TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 94/04/0187

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39;
GewO 1973 §9 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. Juli 1994, Zl. UVS-04/15/00289/93, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 15, vom 23. April 1993 wurde der Beschwerdeführer "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der "X" Restaurants Gesellschaft m.b.H."

schuldig erkannt, es zu verantworten zu haben, "daß diese Gesellschaft in Wien, im "Gassenverkauf" des dort etablierten Gastgewerbebetriebes am 17.12.1992 durch den Verkauf von "Porzellanhäusern mit Kerze" ein Handelsgewerbe ausgeübt hat, ohne im Besitze einer entsprechenden Gewerbeberechtigung gewesen zu sein". Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß die verletzte Verwaltungsvorschrift vollständig:

"§ 366 Abs. 1 Z. 1 iVm § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973" zu lauten habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Berufungswerber sei im erstinstanzlichen Straferkenntnis zur Last gelegt worden, als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der genannten Gesellschaft m.b.H. es zu verantworten zu haben, daß diese Gesellschaft am genannten Standort im Gassenverkauf des dort etablierten Gastgewerbebetriebes zur genannten Zeit durch den Verkauf von Porzellanhäusern mit Kerze ein Handelsgewerbe ausgeübt habe, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer habe sich dem gegenüber auf § 191 GewO 1973 berufen, wonach Gastgewerbebetreibende, die zur Ausübung einer Konzession mit der Berechtigung gemäß § 189 Abs. 1 Z. 1 oder mit der Berechtigung gemäß § 189 Abs. 1 Z. 2 berechtigt sind, unter anderem auch berechtigt seien, übliche Reiseandenken zu verkaufen. Die genannte Gesellschaft sei am genannten Standort zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Restaurantes berechtigt. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei das Wort "auch" im § 191 Abs. 1 GewO 1973 nicht absolut und für sich alleine isoliert zu betrachten, sondern im Gesamtzusammenhang des § 191 leg. cit. und hier vor allem im Hinblick auf dessen Normzweck. Da den näher genannten Gastgewerbetreibenden in mehreren Absätzen des § 191 leg. cit. verschiedenste zusätzliche Rechte zugestanden würden, sei klar, daß sich das Wort "auch" in Abs. 1 nur auf das in diesem Absatz genannte Recht beziehe, bei dem es sich um eines der im § 191 leg. cit. in mehreren Absätzen in Summe genannten Rechten handle. Daher stehe den Gastgewerbetreibenden neben den sich aus ihrer Konzession ergebenden Rechten und neben den in den übrigen Absätzen des § 191 GewO 1973 normierten Rechten zusätzlich das Recht zu, Waren des üblichen Reisebedarfes, die dann in der Folge erst demonstrativ aufgezählt würden, zu verkaufen. Diese Interpretation gebiete sich vor allem im Hinblick auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage über eine GewO 1972, woraus eindeutig zu ersehen sei, daß den im § 191 GewO 1973 genannten Gastgewerbetreibenden zusätzlich nur der Verkauf des üblichen Reisebedarfes gestattet sei, weil sonst das vom Gesetzgeber keinesfalls gewollte Ergebnis vorläge, daß Gastgewerbetreibende mit allem handeln dürften, vorausgesetzt, es würden die Bestimmungen des § 191 Abs. 3 GewO 1973 eingehalten. Ein Porzellanhaus mit Kerze sei keinesfalls unter den Begriff "Waren des üblichen Reisebedarfes" zu subsumieren, da es sich um keinen Gegenstand handle, der typischerweise mit Wien in Bezug zu bringen sei und somit als Reiseandenken gewertet werden könne, zumal bekanntermaßen Porzellanhäuser mit Kerze das ganze Jahr über an vielen Orten verkauft würden. Schließlich sei der Hinweis des Berufungswerbers, das Porzellanhaus mit Kerze sei als Devotionalie zu werten, völlig verfehlt, da Devotionalien "der Andacht dienende Gegenstände" seien und als solche nicht unter die Ausnahmebestimmungen des § 191 GewO 1973 fielen. Da somit das verkaufte Produkt nicht unter die Ausnahmebestimmungen des § 191 GewO 1973 zu subsumieren sei, hätte die vom Berufungswerber nach außen vertretene Gesellschaft für den damit erfolgten Handel die entsprechende Gewerbeberechtigung benötigt, die sie aber unbestrittenermaßen nicht besessen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtige abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Übertretung schuldig erkannt und bestraft zu werden. Er trägt in Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend geklärt. Sie sei von einem unvollständig festgestellten Sachverhalt und daran anknüpfend von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Es könne zunächst weder dem Berufungsbescheid noch dem erstinstanzlichen Bescheid entnommen werden, wie das "Porzellanhaus mit Kerze" ausgesehen habe. Hätte die belangte Behörde dies erhoben, so hätte sie erkannt, daß auf dem "Porzellanhäuschen mit Kerze" auf der Rückseite Klebebilder mit Sehenswürdigkeiten von Wien abgebildet gewesen seien. Schon allein aus diesem Grunde hätte daher die belangte Behörde zum Schluß kommen müssen, beim gegenständlichen "Porzellanhaus mit Kerze" handle es sich eindeutig um ein übliches Reiseandenken im Sinne des § 191 Abs. 1 GewO 1973. Die belangte Behörde habe daher den rechtlich relevanten Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Des weiteren sei dem Beschwerdeführer im laufenden Verfahren niemals die Möglichkeit einer Stellungnahme geboten worden. Den Ausführungen der belangten Behörde zur Bedeutung des Wortes "auch" in § 191 Abs. 1 leg. cit. sei deshalb nicht zuzustimmen, weil diese Gesetzesstelle keine vollständige Aufzählung der Tätigkeiten, zu denen Gastgewerbetreibende berechtigt seien, enthalte und der Umfang der Nebenrechte gemäß § 191 Abs. 3 GewO 1973 in der Richtung beschränkt sei, daß der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben müsse und keine zusätzlichen Hilfskräfte und keine zusätzlichen Räumlichkeiten verwendet werden dürften. Ebenso sei eine straßenseitige Schaustellung der Waren verboten. Diese Beschränkungen seien im vorliegenden Fall alle eingehalten worden, da die "Porzellanhäuser mit Kerze" in Kartonagen verpackt in jenem Bereich des Betriebes, in dem der sogenannte Gassenverkauf von warmen Geflügelspeisen stattgefunden habe, zum Verkauf angeboten worden seien. Auch habe dieses "Porzellanhaus mit Kerze", das nur in der Vorweihnachtszeit, vertrieben worden sei, unmittelbaren Bezug auf das Weihnachtsfest gehabt und sich daher sehr wohl als Reisegeschenkartikel, der Erinnerung an einen vorweihnachtlichen Wienbesuch wecke und somit als übliches Reiseandenken zu werten sei, geeignet.

