TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 94/04/0152

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

AVG §13 Abs3;
FGO §6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der Landesinnung Oberösterreich der Rauchfangkehrer in Linz, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. Juni 1994, Zl. Ge-211.336/6-1994/Kut/Bla, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: M in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25. Jänner 1994 wurde entgegen dem Gutachten der Beschwerdeführerin (§ 116 Abs. 3 GewO 1994) festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes, eingeschränkt auf das Kehrgebiet Linz-Land, durch die mitbeteiligte Partei in einem näher bezeichneten Standort vorliegen, weshalb die erstattete Gewerbeanmeldung zur Kenntnis genommen werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. Juni 1994 wurde diese Berufung gemäß § 63 Abs. 1 AVG i.V.m.

§ 6 Abs. 2 der Fachgruppenordnung als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig der Spruch des erstbehördlichen Bescheides hinsichtlich der zitierten Gesetzesbestimmungen richtig gestellt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann u.a. aus, nach § 6 Abs. 2 der Fachgruppenordnung habe die Einbringung der Berufung durch eine Fachgruppe das zuständige Organ der Fachgruppe zu beschließen. Der Berufung sei der vom Vorsitzenden des zuständigen Organs zu fertigende Auszug aus dem Sitzungsprotokoll anzuschließen. Als zuständiges Organ der Fachgruppe sei in diesem Sinne das Exekutivkomitee der Landesinnung Oberösterreich der Rauchfangkehrer anzusehen. Die bloße Einbringung eines begründeten Berufungsantrages durch den Landesinnungsmeister und seinen Geschäftsführer reiche zur Wahrung der Rechte der Beschwerdeführerin nicht aus, weil als Berufung nur ein solches Anbringen angesehen werden könne, das allen vom Gesetz für eine Berufung vorgeschriebenen sachlichen Voraussetzungen entspreche. Da ein Auszug aus der Sitzung des Exekutivkomitees der Landesinnung Oberösterreich der Rauchfangkehrer nicht angeschlossen gewesen sei und damit eine der Bedingungen, unter welchen der Beschwerdeführerin das Berufungsrecht zuerkannt werde, nicht erfüllt worden sei, sei die gegenständliche Berufung nicht zulässig. Die Berufungsbehörde sei nicht in der Lage, eine Verlängerung der Berufungsfrist zum Zwecke der Nachreichung des fehlenden Sitzungsprotokolls zu gewähren. Das fehlende Sitzungsprotokoll sei zwar am 23. März 1994 nachgereicht worden. Dieser Umstand vermöge jedoch den aufgezeigten gesetzlichen Mangel nicht zu sanieren, weil es sich nicht nur um ein bloßes Formgebrechen handle, sondern um einen Mangel des durch die Fachgruppenordnung geforderten Inhaltes. Dies umso mehr, als das fehlende Sitzungsprotokoll nicht innerhalb der mit 14. Februar 1994 endenden Berufungsfrist nachgebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit einem derartigen Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrer auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützten Beschwerde in "ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Sachentscheidung über ihr inhaltliches Vorbringen im Berufungsschriftsatz" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin u. a. vor, sie sei eine im Sinne des § 1 Abs. 2 HKG gebildete Organisation der gewerblichen Wirtschaft und somit Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Vertretung nach außen sei schon kraft Gesetzes geregelt und der Fachgruppenvorsteher befugt, die Fachgruppe (Landesinnung) zu vertreten und von ihr ausgehende Eingaben und sonstige Schriftstücke gemeinsam mit dem Fachgruppensekretär zu fertigen. Diesen Anforderungen habe der Berufungsschriftsatz vom 11. Februar 1994 voll entsprochen. Damit seien die Erfordernisse des § 63 Abs. 3 AVG bereits inhaltlich voll erfüllt, da die Berufung lediglich den bekämpften Bescheid zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten habe. Es stelle somit schon eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dar, wenn die belangte Behörde meint, aus § 63 Abs. 1 AVG könne die Verknüpfung der Rechtsmittellegitimation mit den Formalerfordernissen aus den "sonstigen Verwaltungsvorschriften" abgeleitet werden. Lediglich auf das Recht der "matierellen" Berufungslegitimation werde mit dem Verweis auf die "sonstigen Verwaltungsvorschriften" Bezug genommen, welches aber durch das gesamte Handelskammergesetz samt Ausführungsverordnungen (Fachgruppenordnung) nicht nur nicht eingeschränkt werde, sondern vielmehr durch § 126 Abs. 3 GewO 1973 sogar ausdrücklich positiviert sei. Keinesfalls aber könne § 63 Abs. 1 AVG ein Sinn beigelegt werden, wonach (formelle) Mängel einer Berufungsschrift eine an sich zustehende Rechtsmittellegitimation vernichten könnten. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG sei die Behörde verpflichtet, bei Vorliegen von Formgebrechen einen befristeten Verbesserungsauftrag zu erteilen. Das Fehlen einer Beilage oder das Fehlen einer Unterschrift auf einer Berufung sei ein geradezu typisches Formgebrechen. Es handle sich daher auch beim Fehlen des in § 6 Abs. 2 FGO geforderten Sitzungsprotokolls um ein typisches Formgebrechen. Dieser Bestimmung könne keinesfalls entnommen werden, daß aus dem Sitzungsprotokoll die Offenlegung der Überlegungen für die Berufungsentscheidung oder gar der Berufungsbegründung entnommen werden können müsse, sondern es beschränke sich der Zweck dieser Bestimmung lediglich darauf, der Berufungsbehörde die Tatsache der Beschlußfassung zu belegen.

