TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 94/06/0033

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

L37155 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Salzburg;
L81705 Baulärm Umgebungslärm Salzburg;
L82000 Bauordnung;
L82005 Bauordnung Salzburg;
L82305 Abwasser Kanalisation Salzburg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litc;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litg;
BauRallg;
BauTG Slbg 1976 §62;
BauTG Slbg 1976 §8;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 lita;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des FN und der IN in E, beide vertreten durch Mag. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Slbg LReg vom 10. Jänner 1994, Zl. 1/02-26.137/37-1994, betreffend Nachbareinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister, 2. G-GmbH in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde (in der Folge kurz: Gemeinde) vom 13. Dezember 1982 wurde der Rechtsvorgängerin der zweitmitbeteiligten Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Doppelwohnhauses und einer Doppel-PKW-Garage auf einem Grundstück im Gemeindegebiet erteilt. In den der Baubewilligung zugrunde gelegten Bauplänen ist der Abstand des Hauses zur Grenze des westlich gelegenen Grundstückes der Beschwerdeführer mit 4,00 m ausgewiesen (dies gemäß dem Lageplan und dem Erdgeschoßplan). In der Baubeschreibung heißt es, die Außenwände würden mit 25 cm Hohlblocksteinen errichtet, "Erdgeschoß zur Außenseite mit einem 5 cm starken Vollwärmeschutz versehen, im Obergeschoß mit 5 cm Mineralwolle hinter der vorgesetzten Holzverschalung". Die Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführer gegen den Baubewilligungsbescheid wurde (unbekämpft) als unbegründet abgewiesen.

Aus Anlaß eines baubehördlichen Bewilligungsverfahrens zur Errichtung einer Gartenhütte auf dem Grundstück der Bauwerberin machten die Beschwerdeführer geltend, daß das Haus tatsächlich im Abstandsbereich errichtet worden sei. Anläßlich eines Lokalaugenscheines vom 22. Oktober 1991 wurden die tatsächlichen Abstände zur Grenze (als solche wurde die östliche Kante eines näher bezeichneten Einfriedungssockels angenommen) mit 3,94 m für das nördliche und 3,96 m für das südliche Hauseck ermittelt, wobei im Obergeschoß die Verschalung (noch) um 3 cm vorspringe.

In einer Eingabe vom 7. November 1991 brachte die Bauwerberin vor, sie habe das fragliche Gebäude im Jahre 1984 "in fertig errichtetem Bauzustand erworben". Mittlerweile sei es aufgrund witterungsbedingter Schäden am Wohnhaus notwendig geworden, neue Isolierungen anzubringen, welche dem heutigen technischen Standard entsprächen. Das führe dazu, daß der gemäß § 25 Abs. 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG) einzuhaltende Mindestabstand von 4 m vom Grundstück der Beschwerdeführerin um 7 cm bzw. 9 cm unterschritten werde. Die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes würde für die Bauwerberin nach der besonderen Lage des Falles eine unbillige Härte darstellen, weil das bestehende Doppelwohnhaus nicht in seiner zur Erhaltung bzw. zeitgemäßen Wahrung seiner Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden könnte. Darüberhinaus würden weder benachbarte Grundstücke noch Bauten oder Anlagen erheblich beeinträchtigt, insbesondere werde nicht deren Bebaubarkeit beeinträchtigt bzw. es verlören diese nicht das gewährleistete und erforderliche Tageslicht, wobei insgesamt der Vorteil für die Bauwerberin größer sei als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen. Beantragt werde demnach die Erteilung der Ausnahmebewilligung zur "Unterstützung" (gemeint wohl: Unterschreitung) des gemäß § 25 Abs. 3 BGG einzuhaltenden Mindestabstandes von 4 m zwecks "Errichtung einer Isolierung unseres Wohnhauses mit darüber anzubringender Verschalung".

