TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 89/14/0036

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs1;
B-VG Art132;
EStG 1972 §4 Abs4;
KStG 1966 §7;
KStG 1966 §8;
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §3 Abs7;
VwGG §27;
VwGG §36 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 89/14/0037 E 20. Dezember 1994

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der E-GesmbH in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 13. Dezember 1988, Zl. 12/2/9-BK/D-1988, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 1983 und 1984, Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für die Jahre 1983 und 1984, Körperschaftsteuer für die Jahre 1983 bis 1985 sowie Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für die Jahre 1983 und 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm über Körperschaftsteuer 1984 und 1985 sowie über die Feststellung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1984 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH wurde im Jahr 1980 gegründet. Für die Jahre 1982 bis 1984 fand bei ihr eine Betriebsprüfung statt, in deren Rahmen der Prüfer unter anderem folgende Feststellungen traf:

1. Die von der Beschwerdeführerin als steuerfreie Ausfuhrlieferungen (§ 7 UStG 1972) deklarierten Umsätze der Jahre 1983 und 1984 seien in Wahrheit gar nicht steuerbar, weil die betreffenden Waren in der Bundesrepublik Deutschland erworben und direkt von dort an die im Iran ansässigen Firmen

A. und T. geliefert worden seien. Da die Beschwerdeführerin sonst keine Umsätze erzielt habe und ein Antrag auf Regelbesteuerung (§ 21 Abs. 8 UStG 1972) nicht gestellt worden sei, habe für die Jahre 1983 und 1984 keine Umsatzsteuerveranlagung zu erfolgen.

2. Im Jahr 1984 seien unter der Bezeichnung "Provisionen" Aufwendungen in Höhe von S 2,247.758,-- geltend gemacht worden. Als Empfänger sei eine im Iran wohnhafte Person namens S. genannt worden. Dabei sei folgende Vorgangsweise gewählt worden: Die Beschwerdeführerin habe "überhöhte" Ausgangsfakturen gelegt und die "daraus resultierenden Überzahlungen" bar an S. "rückerstattet". Eine Nachkalkulation durch den Prüfer habe aber ergeben, daß die in Rechnung gestellten Beträge nur in einem geringeren Ausmaß als "überfakturiert" anzusehen seien, sodaß ein Teil der Provisionen im Ausmaß von S 1,390.000,-- nicht als betrieblich veranlaßter Aufwand anerkannt werden könne. Vielmehr sei davon auszugehen, daß dieser Betrag dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als verdeckte Gewinnausschüttung zugekommen sei.

Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, daß sich S. vorübergehend in Europa aufhalte und als Zeuge für den Empfang der vollen Provisionssumme vernommen werden möge.

Im Zuge dieser Zeugeneinvernahme machte S. im wesentlichen folgende Aussage: Er sei an der iranischen Firma A. beteiligt. Die restlichen Anteile entfielen auf seinen Schwager, Cousin und zwei Freunde. Er sei Geschäftsführer dieser Firma im Angestelltenverhältnis und beziehe ein Gehalt. An der zweiten iranischen Firma T. sei er nicht beteiligt. Er sei aber für deren Importe zuständig. Das Entgelt für diese Tätigkeit erhalte er vom Verkäufer (= Beschwerdeführerin) in der Weise, daß der von ihm gewünschte Betrag zunächst auf die Ausgangsfaktura des Verkäufers aufgeschlagen und später an ihn rückerstattet werde. Er habe den Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in der Bundesrepublik Deutschland kennengelernt und mit ihm diese Vorgangsweise vereinbart. Weiters sei vereinbart worden, daß ihm ein "günstigerer Preis als der von anderen Firmen angeboten werden müsse, (und) daß in der Folge auf diesen Preis 10 % ... aufgeschlagen werden". Diese um 10 % erhöhte Summe habe die offizielle Offertsumme dargestellt. Das Offert sei für die Einholung der Importbewilligung seitens der iranischen Behörden erforderlich gewesen. Später seien statt des zehnprozentigen Aufschlages auch Fixbeträge vereinbart worden. Bei dem streitgegegenständlichen Geschäft habe dieser "Fixverdienst" ungefähr DM 315.000,-- bis DM 325.000,-- betragen. Den Empfang der "Provisionen" habe er schriftlich bestätigt (zwei dieser Bestätigungen legte der Zeuge vor). Die Gelder selbst seien häufig auch an andere Personen ausbezahlt worden, die er dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin genannt habe. Es habe sich dabei um Freunde und Bekannte gehandelt, die im Ausland Geld benötigt hätten. Diese Beträge seien ihm dann im Iran zu einem günstigen Umrechnungskurs rückerstattet worden. Abschließend ersuchte der Zeuge um vertrauliche Behandlung seiner Angaben, weil er sonst mit Nachteilen rechnen müsse.

