Antrag sowohl im Widmungsbewilligungsverfahren als auch im Baubewilligungsverfahren auf die Übereinstimmung mit den jeweiligen Planungsverordnungen zu prüfen sei; verwiesen wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1991, Slg. NF Nr. 13.536/A.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis (auf dessen Begründung gemäß § 43 VwGG verwiesen wird) näher ausgeführt hat, ist der Antrag sowohl im Widmungsbewilligungsverfahren als auch im Baubewilligungsverfahren auf die Übereinstimmung mit den jeweils bestehenden Planungsverordnungen zu prüfen. Dem Nachbarn steht in dieser Frage, soweit sie den im Immissionsschutz betrifft, in beiden Verfahren ein Mitspracherecht zu; die Mißachtung der Flächenwidmung im Widmungsbewilligungsbescheid präjudiziert die Prüfung der raumordnungsrechtlichen Zulässigkeit im Baubewilligungsverfahren nicht.

Das bedeutet, daß die belangte Behörde zu Unrecht nicht die Widmungskategorie des Kellergeschoßes gemäß dem Flächenwidmungsplan geprüft hat. Dieser Mangel hätte aber dann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen, wenn das Projekt ohnedies nicht den jeweiligen Planungsverordnungen (somit der diesbezüglichen Rechtslage) widerspräche. Ein solcher Widerspruch liegt hier aber vor:

Gemäß § 22 Abs. 1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127/1974 in dem Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 41/1991, hat die Gemeinde in Durchführung der Aufgaben der örtlichen Raumordnung für das Gemeindegebiet durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan aufzustellen. (..).

Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung können für verschiedene übereinanderliegende Ebenen desselben Planungsgebietes verschiedene Nutzungen und Baugebiete, soweit es zweckmäßig ist, auch verschiedene zeitlich aufeinander folgende Nutzungen und Baugebiete für ein und die selbe Fläche festgelegt werden.

Gemäß Abs. 9 besteht der Flächenwidmungsplan aus dem Wortlaut und einer zeichnerischen Darstellung samt Planzeichenerklärung. Dem Flächenwidmungsplan ist ein Erläuterungsbericht beizufügen. Der Wortlaut soll nur die Anordnungen erfassen, die zeichnerisch nicht darstellbar sind. Soweit ein Widerspruch zwischen dem Wortlaut der Verordnung oder zeichnerischen Darstellung besteht, gilt der Wortlaut.

Die belangte Behörde hat über Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes den entsprechenden Ausschnitt aus der planlichen Darstellung samt der Planzeichenerklärung und den Wortlaut der entsprechenden Verordnung (in der Folge kurz: Verordnung), mit welcher der "2.0 Flächenwidmungsplan 1992" erlassen wurde, vorgelegt.

Laut dem Plan liegt das fragliche Grundstück in einem Bereich, der mit "KG+WA ÄEZö" bezeichnet ist. Nach der entsprechenden Legende bedeutet diese Signatur "Überlagerung von Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet mit allgemeinen Wohngebiet (EZ) ausgenommen Einkaufszentren".

Im § 6 Abs. 1 der Verordnung heißt es dazu: "Soferne in der zeichnerischen Darstellung Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete mit der Nutzungsart Allgemeines Wohngebiet gemäß § 22 Abs. 4 Stmk ROG überlagert sind, gilt im Erdgeschoß die zulässige Nutzungsart Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet und in den übrigen Geschossen Allgemeines Wohngebiet."

Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, daß für das Kellergeschoß überhaupt keine Flächenwidmung bestehe. Die Bauwerberin vertritt hingegen in ihrer Gegenschrift die Auffassung, es ergebe sich schon aus dem Begriff "Überlagerung", daß nur die Obergeschoßzonen als Wohngebiet und die darunterliegenden Geschoßflächen als Kerngebiet zu behandeln seien, demnach auch das Untergeschoß (Kellergeschoß). Folgte man dem Beschwerdevorbringen, gäbe es für die Geschoßbereiche unter dem Erdgeschoß überhaupt keine gültige Flächenwidmungsausweisung. Die belangte Behörde vertritt (anläßlich der Vorlage dieser Unterlagen) ebenfalls - zumindest im Ergebnis - dieselbe Beurteilung: § 6 Abs. 1 der Flächenwidmungsplanverordnung bestimme, daß im Erdgeschoß die zulässige Nutzungart Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet und in den übrigen - darüberliegenden - Geschoßen Allgemeines Wohngebiet gelte. Der Gemeinderat als Planungsbehörde habe im Flächenwidmungsplan bzw. der Flächenwidmungsplanverordnung nicht expressis verbis festgelegt, welcher Nutzungsart die unter dem als Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet ausgewiesenen Erdgeschoß liegenden Kellergeschoße zuzuordnen seien, "dies jedoch aus einem sich jahrzehntelang herausgebildet habenden Planungsverständnis dahingehend, daß für die Keller- bzw. Untergeschoße unter einer für die "Oberfläche" ausgewiesenen Nutzung dieselbe Nutzungsart zu gelten" habe.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich im Beschwerdefall diesen Beurteilungen nicht anzuschließen. Die von der belangten Behörde gebrauchte Formulierung, in § 6 Abs. 1 der Verordnung sei von "den übrigen - darüberliegenden - Geschoßen" die Rede, ist in dieser Form unzutreffend, weil sich das Wort "darüberliegend" im Abs. 1 nicht findet. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1, wonach im Erdgeschoß die zulässige Nutzungsart Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet UND IN DEN ÜBRIGEN GESCHOßEN Allgemeines Wohngebiet gelte, folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr, daß in derartigen Bereichen (mangels Unterscheidung in der Verordnung) für ALLE übrigen Geschoße außer dem Erdgeschoß (damit auch für allfällige Unter- oder Kellergeschoße) die Nutzungsart Allgemeines Wohngebiet gilt.