Mit Eingabe vom 23. Dezember 1991 ersuchte die Bauwerberin (zusätzlich) "um Lageveränderung des Objektes" auf ihrem Grundstück unter Hinweis auf einen zugleich vorgelegten Geometerplan vom 16. Dezember 1991. In diesem Plan sind die Abstände des Hauses zur Grenze des Grundstückes der Beschwerdeführer mit 3,96 m jeweils für das nordwestliche und südwestliche Eck der fraglichen Gebäudefront angegeben (eine weitere Kotierung von 3,95 m bezieht sich auf eine Säule - die Abstände zum nördlich angrenzenden Grundstück sind für das Beschwerdeverfahren nicht relevant). Weiters sind im Plan zwei Schnitte eingezeichnet, die mit "Ost" und bzw. "Nord" bezeichnet sind. Nach dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren handelt es sich dabei um eine Darstellung der Isolierung mit Verschalung an der Nord- bzw. Westwand.

Hierauf holte die Baubehörde Befund und Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen und eines sanitätspolizeilichen Sachverständigen ein, die sich jeweils positiv äußerten.

Die Beschwerdeführer, die sich bereits zum Antrag vom 7. November 1992 (Unterschreitung des Mindestabstandes) ablehnend geäußert hatten, traten auch dem weiteren Ansuchen um Bewilligung der Lageveränderung, sowie den Schlußfolgerungen der Sachverständigen entgegen und machten (mit eingehenden Ausführungen) zusammenfassend geltend, daß das bestehende Haus im Hinblick auf die tatsächlichen Abstände zur Grundgrenze konsenswidrig sei, sowie daß die Voraussetzungen für die Erteilung der strittigen Abstandsnachsicht und damit auch der angestrebten Bewilligung der Lageveränderung nicht gegeben seien.

Mit Bescheid vom 27. März 1992 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz der Bauwerberin auf Grundlage des Geometerplanes vom 16. Dezember 1991

I. die Ausnahmegenehmigung betreffend die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes des derzeit bestehenden Wohnobjektes zum Grundstück der Beschwerdeführer und zu einem weiteren Grundstück wie folgt:

A - zum Grundstück der Beschwerdeführer:

"a) Südwestecke des Objektes: 3.96 m (Putz) - 3.92 m (Holzverschalung)

b) Nordwestecke d. Objektes: 3.96 m (Putz) - 3.92 m (Holzverschalung)".

(Der Punkt IB betrifft die Abstände zum nördlich gelegenen Grundstück und ist nicht beschwerdegegenständlich); II. "Die nachträgliche Bewilligung für die Lageveränderung des gegenständlichen Wohnobjektes", wobei der Geometerplan vom 16. Dezember 1991 sowie die Gutachten des bautechnischen Sachverständigen vom 14. Jänner 1992 sowie des sanitätspolizeilichen Sachverständigen vom 23. Jänner 1992 als wesentlicher Bestandteil des Bescheides erklärt wurden.