In der Niederschrift über die Schlußbesprechung wurde festgehalten, daß der Zeugenaussage des S. "in Ausübung der freien Beweiswürdigung teilweise die Glaubwürdigkeit abgesprochen und diese als Gefälligkeitsaussage qualifiziert (worden sei), da ihr Inhalt in Verbindung mit den übrigen diesbezüglichen Begleitumständen im Widerspruch mit den allgemeinen Erfahrungen des Wirtschaftslebens stünde".

Diese Niederschrift wurde vom Steuerberater der Beschwerdeführerin als mangelhaft erklärt und deren Unterfertigung verweigert.

In einer Stellungnahme wies der Prüfer unter anderem noch auf folgende Fakten hin:

Die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 1982 bis 1984 insgesamt einen Verlust in Höhe von S 167.790,-- erwirtschaftet. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe in diesem Zeitraum keine Geschäftsführervergütung erhalten. Der Polizeibehörde gegenüber habe er allerdings angegeben, über ein "monatliches Nettoeinkommen" von S 10.000,-- bis S 15.000,-- aus der Tätigkeit als Geschäftsführer zu verfügen. Dem Prüfer habe der Geschäftsführer gesagt, er bestreite seinen Lebensunterhalt aus Geldbeträgen, die von Personen stammten, die wiederum Freunde oder Angehörige im Iran hätten und ihrerseits diese Geldbeträge (im Iran) von Angehörigen des Geschäftsführers rückerstattet bekämen. Der Geschäftsführer habe vor Erwerb der Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin als Export-Verkaufsleiter einer deutschen Firma monatlich DM 3.500,-- verdient. Es sei äußerst unwahrscheinlich, daß er eine so gut besoldete Tätigkeit aufgegeben habe, um unentgeltlich die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin zu übernehmen und von Unterstützungen naher Angehöriger zu leben. Vielmehr müsse angenommen werden, daß dem Geschäftsführer Teile der behaupteten Provisionszahlungen direkt oder über Umwege zugekommen seien.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ zum Teil nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechende Abgabenbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Es sei unrichtig, daß die in den Jahren 1983 und 1984 getätigten Umsätze nicht steuerbar gewesen seien. Die Übertragung der Verfügungsmacht betreffend die in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen und nach dem Iran gelieferten Gegenstände sei deswegen in Österreich erfolgt, weil hier die entsprechenden Traditionspapiere übergeben worden seien. Im übrigen sei eine Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren unzulässig, weil dem Finanzamt der Sachverhalt "auf Grund verschiedener Eingaben" bekanntgewesen sei.

Die Nachkalkulation des Betriebsprüfers sei fehlerhaft. Insbesondere sei unberücksichtigt geblieben, daß die Beschwerdeführerin bemüht gewesen sei, "neue Geschäfte aufzubauen". Man habe daher erhöhte Anbahnungskosten in Kauf nehmen müssen.

S. habe als Zeuge den Empfang der Provisionen im vollen Ausmaß bestätigt. Bei dieser Aussage sei zu bedenken, daß S. bei Bekanntwerden der Provisionszuflüsse im Iran "mit der sofortigen Exekutierung der Todesstrafe rechnen muß". Für die steuerliche Anerkennung von Provisonszahlungen bei Auslandsgeschäften sei die betriebliche Veranlassung, die Angemessenheit, der Zusammenhang mit einem bestimmten Geschäft und allenfalls die Namhaftmachung des Empfängers erforderlich. Allen diesen Erfordernissen werde im Beschwerdefall entsprochen. Zweifel an der Angemessenheit hätte die belangte Behörde durch Vergleich mit anderen Betrieben aufklären können.

