TE Vfgh Beschluss 1992/9/29 B1/91, B171/91, B903/91

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung der Verfahren wegen Klaglosstellung; Kostenzuspruch

Spruch

Die Verfahren werden eingestellt.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters die mit 49.500 Schilling bestimmten Kosten der Verfahren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. Der Beschwerdeführer war nach seinen Angaben vom 4. September 1961 bis 13. Februar 1989 Versicherungsvertreter der Salzburger Gebietskrankenkasse und als solcher seit 27. Mai 1974 Vorsitzender des Überwachungsausschusses. Die vorliegenden Verfahren betreffen Leistungen für solche Tätigkeiten im Sinne des §420 Abs5 ASVG.

1. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1988 wurde dem Beschwerdeführer seitens der Gebietskrankenkasse mitgeteilt, daß die Höchstbeträge für Funktionsgebühren nach §3 der Grundsätze für die Entschädigung der Versicherungsvertreter (Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. Jänner 1975, Z 21.925/1-10/75) vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger ab 1. Jänner 1989 neu errechnet worden seien und seine Funktionsgebühr ab diesem Zeitpunkt 15.230 S (14 x jährlich) betrage. Mit Schreiben vom 25. Juli 1989 wurde er davon in Kenntnis gesetzt, daß der Verwaltungsausschuß beschlossen habe, ihm eine Entschädigung gemäß §19 der Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungsleistungen für Versicherungsvertreter zu gewähren; da diese Entschädigungsleistung erst nach seinem Ausscheiden aus dem Gemeinderat der Stadt Salzburg zur Anweisung gelangen könne, möge er die Beendigung seiner Funktion bekanntgeben.

Am 25. Jänner 1990 faßte der Vorstand der Gebietskrankenkasse einen Beschluß betreffend die Gewährung einer Pensionsleistung (Entschädigung) an den Beschwerdeführer. Diesen Beschluß hob der Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 7. Februar 1990 in Ausübung des Aufsichtsrechtes auf. Über Berufung der Gebietskrankenkasse wurde aber der aufsichtsbehördliche Bescheid vom Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Bescheid vom 18. Oktober 1990 seinerseits aufgehoben: der Bundesminister ging davon aus, daß die Höhe der Entschädigung dem Vorstandsbeschluß nicht zu entnehmen sei.

Mit Schreiben vom 7. November 1990 teilte die Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer mit, daß der erforderliche Vorstandsbeschluß über die Höhe der Entschädigung in der Sitzung vom 30. Oktober 1990 gefaßt wurde und ihm demgemäß eine monatliche Entschädigungsleistung von 500 S gewährt werde (die während seiner Tätigkeit als Gemeinderat ruhe).

Gegen dieses Schreiben vom 7. November 1990 richtet sich die zu B1/91 erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ("vorsichtshalber"), die annimmt, daß es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handelt, der bescheidmäßig zu erledigen sei (da §420 Abs5 letzter Satz ASVG auch die Eintreibung zu Unrecht bezogener Leistungen im Verwaltungsweg vorsehe), für dessen Geltendmachung aber möglicherweise kein Rechtszug eröffnet sei (da nach §420 Abs5 Satz 1 zweiter Halbsatz ASVG kein Dienstverhältnis vorliege und zweifelhaft sei, ob es sich um eine Verwaltungssache im Sinne des §355 ASVG handle), und Willkür der Behörde rügt.

2. Gegen das Schreiben vom 7. November 1990 erhob der Beschwerdeführer ferner Einspruch an den Landeshauptmann mit dem Begehren, den Bescheid aufzuheben und festzustellen, daß ihm aufgrund der bisherigen Verwaltungspraxis ein Entschädigungsbetrag im jeweiligen Höchstausmaß des §21 der Grundsätze gebühre. Im Zusammenhang mit dem Vorstandsbeschluß vom 25. Juli 1989 sei ihm über Anfrage mündlich mitgeteilt worden, die Entschädigung betrage 12.184 S (also das Höchstausmaß gemäß den Grundsätzen). Der ihm nunmehr zuerkannte Betrag sei keine Entschädigung, sondern allenfalls eine (rentenmathematisch berechnete) Rückzahlung der von ihm eingezahlten Beiträge. Diese Vorgangsweise widerspreche Treu und Glauben.