Mit dem Spruchteil III. wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die Behörde nach Wiedergabe der Sachverständigengutachten und der Bestimmung des § 25 Abs. 8 BGG zusammenfassend aus, nach der Aktenlage sei davon auszugehen, daß das fragliche Gebäude hinsichtlich der Fassaden (des Verputzes, der Isolierung und Holzschalung) bereits fertiggestellt gewesen sei, als es von der Bauwerberin erworben worden sei. Erst aus Anlaß der Errichtung einer Gartenhütte habe sich ergeben, "daß das gegenständliche über 7 Jahre bestehende Objekt zu nahe an den Bauplatzgrenzen steht" und somit der gesetzliche Mindestabstand gemäß § 25 Abs. 3 BGG bei der Bauführung nicht eingehalten worden sei; gemäß dem bautechnischen Gutachten betrage die Unterschreitung zum Grundstück der Beschwerdeführer 0.04 bis 0.08 m. Zur Einhaltung der in § 25 Abs. 3 BGG vorgeschriebenen Abstandsbestimmungen müßte im 1. Obergeschoß "die fertige Front des Baues" um 0.08 m und im Erdgeschoß das Mauerwerk um 0.04 m zurückversetzt werden. Das bedeute, daß im Bereich des 1. Obergeschosses mindestens 0.02 m und im Bereich des Erdgeschosses mindestens 0.04 m des bestehenden Ziegelmauerwerkes abgetragen werden müßten, um den gesetzlichen Mindestabstand herstellen zu können, "wobei hiebei auch keinerlei Wärmeschutz - bzw. Verputzarbeiten eingerechnet" wären. Der bautechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten festgestellt, daß die Erhaltung des Vollwärmeschutzes (der Isolierung und der Holzverschalung) aus bauphysikalischen und wohnhygienischen Gründen erforderlich, sowie "im Rahmen der energiewirtschaftlichen Gründe des Wohnens unumgänglich" sei. Vorliegendenfalls stehe außer Zweifel, daß das bestehende Objekt nicht konsensgemäß errichtet worden sei, jedoch sei die Behörde zum Schluß gekommen, daß der konsensmäßige Zustand nur durch einen Eingriff nicht nur in den bestehenden Verputz oder in die bestehende Isolierung, sondern in das "über 7 Jahre bestehende Ziegelmauerwerk" hergestellt werden könne, und dies im Sinne der bauphysikalischen, hygienischen, energiewirtschaftlichen und wärmeschutztechnischen Überlegungen eine unbillige Härte im Sinne des § 25 Abs. 8 lit. a darstellen würde.

Hinsichtlich der Erfordernisse des § 25 Abs. 8 lit. b BGG sei festzuhalten, daß der bautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten bezüglich "der Belange des erforderlichen Tageslichtes, der erforderlichen Sonneneinstrahlung, der Wahrung der Baubestimmungen, der Feuerpolizei, hinsichtlich der Bebaubarkeit keine bzw. keine erhebliche Beeinträchtigung" des nördlich und des westlich angrenzenden Grundstückes habe feststellen können. (Anmerkung: Diesbezüglich hatte der bautechnische Sachverständige ausgeführt, daß die schattenbildenden Linien der Dachvorsprünge, die im Plan mit 0.60 m ausgewiesen seien, "im baurechtlichen Rahmen" des § 8 Abs. 1 lit. c des Bautechnikgesetzes lägen. Das Vortreten solcher Bauteile in einem Mindestabstand von den Grenzen des Bauplatzes sei insoweit zulässig, als ein Mindestabstand von 3.00 m gewahrt erscheine. Das Grundstück der Beschwerdeführer sei derzeit nicht bebaut. Aufgrund der schattenbildenden Linien des Vordaches liege "kaum eine nachteilige Beeinflussung hinsichtlich des Verlorengehens des erforderlichen Tageslichtes des von der nötigen Sonneneinstrahlung" vor, weshalb zusätzlich "keine erhebliche Beeinträchtigung" eintrete). Auch habe der sanitätspolizeiliche Sachverständige keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen feststellen können. Daher lägen auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 lit. b BGG vor; die Behörde vermöge sich dem Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich eines "stärkeren Beengtheitsgefühls, des Gassen- bzw. Schluchteffektes, der optischen Verschlechterung eines zukünftig erstellten Wohnhauses" (Anm.: das Grundstück der Beschwerdeführer ist unbebaut), der stärker störenden Spiegelung durch die Verglasungen des Nachbargebäudes bei entsprechendem Sonnenstand, der stärkeren Beeinträchtigung durch Lärm und Licht aus dem Nachbarobjekt, angesichts der geringfügigen Unterschreitung des Mindestabstandes nicht anzuschließen.

Gemäß § 25 Abs. 8 lit. c BGG müsse die Baubehörde beurteilen, ob insgesamt der Vorteil für den Ausnahmewerber größer sei als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke oder Bauten und Anlagen. Eine wesentliche Beeinträchtigung für das Grundstück der Beschwerdeführer sei nicht ersichtlich; demgegenüber sei zu bedenken, daß zur Herstellung des gesetzlichen Mindestabstandes die Bauwerberin nicht nur den bestehenden Putz oder die bestehende Isolierung, sondern auch das bestehende Ziegelmauerwerk "wesentlich" abtragen müßte.