Die von der belangten Behörde behauptete abweichende tatsächliche Übung vermag an dieser Beurteilung angesichts des klaren Wortlautes des § 6 Abs. 1 der Verordnung nichts zu ändern. Vielmehr wäre es Sache des Verordnungsgebers gewesen, allfällige abweichende Vorstellungen in der Verordnung entsprechend klar zum Ausdruck zu bringen.

Auch die in dem im Widmungsverfahren eingeholten Gutachten wiedergegebenen Erläuterungen zu dieser Verordnung gebieten keine abweichende Beurteilung. Dort heißt es (zitiert nach der Wiedergabe im Gutachten): "In diesen Gebieten wurde die Wohnfunktion und Kern-, Büro- und Geschäftsgebietsnutzung gemäß § 23 Abs. 4 Stmk ROG überlagert. Die Festlegung dieser Baugebietsüberlagerung erfolgte überall dort, wo der Anteil bestehender Wohnungen überwiegt und in den Erdgeschoßzonen der Gebäude Kern-, Büro- und Geschäftsnutzungen bestehen bzw. angestrebt werden. Diese Ausweisung fand Anwendung im Randbereich des Stadtzentrumes, entlag der in der räumlich-funktionellen Gliederung des Stadtentwicklungskonzeptes angegebenen Entwicklungsrichtungen sowie den Stadtteil - und Bezirkszentren". (Im Gutachten ist angemerkt, daß das Zitat "§ 23 Abs. 4" richtig "§ 22 Abs. 4" zu lauten hätte).

Diese Auslegung, wonach als Nutzungsart für das Kellergeschoß "Allgemeines Wohngebiet" gelte, ist nicht sinnwidrig. Kellergeschoße sind nicht primär für die in § 23 Abs. 5 lit. b oder auch c umschriebenen Nutzungen bestimmt, also insbesondere nicht zum "Wohnen" im engeren Sinn; vielmehr dienen Kellergeschoße typischerweise der Unterbringung von Nebenräumen, wie Kellerabteilen, Lagerräumen, Garagen u.a. Die in einem Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzungsart eines Kellergeschoßes ist insbesondere dann bedeutsam, wenn in einem solchen Geschoß immissionsträchtige Vorhaben verwirklicht werden sollen, weil die unterschiedlichen Nutzungsarten einen unterschiedlichen Immissionsschutz gewähren. Wird demnach in einem Gebäude, in dem das Erdgeschoß als Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet, die darüberliegenden Geschoße hingegen als Allgemeines Wohngebiet gewidmet sind, das Kellergeschoß ebenfalls als Allgemeines Wohngebiet (und nicht als Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet) gewidmet, ist dies schon kraft Flächenwidmung geeignet, einer Belastung der Obergeschoße durch (zusätzliche) Immissionen aus dem Kellergeschoß vorweg (bis zu einem gewissen Grade) zu begegnen.

Die im systematischen Zusammenhang stehenden Bestimmungen des § 23 Abs. 5 lit. a bis c ROG lauten:

"(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

a) reine Wohngebiete, das sind Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen u. dgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind;

b) allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten diesen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können;

c) Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Verwaltungsgebäude, Büro- und Kaufhäuser, Hotels, Theater, Kirchen, Versammlungsräume, Gast- und Vergnügungsstätten u. dgl. bestimmt sind, wobei auch die erforderlichen Wohngebäude und Garagen in entsprechender Verkehrslage sowie Betriebe, die sich der Eigenart des Büro- und Geschäftsgebietes entsprechend einordnen lassen und keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen verusachen, errichtet werden können;

..."

Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Beurteilung der belangten Behörde bei, daß eine Discothek eine "Vergnügungsstätte" ist, wie sie in § 23 Abs. 5 lit. c ROG für Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete vorgesehen ist (demnach kein "Gasthaus" im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. b ROG ist - in diesem Sinne bereits das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1992, Zl. 91/06/0233, zu dem insoweit gleichen Bestimmungen des § 23 Abs. 4 lit. b und c ROG in der Stammfassung). Daraus folgt aber, daß die Betriebstype "Discothek" im Allgemeinen Wohngebiet - und, auf den Beschwerdefall bezogen, im Kellergeschoß des fraglichen Hauses - nicht zulässig ist.

Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des Begehrens.

Schlagworte

Intimation Zurechnung von BescheidenFertigungsklauselBehördenbezeichnung BehördenorganisationMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinVerhältnis zu anderen Materien und Normen DevolutionMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete BaurechtZurechnung von Bescheiden IntimationBaurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060121.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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