Gemäß § 116 GewO 1994 hat die Bezirksverwaltungsbehörde vor Erlassung des Bescheides über die Anmeldung des Handwerkes der Rauchfangkehrer die Landesinnung der Rauchfangkehrer aufzufordern, innerhalb einer Frist von vier Wochen ein Gutachten zur Voraussetzung gemäß § 108 Abs. 1 Z. 4 abzugeben. Widerspricht die Entscheidung der Behörde dem fristgerecht abgegebenen Gutachten der Landesinnung der Rauchfangkehrer oder wurde sie nicht zur Abgabe eines Gutachtens aufgefordert, so steht der Landesinnung der Rauchfangkehrer das Recht der Berufung gegen den Bescheid zu.

Gemäß § 12 der Fachgruppenordnung, BGBl. Nr. 223/1947 in der Fassung der FGO-Novelle 1989, BGBl. Nr. 502, ist der Vorsteher der gesetzliche Vertreter der Fachgruppe. Er leitet und überwacht die gesamte Geschäftsführung und besorgt die laufenden Geschäfte. Er beurkundet die Beschlüsse der Fachgruppe und fertigt die von der Fachgruppe ausgehenden Mitteilungen, Eingaben und sonstigen Schriftstücke grundsätzlichen Inhaltes gemeinsam mit dem Sekretär der Fachgruppe.

Gemäß § 6 Abs. 2 FGO hat die Einbringung der Berufung das zuständige Organ der Fachgruppe (Sektion) zu beschließen. Der Berufung ist der vom Vorsitzenden des zuständigen Organs zu fertigende Auszug aus dem Sitzungsprotokoll anzuschließen.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zutreffend hervorhebt, erschöpft sich der normative Gehalt der Bestimmung des § 6 Abs. 2 2. Satz FGO in der Verpflichtung, einer von einer Fachgruppe erhobenen Berufung eine Urkunde zum Beweis für die erfolgte Beschlußfassung im zuständigen Organ anzuschließen. Es handelt sich somit um eine Vorschrift, die die Form einer zu erhebenden Berufung betrifft. Das Fehlen der in dieser Bestimmung vorgeschriebenen Beilage bildet damit ein Formgebrechen, dessen Behebung die Behörde zufolge § 13 Abs. 3 AVG nicht zur sofortigen Zurückweisung der Berufung berechtigt, sondern sie vielmehr zur Einleitung des dort vorgesehenen Verbesserungsverfahrens verpflichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1957, Slg. N.F. Nr. 4486/A).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid dadurch, daß sie infolge ihrer verfehlten Rechtsauffassung ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens bzw. ohne Berücksichtigung der noch vor Einleitung eines solchen Verfahrens erfolgten Verbesserung des Mangels die Berufung der Beschwerdeführerin zurückwies, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Beilagen Gewerberecht Formgebrechen behebbare Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040152.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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