Da auch im Bebauungsplan die Lage des strittigen Baues nicht gesondert ausgewiesen sei, lägen alle Voraussetzungen für die Erteilung der angestrebten Abstandsnachsicht vor.

Im Hinblick darauf, daß die Voraussetzung für die Erteilung der angestrebten Abstandsnachsicht vorlägen, sei auch die angestrebte "Lageverschiebung" zu bewilligen, zumal sich auch diesbezüglich aus der Sicht des Sachverständigen keine Bedenken ergeben hätten.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie insbesondere vorbrachten, daß die von der Behörde angenommenen Ausmaße unzutreffend seien, ein nachträgliche Abstandsnachsicht (für errichtete Gebäude) überhaupt unzulässig sei und auch ansonsten die gesetzlichen Erfordernisse für die Erteilung einer solchen Nachsicht fehlten, weshalb auch die angestrebte Bewilligung der Lageveränderung nicht in Betracht kommte (wurde eingehend näher ausgeführt).

Mit Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde vom 22. Juli 1992 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze bestätigt.

Zusammenfassend trat die Berufungsbehörde der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde bei.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. Im Zuge des Vorstellungsverfahrens brachten sie unter anderem vor, daß die Bauwerberin nun eine Verschalung und Isolierung angebracht habe, die noch tiefer in den Mindestabstand rage, als die frühere Verschalung und Isolierung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte sie zusammenfassend aus, im Ausschußbericht zur Novelle LGBl. Nr. 76/1976 sei bezüglich der Bestimmung des § 25 Abs. 8 BGG festgehalten worden sei, daß mit dieser "Ausnahme" auch bei ordnungsgemäßer und sachkundiger Ausführung auftretende geringfügige Abweichungen der Ausführung von der erteilten Baubewilligung hinsichtlich des Nachbarabstandes saniert werden könnten. Die Gemeindebehörden hätten zu der Voraussetzung des § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG - die kumulativ vorliegen müßten - eingehend und nachprüfbar Stellung bezogen.

Zur Voraussetzung des lit. a hätten die Behörden schlüssig aufgezeigt, daß eine Abtragung sogar von Teilen des Ziegelmauerwerkes zur Herstellung des Mindestabstandes von 4 m eine unbillige Härte wäre. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer könne eine derartige Nachsicht (nachträglich) erteilt werden, wenn die Abstandsunterschreitung bei der Errichtung des Gebäudes entstanden sei. Dies entspreche der Intention des Gesetzes, wie sie sich auch aus dem Ausschußbericht ergebe.

Die Gemeindebehörden hätten sich auf schlüssige Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen und eines sanitätspolizeilichen Sachverständigen gestützt, aus denen sich ergebe, daß "sowohl die erforderliche Sonneneinstrahlung bzw. das Tageslicht" bezüglich des Grundstückes der Beschwerdeführer kaum beeinträchtigt, wie auch die allfällige Bebaubarkeit des Grundstückes durch die Abstandsunterschreitung nicht beeinträchtigt werde. Auch die Vorteilsabwägung nach lit. c sei zutreffend vorgenommen worden; hinsichtlich der Voraussetzung des lit. d sei festgestellt worden, daß sich die Lage der Bauten im Bauplatz nicht aus einem Bebauungsplan ergebe. Darauf, daß in der Natur noch größere Abweichungen bestünden, als bescheidmäßig bewilligt worden seien, komme es im vorliegenden Verfahren nicht an. Dem Einwand, daß die Vermessung unrichtig erfolgt sei, sei entgegenzuhalten, daß die Bauwerberin einen Lageplan eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vorgelegt habe. Die Beschwerdeführer seien dem nicht auf gleicher fachlicher Ebene (etwa durch Vorlage eines Vermessungsplanes) entgegengetreten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Bauwerberin - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A uva.).