Der Beschwerde kommt schon aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Der Beschwerdeführer wurde im angefochtenen Bescheid (durch Bestätigung des diesbezüglichen Teiles des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) ausdrücklich "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener" der genannten Gesellschaft in Anspruch genommen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der handelsrechtliche Geschäftsführer einer juristischen Person nur dann für ein gewerberechtlich strafbares Verhalten dieser juristischen Person zu bestrafen, wenn im Tatzeitraum kein gewerberechtlicher Geschäftsführer, der nach § 370 Abs. 2 GewO 1973 in Anspruch genommen werden kann, bestellt war. Das gilt auch dann, wenn eine gewerberechtlich nicht gedeckte Tätigkeit IM SACHLICHEN ZUSAMMENHANG mit einer durch eine vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeit steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/04/0241). Es ist daher Aufgabe der belangten Behörde, in einem Fall wie dem vorliegenden in der BEGRÜNDUNG des angefochtenen BESCHEIDES klare Feststellungen darüber zu treffen, ob im gegenständlichen Tatzeitraum für die juristische Person ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war oder nicht (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 92/04/0014, und die dort verwiesene hg. Judikatur).

Dadurch, daß die belangte Behörde derartige Feststellungen im angefochtenen Bescheid unterließ, blieb der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unvollständig. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch die Umsatzsteuer erfassende Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes abzuweisen. Im übrigen betrifft die Abweisung nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040187.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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