Der Betriebsprüfer gab zu der Berufung eine Stellungnahme ab. Es sei zwar richtig, daß die Übergabe eines den Besitz vermittelnden Traditionspapieres die körperliche Übergabe der Ware ersetze; der Ort der Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sei jedoch dort, wo sich die Ware im Zeitpunkt der Übergabe des Traditionspapiers befinde. Weiters entspreche es nicht den Tatsachen, daß dem Finanzamt die Abwicklung der Warenlieferungen zum Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide bekanntgewesen sei. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf "verschiedene Eingaben" sei zu allgemein gehalten, um die Kenntnis des Finanzamtes vom maßgebenden Sachverhalt darzutun. Bezüglich der Provisionen verwies der Betriebsprüfer auf seine bisherigen Feststellungen und betonte nochmals die Unüblichkeit der behaupteten Vorgangsweise.

In der Folge erließ das Finanzamt den Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1985.

Auch dieser Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin mit Berufung angefochten und zwar mit der Begründung, daß die Verlustvorträge nicht berücksichtigt worden seien.

(Verlustvorträge wären allerdings nur zu berücksichtigen gewesen, wenn die im Jahr 1984 verbuchten Provisionszahlungen von der Abgabenbehörde in voller Höhe als betrieblicher Aufwand anerkannt worden wären.)

Im weiteren Verfahren wurden noch nachstehende Argumente vorgebracht:

Der Steuerberater der Beschwerdeführerin wies darauf hin, daß sich das Unternehmen während der Streitjahre noch in der Aufbauphase befunden habe. Die Kalkulation des Betriebsprüfers sei unzutreffend. Bei richtiger Zuordnung der Kosten ergebe sich aus dem strittigen Geschäft ein auftragsbezogener Gewinn von S 595.043,--, somit knapp 2 % des erzielten Erlöses. Diese Spanne sei international üblich.

Der Betriebsprüfer gab als Auskunftsperson vernommen an, daß die von der Beschwerdeführerin in den Iran gelieferten Waren von deutschen Unternehmen stammten und zu normalen Preisen an die Beschwerdeführerin fakturiert worden seien. Die Beschwerdeführerin habe dann die Waren zu überhöhten Preisen an die im Iran ansässige Firma A. geliefert. Ermöglicht habe diese Vorgangsweise S., der die Bewilligung der iranischen Behörden erwirkt habe. Die Bezahlung an die Beschwerdeführerin sei über Dokumentenakkreditiv erfolgt. Die Ungewöhnlichkeit der Transaktion sei darin zu erblicken, daß die Beschwerdeführerin bei diesem Geschäft trotz hohen Risikos - der Iran habe sich im Kriegszustand befunden - keinen Gewinn erwirtschaftet habe, obwohl sie ihrem Geschäftsführer keine Vergütung bezahle.

Die belangte Behörde wandte sich mit einem Rechtshilfeersuchen an das Bundesamt für Finanzen, Informationszentrale für Auslandsbeziehungen in Bonn, um Klarheit über die Geschäftsverbindungen der Beschwerdeführerin mit den deutschen Lieferfirmen zu erhalten. Dabei wurden die Einstandspreise und die überhöht weiterfakturierten Beträge mitgeteilt.

Im Hinblick auf eine von der Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerde entschied die belangte Behörde über die Berufung noch vor Einlangen einer Antwort auf ihr Rechtshilfeersuchen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Steuerberater der Beschwerdeführerin vor, daß es durch die Anfrage im Rechtshilfeersuchen und die damit verbundene Bekanntgabe der an die iranischen Unternehmen weiterfakturierten Preise zu einem "Abbruch von Geschäftsbeziehungen" gekommen sei. Die wirtschaftlichen Folgen für die Beschwerdeführerin seien noch gar nicht absehbar.