Gemäß § 9 Abs. 1 lit. g BauPolG ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die baulichen Maßnahmen ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976, in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht der Nachbarn auf die im § 62 Bautechnikgesetz taxativ aufgezählten subjekiv-öffentlichen Rechte beschränkt (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1994, Zl. 93/06/0164 ua.).

Gemäß § 25 Abs. 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes, LGBl. Nr. 69/1968 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1991, müssen die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, daß ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von Dreiviertel ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m haben.

Gemäß § 25 Abs. 8 BGG kann die für die Baubewilligung zuständige Behörde auf Antrag die Unterschreitung der in den Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise zulassen, wenn

"a) die Einhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellt, wie etwa, wenn bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung ihrer Funktion dringenden erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre;

b) benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen nicht erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere nicht ihre Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete und erforderliche Tageslicht verlieren oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt werden;

c) insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer ist als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen und

d) die Lage des Baues sich nicht aus einem Bebauungsplan ergibt.

Die Ausnahme kann mit der Baubewilligung verbunden werden. Parteien sind die Parteien des Baubewilligungsverfahrens ... "

Zutreffend haben die Behörden erkannt, daß den Beschwerdeführern im vorliegenden Verfahren ein Mitspracherecht zukommt und auch, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die in § 25 Abs. 8 BGG genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, damit die Erteilung einer Ausnahmebewilligung in Betracht kommt, was bedeutet, daß schon bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht zulässig ist (siehe dazu etwa aus jüngerer Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 93/06/0149 unter Hinweis auf die Vorjudikatur).

Da § 25 Abs. 8 BGG ausdrücklich auf "die Unterschreitung der in Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände" Bezug nimmt, folgt daraus (entgegen der Beurteilung der Beschwerdeführer), daß auch (bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen) eine Unterschreitung des in Abs. 3 genannten Mindestabstandes zulässig ist.

Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Beurteilung der belangten Behörde bei, daß die Ausnahmebewilligung gleich der Baubewilligung auch zwecks nachträglicher rechtlicher Sanierung konsenswidrig bzw. konsenslos errichteter Bauten erteilt werden kann und daher entgegen der Meinung der Beschwerdeführer in solchen Fällen nicht jedenfalls unzulässig ist. Ob in derartigen Fällen eine "unbillige Härte" im Sinne des § 25 Abs. 8 lit. a BGG anzunehmen ist, ist aus einer Gesamtschau unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (d.h., es kommt nicht ausschließlich darauf an, welche baulichen Veränderungen zur Herstellung des konsensmäßigen Zustandes erforderlich wären und welche Kosten diese verursachen würden). Die Beschwerdeführer bemängeln in diesem Zusammenhang auch, daß "die wohl ebenso bestehende Möglichkeit, eine Mauer abzutragen und im vorgesehenen Abstand samt Vollwärmeschutz wieder aufzubauen", "von der Berufungsbehörde überhaupt nicht in Betracht gezogen" worden sei.

