TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 89/14/0075

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3 Z6;
EStG 1972 §28;
GebG 1957 §14 TP6 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der U in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 27. Jänner 1989, Zl. 31.362-3/88, betreffend Einkommensteuer 1978 bis 1980, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Beschwerdeführung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb von einer GmbH folgende im Wohnungseigentum stehende Liegenschaftsanteile an einem Appartement-Hotel:

1.

Top Nr. 93 mit Kaufvertrag vom 19. Juni 1975,

2.

Top Nr. 53 mit Kaufvertrag vom 10. August 1976,

3.

Top Nr. 120 im Wege einer gerichtlichen Zwangsversteigerung (Beschluß vom 26. Jänner 1981),

4.

Top Nr. 121 Erwerb wie Punkt 3,

5.

Top Nr. 109 mit Kaufvertrag vom 28. April 1982.

Aus den unter den Punkten 1 und 2 genannten Objekten erklärte die Beschwerdeführerin folgende Verluste aus Vermietung und Verpachtung:

1976: S - 55.124,--;

1977: S - 14.912,--;

1978: S - 55.608,--;

1979: S - 38.953,--;

1980: S - 5.765,--.

Aus den Objekten 1 bis 4 erklärte die Beschwerdeführerin im Jahr 1981 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt S 126.080,--.

Das Finanzamt ersuchte die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom 8. März 1983, eine Darstellung der künftigen Entwicklung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorzulegen, um beurteilen zu können, ob Liebhaberei vorliege oder nicht.

Die Beschwerdeführerin teilte mit, das Appartement-Hotel sei 1971 eröffnet und vom damaligen Organisator sehr abgewirtschaftet worden. Im Frühjahr 1976 hätten sich die Appartementeigentümer zu einem Verein zusammengeschlossen, um die Vermietung ihrer Appartements zu organisieren. Zu diesem Zweck habe der Verein die Hotelkonzession erworben. Im Jahr 1978 sei die Aufbauarbeit durch einen Großbrand (Schaden ca. S 3,5 Millionen) unterbrochen worden. Abgesehen von der Notwendigkeit der Behebung dieser Schäden im Jahr 1978 seien noch erhebliche Mängel zu beseitigen. Es fehle die behördliche Genehmigung zum Betrieb der Kegelbahn, das Hallenbad sei funktionsunfähig, die Heizung und Warmwasseraufbereitung unwirtschaftlich. Es sei daher im Jahr 1983 vom Vorstand des Vereines beschlossen worden, folgende Sanierungsmaßnahmen zu setzen: Installation einer Luft/Wärmepumpe, Sanierung des Hallenbades und (finanzielle) Unterstützung der Errichtung von zwei Tennisplätzen.

Zusammenfassend sei zu sagen, daß sich das Appartementhotel "noch voll in der Aufbauphase" befinde. Nach Durchführung der geplanten Maßnahmen könne mit erheblich höheren Mieteinnahmen gerechnet werden. Die Beschwerdeführerin benütze ihre Appartements nie für private Zwecke, sodaß kein Anlaß bestehe, Voluptuarbesitz anzunehmen.

Das Finanzamt erließ - zum Teil im wiederaufgenommenen Verfahren - Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1981, in denen davon ausgegangen wurde, daß es sich bei der Vermietung der Appartements Top Nr. 53 und Top Nr. 93 um Liebhaberei handle.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Betrachte man die Einnahmen und die Werbungskosten "periodengerecht", so lasse sich (ohne Absetzung für Abnutzung) ein "Gebarungsüberschuß" erzielen. Außerdem sei die Wohnung Top Nr. 93 im Dezember 1982 verkauft worden, wobei ein "Veräußerungsgewinn" von S 218.981,68 erzielt worden sei. Auch dies spreche gegen die Annahme von Liebhaberei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. In den Jahren 1975 bis 1981 hätten die fixen Kosten (Finanzierungskosten, Betriebskosten und Absetzung für Abnutzung) die erklärten Umsätze zum Teil erheblich überschritten. Der Überschuß im Jahr 1982 betrage lediglich S 109,--. Im Hinblick auf die angekündigten umfangreichen Investitionen könne auch in Zukunft nicht mit einem Überschuß gerechnet werden. Der im Jahr 1982 erzielte "Veräußerungsgewinn" habe, da steuerlich unbeachtlich, bei der Beurteilung der erzielbaren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung außer Betracht zu bleiben.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend brachte sie vor, daß die durch den Vorunternehmer verursachten erheblichen Mängel und die durch den Großbrand enstandenen Schäden außergewöhnliche Verhältnisse darstellten, sodaß kein geeigneter Beobachtungszeitraum für die Beurteilung von Liebhaberei vorliege. Die Sanierung sei eingeleitet worden und es müsse nun die wirtschaftliche Entwicklung bei normalen Verhältnissen abgewartet werden. Weiters vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß der im Jahr 1982 bei der Veräußerung der Eigentumswohnung Top Nr. 93 erzielte Gewinn entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes bei der Beurteilung, ob Liebhaberei vorliege, sehr wohl zu berücksichtigen sei, weil die Beurteilung "vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus" vorgenommen werden müsse.

In Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin folgendes bekannt:

-

Für die Wohnung Top Nr. 53 sei irrtümlich keine Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend gemacht worden;

-

bei den übrigen Objekten sei der AfA-Satz von 5 % auf 1,5 % gesenkt worden, weil dieser Satz der Verwaltungspraxis entspreche;

-

die Wohnungen Top Nr. 120 und 121 seien als Personalzimmer an den Verein vermietet. Der monatliche Mietzins betrage S 1.800,-- zzgl. Umsatzsteuer. Die beiden Wohnungen seien ohne Inanspruchnahme von Fremdmitteln erworben worden. Die Wohnungen Top Nr. 53 und 93 seien ebenfalls an den Verein vermietet, würden von diesem jedoch als Gästeunterkünfte genutzt. Die Abrechnung erfolge nach einem "Topfsystem", wonach die einzelnen Wohnungseigentümer an den Einkünften nach Maßgabe der Zeiträume, während welcher sie ihre Wohnungen dem Verein zur Verfügung stellten, beteiligt seien;

-

die Luft/Wärmepumpe sei 1983 in Betrieb genommen worden. Wegen fehlender Baubewilligung und zu großer Lärmentwicklung sei sie jedoch wiederum abgestellt worden. Nach Abschluß des behördlichen Verfahrens werde jedoch die erwartete Kostenreduktion eintreten;

-

das Hallenbad sei 1983 neu erbaut und im Dezember dieses Jahres eröffnet worden. Auch die Tennisplätze seien in diesem Jahr errichtet worden. Diese Investitionen hätten dazu geführt, das ab 1984 positive Ergebnisse erwirtschaftet werden konnten.

In einem weiteren Schreiben an die belangte Behörde vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß alle an den Verein vermieteten Wohnungen als einheitliche Einkunftsquelle anzusehen seien.

Die belangte Behörde teilte diese Ansicht nicht, sondern ermittelte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für jede Wohnung getrennt, wobei sie die Einnahmen und Werbungskosten, soweit diese nicht eindeutig zugeordnet werden konnte, im Schätzungsweg zuordnete. Sie hielt das Ergebnis dieser Ermittlung der Beschwerdeführerin vor und vertrat dabei die Auffassung, daß aus den Wohnungen Top Nr. 53 und 93 kein Einnahmenüberschuß erzielbar sei.

Die Beschwerdeführerin blieb bei ihrer Rechtsansicht, daß alle an den Verein vermieteten Wohnungen eine einheitliche Einkunftsquelle darstellten. Auch die Finanzierung sei einheitlich zu sehen. Gerade weil einige Wohnungen mit Hilfe von Bauspardarlehen erworben und adaptiert worden seien, habe bei anderen Wohnungen kein Fremdkapitalbedarf bestanden. Weiters wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß in den Jahren 1982 bis 1986 insgesamt "erhebliche Gewinne" erwirtschaftet worden seien.

Die belangte Behörde sah dennoch jede Wohnung als getrennt zu beurteilendes Mietobjekt an und wies die Berufung ab. Während bei den Wohnungen Top Nr. 53 und 93 Liebhaberei vorliege, handle es sich bei den Wohnungen Top Nr. 109, 120 und 121 um steuerlich relevante Einkunftsquellen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auch über Einkommensteuer 1981 sowie über Umsatzsteuer 1980 und 1981 entschieden. Angefochten wird der Bescheid allerdings nur, soweit mit ihm über Einkommensteuer für die Jahre 1978 bis 1980 abgesprochen wurde.

Ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin in den Streitjahren nur über die beiden Eigentumswohnungen Top Nr. 93 und 53 verfügte, hat die belangte Behörde zunächst alle Eigentumswohnungen, also auch die in den Jahren 1981 und 1982 erworbenen, in ihre Erwägungen miteinbezogen und ihrer Entscheidung einen Beobachtungszeitraum bis zum Jahr 1986 zu Grunde gelegt. Sie hat aber nicht die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß durch den späteren Erwerb der weiteren Eigentumswohnungen eine Änderung in der Bewirtschaftungsart eingetreten sein könnte, die zu einer zeitlichen Zäsur und damit zu einer isolierten Betrachtung der beiden erstgenannten Eigentumswohnungen im Zeitraum 1978-1980 geführt hätte. Mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen sieht sich auch der Gerichtshof nicht in der Lage, die Frage zu prüfen, ob für den Streitzeitraum nicht von einer nachfolgenden Änderung der Bewirtschaftungsart auszugehen wäre und die deswegen auf die beiden Eigentumswohnungen Top Nr. 93 und 53 beschränkte Beurteilung der belangten Behörde im Ergebnis zuträfe.

Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Gesamtbetrachtung davon ausgegangen, daß die später erworbenen Eigentumswohnungen Top Nr. 109, 120 und 121 Einkunftsquellen darstellen (Seite 14 zweiter Absatz des angefochtenen Bescheides), die allerdings getrennt von den Eigentumswohnungen Top Nr. 93 und 53 als solche zu beurteilen seien. Gegen diese wohnungsbezogene Betrachtungsweise wendet sich die Beschwerdeführerin, indem sie bestreitet, daß mehrere getrennt zu betrachtende Mietobjekte vorlägen. In Wahrheit handle es sich um eine einheitliche Vermögensnutzung, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sei.

Zu diesem Vorbringen ist folgendes zu sagen: Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, wenn sie darauf hinweist, daß grundsätzlich jedes Mietobjekt gesondert danach zu untersuchen ist, ob es eine Einkunftsquelle bildet oder nicht, daß dieser Grundsatz insbesondere auch für verschiedene Eigentumswohnungen gilt und daß der Gerichtshof sogar einzelne Wohnungen in einem Mietwohnhaus einer diesbezüglich getrennten Beurteilung unterzogen hat (vgl. das Erkenntnis vom 10. Februar 1987, 85/14/0142). Eine derartige getrennte Betrachtungsweise setzt aber regelmäßig voraus, daß die Objekte entweder an verschiedene Personen vermietet werden, oder daß auf Grund anderer Merkmale unterschiedliche und voneinander unabhängige wirtschaftlich abgrenzbare Nutzungsvereinbarungen vorliegen. Werden mehrere Wohnungen, die sich alle in demselben Gebäude befinden, von einem Vermieter an EINE Person vermietet - einen solchen Sachverhalt hat die belangte Behörde im Beschwerdefall als erwiesen angenommen -, so spricht dies an sich schon für eine Vermögensnutzung, die als Einheit aufzufassen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1992, 88/13/0006). Bei derartigen Vereinbarungen ist es nämlich naheliegend, daß unterschiedliche, die Nutzung beeinflussende Faktoren, wie unterschiedliche Wertigkeit, Eignung, Ausmaß etc., wechselseitig in die Waagschale geworfen werden und so GEMEINSAM bei der Willensbildung der vertragschließenden Parteien berücksichtigt werden. Ist eine Wohnung für einen Vertragsteil zu besonders günstigen Bedingungen vermietet, so kann dieser Vorteil bei Vermietung einer anderen Wohnung unter denselben Vertragsparteien ausgeglichen werden. Im Beschwerdefall kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, der für eine einheitliche Beurteilung der Vermietung aller Eigentumswohnungen durch die Beschwerdeführerin spricht. Dienen doch die von der belangten Behörde als Einkunftsquellen anerkannten Eigentumswohnungen Top Nr. 109, 120 und 121 der Unterbringung jenes Personals, das für den Betrieb des Appartementhotels und damit auch für die Vermietung der Wohnungen Top Nr. 53 und 93 erforderlich ist. Ein derartiger wirtschaftlicher Zusammenhang der Vermietung einzelner baulich zusammengehöriger Eigentumswohnungen an ein- und denselben Mieter führt dazu, daß die Vermietung steuerlich als Einheit zu beurteilen ist und zur Gänze entweder eine Einkunftsquelle oder Liebhaberei darstellt.

Für diese einheitliche Betrachtungsweise spricht schließlich auch der Grundsatz, daß die Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten nicht dazu führen soll, daß wirtschaftlich gleichgelagerte Sachverhalte grob ungleich und damit wettbewerbsverzerrend mit Abgaben belastet werden. Gerade dieser Effekt würde aber eintreten, wenn einerseits bei einem in durchaus üblicher Weise als Gewerbebetrieb geführten Appartementhotel die weniger ausgelasteten verlustbringenden Appartements bei der Ergebnisermittlung mitberücksichtigt würden - das wäre eine zwingende Folge der betrieblichen Einheit des Appartementhotels - während andererseits bei der im Beschwerdefall gewählten rechtlichen Gestaltung nur die ertragbringenden Appartements abgabenrechtlich erfaßt würden.

Da die belangte Behörde somit von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der eine Entrichtungspflicht bestanden hat, wobei zu beachten ist, daß die Stempelgebühr pro Beschwerdeausfertigung auch dann nur in einfacher Höhe zu entrichten ist, wenn die Beschwerde aus mehreren Bogen besteht (§ 14 Tp 6 Abs. 1 GebG).

Schlagworte

Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1989140075.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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