Die belangte Behörde wies die Berufung betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 1983 und 1984, Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für diese Jahre sowie Körperschaftsteuer 1985 als unbegründet ab. Der Berufung betreffend Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuermeßbeträge für die Jahre 1983 und 1984 wurde teilweise Folge gegeben, indem der nicht als Betriebsaufwand anerkannte Provisionsbetrag von S 1,390.000,-- auf S 1,272.000,-- herabgesetzt wurde.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als Beschwerdepunkt wird zunächst ausdrücklich die Verletzung des Rechtes "auf fehlerfreie Handhabung der Feststellung von Provisionsaufwand als Betriebsausgabe und in diesem Zusammenhang auf fehlerfreie Festsetzung der Bemessungsgrundlage zur Berechnung sämtlicher Steuern und Abgaben" geltend gemacht. Dem weiteren Beschwerdevorbringen ist deutlich zu entnehmen, daß sich die Beschwerdeführerin auch durch die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 1983 und 1984 sowie durch die entsprechenden Sachbescheide, mit denen das Vorliegen steuerfreier Ausfuhrlieferungen gemäß § 6 Z. 1 UStG 1972 verneint wurde, beschwert erachtet.

Was die Wiederaufnahme der beiden Umsatzsteuerverfahren betrifft, so hat die Beschwerdeführerin sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der Beschwerde lediglich behauptet, dem Finanzamt sei der maßgebliche Sachverhalt aus den "verschiedenen Eingaben" bereits zum Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide bekannt gewesen. Welche Eingaben das gewesen sein sollen, bleibt unklar. Der Aktenlage ist jedenfalls nicht zu entnehmen, daß das Finanzamt Kenntnis davon hatte, daß die an iranische Firmen gelieferten Waren in der Bundesrepublik Deutschland erworben und unmittelbar von dort in den Iran geliefert worden waren. Dies hatte jedoch zur Folge, daß es sich bei den Lieferungen nicht um Ausfuhrlieferungen im Sinne des § 6 Z. 1 bzw. § 7 UStG 1972 handelte, sondern um nichtsteuerbare Lieferungen im Ausland. Daß die Übergabe der Ware durch Übergabe von Traditionspapieren in Österreich bewirkt wurde, mag zutreffen, ändert aber nichts daran, daß gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1972 eine Lieferung dort ausgeführt wird, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.

Auch die Ausführungen in der Beschwerde, mit der Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, insbesondere im Rahmen der Betriebsprüfung gerügt werden, sind unerheblich, weil Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nur der angefochtene Bescheid ist und daher allfällige Verletzungen von Verfahrensvorschriften im erstinstanzlichen Verfahren, die sich auf das zweitinstanzliche Verfahren nicht auswirken, ohne Bedeutung sind. Ebensowenig berechtigt ist das Beschwerdevorbringen, soweit damit gerügt wird, daß die Vernehmung des Betriebsprüfers als Auskunftsperson nicht in der mündlichen Verhandlung, sondern außerhalb derselben erfolgt ist. Da der Beschwerdeführerin ausreichend Gelegenheit geboten wurde, sich zu sämtlichen Feststellungen des Prüfers zu äußern, ist nicht erkennbar, worin die Rechtswidrigkeit dieser Vorgangsweise erblickt wird.

Die Beschwerde ist jedoch berechtigt, soweit sie sich auf die Kürzung des Provisionsaufwandes bezieht. Die belangte Behörde stützt ihre Auffassung, daß die geltend gemachten Provisionen als überhöht anzusehen seien, auf folgende Überlegungen:

1. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe von dieser im Prüfungszeitraum keine Vergütungen für seine Geschäftsführertätigkeit erhalten. Er habe eine gut besoldete Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland (monatlich DM 3.500,--) aufgegeben, um für eine Kapitalgesellschaft, an der er beteiligt sei

(= Beschwerdeführerin) unentgeltlich seine volle Arbeitskraft einzusetzen. Dies sei ungewöhnlich und berechtige zu der Annahme, daß Teile der Provisionszahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer (als verdeckte Gewinnausschüttungen) zurückgeflossen seien.

2. Es müsse davon ausgegangen werden, daß die Beschwerdeführerin aus dem Geschäft mit iranischen Firmen entsprechende Gewinne erwirtschaftet habe, zumal sie das alleinige Risiko für den Zahlungseingang getragen habe.

Da sich bei Anerkennung der Provisionszahlungen in voller Höhe kein entsprechender Gewinn ergeben hätte, seien die Provisionen um S 1,272.000,-- zu kürzen gewesen.

