TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 93/15/0140

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §177 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §22 Abs1;
EStG 1972 §23 Z1;
EStG 1988 §2 Abs2;
EStG 1988 §22 Z1 lita;
EStG 1988 §23 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Mag. J in P, vertreten durch Dr. G, Rechtswalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 16. Februar 1993, Zl. 6/5-5009/92-03, betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Graphiker, erklärte für das Streitjahr neben Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Das Finanzamt folgte in den für dieses Jahr erlassenen Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheiden - die Festsetzungen erfolgten zunächst vorläufig, wurden aber später für endgültig erklärt - der Auffassung des Beschwerdeführers nicht, daß im erklärten Umfang Einkünfte aus einer künstlerischen Tätigkeit im Sinne des § 22 Z. 1 EStG 1988 bzw. mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu besteuernde Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG 1972 vorlägen.

In seiner nur gegen den Umsatz- und Gewerbesteuerbescheid für das Streitjahr erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß sich seine Tätigkeit im Lauf der Jahre geändert habe, und zwar so, daß er (auch) Arbeiten, bei welchen die eigenschöpferische Tätigkeit im Vordergrund gestanden sei, übernommen habe. Infolgedessen sei ein seine künstlerische Tätigkeit verneinendes Gutachten der zuständigen Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst überholt. Er sei nunmehr auch Mitglied im Verband "D" und habe am 22. Mai 1990 seinen Gewerbeschein zurückgelegt.

Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde ein Gutachten der genannten Sachverständigenkommission darüber ein, ob die vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeitsproben die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit im Sinne der zitierten Abgabenvorschriften rechtfertigten.

Die Kommission vertrat sodann in dem von ihr erstellten Gutachten einstimmig die Meinung, durch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeitsproben erscheine bewiesen, daß er sich schöpferisch mit den in Auftrag gegebenen Themen, die in den Bereich der künstlerischen Gestaltung fielen, auseinandersetze. Die Unterlagen zeigten Kreativität und gingen weit über das Handwerkliche und Erlernbare hinaus.

Voraussetzung für das geforderte Ergebnis sei die Einbringung einer geistig-schöpferischen Tätigkeit, welche die Arbeiten zu einem dem künstlerischen Niveau entsprechenden Resultat weiterentwickeln, wie aus den Basiskonzepten eindeutig hervorgehe. Der Beschwerdeführer habe daher eine künstlerische Tätigkeit als Graphiker entfaltet.

Die belangte Behörde richtete sodann noch einen Vorhalt an den Beschwerdeführer, den dieser auch beantwortete.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab; dies nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe des § 23 Z. 1 EStG 1988 im wesentlichen mit der Begründung, das (neue) Gutachten der genannten Sachverständigenkommission entbehre der Schlüssigkeit. Unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1973, Zl. 1242/72, erachtete sie sich als befähigt und berechtigt, die Frage nach der künstlerischen Tätigkeit des Beschwerdeführers selbst und abweichend vom Gutachten zu beantworten. Aus den Arbeitsproben des Beschwerdeführers gehe nämlich hervor, daß er typische Arbeiten der Werbe- und Gebrauchsgraphik erstellt habe. Dem Argument des Beschwerdeführers, er arbeite eigenkreativ als Künstler und erbringe eine nicht substituierbare Leistung, die über das Maß des Erlernbaren hinausgehe, sei entgegenzuhalten, daß er sich praktisch auf rein wirtschaftlichem Gebiet betätigt habe und mit typischen Gewerbebetrieben in Wettbewerb getreten sei. Die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit habe auch keine weitreichende künstlerische Ausbildung erfordert. Allein wegen der Ablegung der Reifeprüfung an einer höheren graphischen Lehr- und Versuchsanstalt könne die Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht als die eines Künstlers angesehen werden. Nicht nachvollziehbar erscheine weiters die vom Beschwerdeführer vorgenommene Zuordnung seiner Einkünfte im Streitjahr auf die Einkunftsarten Gewerbebetrieb und selbständige Arbeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Schon die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers erweist sich aus folgenden Gründen als berechtigt:

Soweit die belangte Behörde das Unterlassen einer nochmaligen Rückfrage bei der Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst bzw. die Zuziehung weiterer Sachverständiger unter Bezugnahme auf das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1973, Zl. 1242/72, für entbehrlich hält, übersieht sie, daß der Verwaltungsgerichtshof die Vorgangsweise der belangten Behörde im damaligen Beschwerdefall offenbar deswegen gebilligt hat, weil sich die Tätigkeit des damaligen Beschwerdeführers auch für ihn als eine typische Tätigkeit auf dem Gebiet der Werbe- und Gebrauchsgraphik darstellte. In der jüngeren Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in Zweifelsfällen wie dem vorliegenden aber stets gefordert, daß die Abgabenbehörde bei einem von ihr als unschlüssig erachteten Sachverständigengutachten vor einer eigenen Schlußfolgerung ergründet, was die Sachverständigenkommission veranlaßt hat, die ihr vorgelegten Arbeiten des Abgabepflichtigen als künstlerisch zu bewerten bzw., wenn eine solche Ergänzung nicht möglich sein sollte, ein anderes Sachverständigengutachten einzuholen (s. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 90/14/0092, m.w.N.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner in seinem Erkenntnis vom 15. September 1993, Zl. 91/13/0237, ausgesprochen, daß dann, wenn ein Berufungssenat die Arbeiten eines Abgabepflichtigen auf Grund eigener Betrachtung beurteilt, im Falle einer Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen die getroffene Berufungsentscheidung die belangte Behörde die eingesehenen Werke den Verwaltungsakten anzuschließen hat, um so dem Gerichtshof die gebotene nachprüfende Kontrolle zu ermöglichen. Derartige Arbeitsunterlagen sind den in der nunmehrigen Beschwerdesache vorgelegten Verwaltungsakten aber nicht angeschlossen.

Durch die erwähnten Unterlassungen hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren ergeben, daß der Beschwerdeführer im Streitjahr teilweise eine künstlerische Tätigkeit entfaltet hat, so wird die belangte Behörde unter Mitwirkung des Beschwerdeführers, soweit dies irgend möglich ist, eine Trennung der beiden Tätigkeitsbereiche vorzunehmen haben, sofern nicht ein bestimmter Grad des inneren Zusammenhanges zur Annahme einer einheitlichen Betätigung zwingt (s. hiezu abermals das hg. Erkenntnis vom 15. September 1993, Zl. 91/13/0237).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Ersatz für nicht entrichtete Stempelgebühren - die dem Beschwerdeführer erteilte Verfahrenshilfebewilligung erstreckte sich auch auf die Stempelgebühren - konnte nicht zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993150140.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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