Da im Beschwerdefall nicht nur umfangreiche bauliche Maßnahmen erforderlich wären, um den konsentierten Abstand herzustellen, und sich auch keine Hinweise finden, daß die - geringfügige - Verletzung des konsentierten Abstandes absichtlich erfolgt wäre, war die Beurteilung der Behörden, daß die Herstellung des konsentierten Abstandes für die Bauwerberin eine "unbillige Härte" bedeuten würde, zutreffend. Angesichts der konkreten Umstände des Beschwerdefalles bedurfte es auch nicht der von den Beschwerdeführern vermißten Kosten/Nutzenrechnung (der diesbezügliche Hinweis der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1981, Slg. Nr. 10.607/A, ist angesichts der unterschiedlichen Sachverhalte im Beschwerdefall nicht zielführend). Bei den gegenständlichen Verfahren (Bewilligung der Abstandsnachsicht und darauf beruhend der "Lageveränderung") handelt es sich um Projektgenehmigungsverfahren. Die Gemeindebehörden haben auf Grundlage der eingereichten Unterlagen, insbesondere des Geometerplanes vom 16. Dezember 1991, die Unterschreitung des Mindestabstandes der Westfront des Gebäudes zur Grenze des Grundstückes der Beschwerdeführer auf 3.96 m hinsichtlich der verputzten Teile der Front und auf 3.92 m hinsichtlich der mit Holz verschalten Teile der Front und dementsprechend auch die "Lageveränderung" bewilligt. Wäre das Vorbringen der Beschwerdeführer, in der Natur bestünden größere Abweichungen als bewilligt (der Abstand zu ihrer Grenze wäre tatsächlich geringer, als bewilligt), zutreffend, bedeutete dies "nur", daß das Bauwerk weiterhin oder abermals konsenswidrig wäre; eine Rechtswidrigkeit der erteilten Bewilligungen vermögen sie damit nicht aufzuzeigen. Derartigen Abweichungen ist, wie die belangte Behörde der Sache nach zutreffend ausgeführt hat, auf andere Weise zu begegnen (siehe § 16 BauPolG). Kommt es aber in dem vorliegenden Verfahren nicht auf die tatsächlich eingehaltenen Abstände an, war auch die Argumentation der belangten Behörde, die Beschwerdeführer seien dem Geometerplan vom 16. Dezember 1991 (hinsichtlich der darin ausgewiesenen Abstände) nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, verfehlt wenngleich im Ergebnis bedeutungslos.

Die Beschwerdeausführungen geben auch keinen Anlaß, die Richtigkeit der Beurteilung der belangten Behörde, die Gemeindebehörden hätten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 lit. b zutreffend angenommen und dies schlüssig begründet, in Frage zu stellen (zumal in der Beschwerde hinsichtlich derartiger Nachteile kein konkretes Vorbringen erstattet wird). Damit wurde auch die Interessenabwägung gemäß lit. c zutreffend vorgenommen (die von den Beschwerdeführern vermißte Kosten/Nutzenrechnung war, wie bereits dargestellt, im Beschwerdefall entbehrlich). Aus dem Umstand, daß die Berufungsbehörde den Hinweis der Beschwerdeführer in ihrer Berufung, daß die Bauwerberin als Rechtsnachfolgerin der seinerzeitigen Bewilligungswerberin die Unterschreitung des Mindestabstandes zu vertreten habe, mit der verfehlten Argumentation begegnet habe, dies sei irrelevant, weil "aus der Nichteinhaltung der Bauabstände der Vorbesitzer" nur im Zivilrechtswege Schadenersatz geltend gemacht werden könne, ist schon deshalb nichts zu gewinnen, weil diese Argumentation der Berufungsbehörde an der Richtigkeit der weiteren Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen der lit. c nichts zu ändern vermag (diese Beurteilung somit jedenfalls im Ergebnis zutreffend war).

Da sich die Lage des fraglichen Baues nicht aus dem Bebauungsplan ergibt (§ 25 Abs. 8 lit. d BGG), was unstrittig ist, lagen somit, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung der angestrebten Abstandsnachsicht vor. Daß auf dieser Grundlage die Bewilligung der "Lageveränderung" zu Unrecht erfolgt wäre, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet und ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

Somit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im übrigen sei aus verfahrensökonomischen Gründen angefügt, daß gegen ein Hervortreten eines Tropfbleches um 1.5 cm in den Abstandsbereich (von 3.92 m) bei richtigem Verständnis des § 8 des Bautechnikgesetzes keine Bedenken bestehen. Gleiches gilt sinngemäß für die in den Planunterlagen im Abstand von 3.95 m zur Grenze der Beschwerdeführer ausgewiesene freistehende Säule (die das Vordach trägt), weil es sich dabei nicht um eine "Front" im Sinne des § 25 Abs. 3 BGG handelt.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060033.X00

Im RIS seit

28.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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