Beide Argumente sind nicht geeignet, den angefochtenen Bescheid zu tragen. Es trifft zwar zu, daß ungewöhnliche geschäftliche Transaktionen die Vermutung rechtfertigen, daß das vom Abgabepflichtigen behauptete Geschehen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. In solchen Fällen ist es aber Aufgabe der Abgabenbehörde solche Vermutungen durch ein entsprechendes Beweisverfahren dergestalt zu verdichten, daß ein von den Erklärungen des Abgabepflichtigen abweichender Sachverhalt als erwiesen angenommen werden kann. An solchen Feststellungen fehlt es im Beschwerdefall. Die ausführliche und in sich widerspruchsfreie Aussage des S., daß er die Provisionen in voller Höhe empfangen habe, wird nicht deswegen unglaubwürdig, weil die Geldübergabe durch Mittelsmänner bzw. zum Teil auch durch Angehörige des Gesellschafter-Geschäftsführers vorgenommen wurde. Der Zeuge S. hat dies damit begründet, daß in der Bundesrepublik Deutschland vorübergehend anwesende Freunde und Bekannte Bedarf an Devisen gehabt hätten und daß es devisenrechtlich günstiger gewesen sei, eine (doppelte) offizielle Umrechnung zu vermeiden.

Der Gerichtshof hält diese Begründung für durchaus glaubhaft, zumal das (häufig auch illegale) Beschaffen von Devisen durch privates Geldwechseln keine Seltenheit darstellt. Die Auffassung der belangten Behörde durch diese Art der Bezahlung der Provisionen werde die Vermutung "verstärkt", daß Teile der Provision "zurückgeflossen sind", wird daher vom Gerichtshof nicht geteilt.

Eine weitere Untermauerung ihrer Vermutung glaubt die belangte Behörde darin erblicken zu können, daß die Beschwerdeführerin die Provisionszahlungen nicht "den einzelnen Geschäftsvorfällen" zugeordnet habe. Dies obwohl sie vom Prüfer dazu aufgefordert worden sei.

Abgesehen davon, daß eine solche Aufforderung nicht aktenkundig ist, hat der Prüfer selbst von einem "Gesamtprojekt mit einem Auftragsvolumen in der Höhe von ca. 4,7 Mio. DM" gesprochen und diesem Zusammenhang wiederholt den Begriff "Geschäft" in der Einzahl verwendet. Der Zeuge S. hat ausgesagt, daß die Beschwerdeführerin eine einheitliche Lieferung beabsichtigt habe, daß jedoch auf seinen Wunsch hin "Teillieferungen" erfolgt seien. Welche Bedeutung eine Aufspaltung der Provision auf die einzelnen Teillieferungen für den Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Beschwerdeführerin haben sollte, bleibt dem Gerichtshof verborgen, zumal die belangte Behörde die Bezahlung von Provisionen im Ausmaß von nahezu S 1 Million als erwiesen annimmt, ohne an der Art der Bezahlung und der vermißten Aufgliederung Anstoß zu nehmen, und nur dem übersteigenden Betrag die Abzugsfähigkeit versagt hat.

Bedenklich ist die Feststellung der belangten Behörde, sie habe auf Grund der Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin die Beantwortung ihres Rechtshilfeersuchens nicht mehr abwarten können, und sei (auch) deswegen zur (Teil)Schätzung der Provisionen verhalten gewesen.

Eine Säumnisbeschwerde darf nicht Anlaß dafür sein, bewußt gegen die amtswegige Ermittlungspflicht zu verstoßen. Ist ein Ermittlungsergebnis noch ausständig, von dem sich die Abgabenbehörde eine Klärung des maßgebenden Sachverhaltes erwartet, so berechtigt eine Säumnisbeschwerde allein nicht dazu, das Beweisverfahren zu Lasten des Abgabepflichtigen durch eine Schätzung zu ersetzen. Erforderlichenfalls bietet § 36 Abs. 2 VwGG die Möglichkeit zur Fristerstreckung für die Nachholung des versäumten Bescheides - eine Möglichkeit, die die belangte Behörde durchaus hätte in Anspruch nehmen können, zumal das Antwortschreiben des Bundesamtes für Finanzen kurzfristig zu erwarten war und tatsächlich EINEN Tag nach Ausfertigung des angefochtenen Bescheides bei der belangten Behörde eingetroffen ist.

Schließlich stützt sich die belangte Behörde noch auf die Kalkulation, die sie zwar zugunsten der Beschwerdeführerin abgeändert hat, die aber dennoch einen um S 1,272.000,-- überhöhten Provisionsaufwand ergab.

Nun kann aber einem als Betriebsausgabe geltend gemachten Aufwand nicht deswegen die steuerliche Anerkennung versagt werden, weil anderenfalls das Betriebsergebnis nicht den Vorstellungen der Abgabenbehörde entspricht. Es ist als bekannt vorauszusetzen, daß es auch Verlustgeschäfte gibt, die insbesondere in der Anlaufphase eines Unternehmens nicht ungewöhnlich sind. Im Beschwerdefall kommt hinzu, daß es sich um sogenannte "Ostgeschäfte" handelte, bei denen unter dem Begriff "Provisionen" oft erhebliche Kosten in Kauf genommen werden, um Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Die aus solchen Geschäftsbeziehungen erwarteten Gewinne können sich oft erst Jahre später einstellen oder auch gänzlich ausbleiben. Das Inkaufnehmen von Verlusten gehört zum Unternehmerwagnis. Diese Überlegungen sind auch im Zusammenhang mit dem Entschluß des Gesellschafter-Geschäftsführers angebracht, eine verhältnismäßig gut besoldete nichtselbständige Erwerbstätigkeit aufzugeben und in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft selbst als Unternehmer tätig werden zu wollen. Daß solche Entscheidungen oft zu "Durststrecken" und wirtschaftlichen Engpässen führen, ist nichts Ungewöhnliches. Selbst ein völliges Scheitern derartiger Aktivitäten kommt im Wirtschaftsleben immer wieder vor.

Dennoch ist die Abgabenbehörde berechtigt, Zweifel am Wahrheitsgehalt behaupteter wirtschaftlicher Fehlschläge zu haben. Um Klarheit zu schaffen, kann der Sachverhalt eingehend geprüft, können Beweise aufgenommen und Erfahrungswerte zum Vergleich herangezogen werden. Ergibt ein solches Ermittlungsverfahren die Unglaubwürdigkeit des vom Abgabepflichtigen erstatteten Vorbringens, so kann die Abgabenbehörde - wie bereits gesagt - einen davon abweichenden, der Wahrheit eher entsprechenden Sachverhalt als erwiesen annehmen.

Im Beschwerdefall haben die Ermittlungen der Abgabenbehörde weder im erstinstanzlichen noch im zweitinstanzlichen Verfahren Umstände zutage gebracht, die geeignet waren, das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu entkräften. Eine an der Prämisse eines notwendigerweise erzielten Gewinnes orientierte Kalkulation ist der Wahrheitsfindung dann nicht dienlich, wenn die Prämisse ihrerseits zweifelhaft ist. Zielführender wäre es gewesen, Erfahrungswerte aus anderen "Ostgeschäften" heranzuziehen. Auch die Beschwerdeführerin hat eine derartige Vorgangsweise auf Seite 4 ihrer Berufung angeregt. Die belangte Behörde hat dies jedoch nicht getan, sondern sich letztlich mit bloßen Vermutungen und einer auf Vermutungen aufbauenden Kalkulation begnügt; ihre Beweiswürdigung, insbesondere hinsichtlich der Zeugenaussage des S. entbehrt daher der Schlüssigkeit.

Daraus folgt, daß der angefochtene Bescheid, soweit mit ihm über Körperschaftsteuer und einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für das Jahr 1984 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Da der Körperschaftsteuerbescheid 1985 insoweit mit dem Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1984 verknüpft ist, als der Vortrag von Verlusten davon abhängt, welche Bemessungsgrundlagen für die Vorjahre festgestellt wurden, war auch dieser Bescheid wegen der Fernwirkungen der für das Jahr 1984 festgestellten Verfahrensmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Bescherde, wie dargelegt, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß der in der Beschwerde aufgezeigte Berechnungsfehler, bei Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für das Jahr 1984 (statt S 37.390,-- richtig S 38.590,--) zwischenzeitig durch die belangte Behörde gemäß § 293 BAO berichtigt wurde. Da aber der Bescheid betreffend den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für das Jahr 1984 vom Gerichtshof ohnedies aufgehoben wurde, ist dem Berichtigungsbescheid die Grundlage entzogen; dem Umstand der Berichtigung kommt daher keine Bedeutung mehr zu.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in dreifacher Ausfertigung vorzulegen war.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1989140036.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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