Der Landeshauptmann von Salzburg, der das Schreiben der Gebietskrankenkasse ebenfalls als Bescheid wertete, erledigte diesen Einspruch mit Bescheid vom 30. Jänner 1991 durch Zurückweisung. Angelegenheiten des autonomen Wirkungsbereiches des Selbstverwaltungskörpers eines Sozialversicherungsträgers seien keine Verwaltungs- oder Leistungsangelegenheiten. Der unbekämpft gebliebene Vorstandsbeschluß vom 30. Oktober 1990 stelle anzuwendendes Recht dar und könne nicht über Parteiantrag, sondern nur mit Reassumierungsbeschluß geändert werden. Es sei daher dem Sozialversicherungsträger und der Einspruchsbehörde verwehrt, darüber im Verwaltungs- oder Leistungsverfahren zu entscheiden.

Die nach der Rechtsmittelbelehrung des Zurückweisungsbescheides zulässige Berufung an den Bundesminister für Arbeit und Soziales wies dieser mit Bescheid vom 12. Juli 1991 als unzulässig zurück. Einen Rechtszug an den Landeshauptmann sehe das ASVG nur gegen Bescheide der Sozialversicherungsträger in Verwaltungssachen vor. Dieser ende beim Landeshauptmann, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt sei, was aber nur für Entscheidungen über die Versicherungspflicht oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung der Fall sei (§415 ASVG). Eine Entscheidung im Berufungsverfahren sei dem Bundesminister daher verwehrt.

Im Hinblick auf die Zurückweisung seiner Berufung gegen den zurückweisenden Bescheid des Landeshauptmanns stellte der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhob zu B903/91 gegen den Bescheid des Landeshauptmanns Beschwerde wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Der Landeshauptmann habe die Sachentscheidung zu Unrecht verweigert: ein Rechtsmittel sei nicht ausgeschlossen, sodaß der Instanzenzug nach Art103 Abs4 B-VG an den Landeshauptmann gehe.

3. Zugleich mit dem Einspruch an den Landeshauptmann hatte der Beschwerdeführer mit gleichem Begehren auch Aufsichtsbeschwerde und einen Antrag auf Streitentscheidung nach §450 Abs1 ASVG an den Bundesminister für Arbeit und Soziales gestellt. Diesen Antrag wies der Bundesminister mit Bescheid vom 16. Jänner 1991 wegen Unzuständigkeit zurück. §450 Abs1 ASVG könne nur jene Rechte eines Mitgliedes eines Verwaltungskörpers zum Gegenstand haben, deren Einräumung und Wahrnehmung als eine Voraussetzung für die ungeschmälerte und ungehinderte Ausübung des Amtes und die Befolgung der damit verbundenen Pflichten zu betrachten ist. Das Bestehen dieser Rechte habe also eine aktive - und nicht bloß ehemalige - Mitgliedschaft des Rechtsträgers in einem Verwaltungskörper zur Voraussetzung. Im Hinblick auf das Ausscheiden des Beschwerdeführers aus seinem Amt könne daher im Rahmen des §450 Abs1 ASVG keine Entscheidung getroffen werden. Im übrigen unterlägen derartige Entscheidungen der Selbstverwaltung einer Überprüfung (nur) im Aufsichtswege. Die sich aus ihrem Ehrenamt ergebenden Rechte und Pflichten hätten die Mitglieder der Verwaltungskörper auch ohne den Erhalt einer Entschädigung wahrzunehmen. Über die Aufsichtsbeschwerde werde eine gesonderte Mitteilung ergehen.

Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales wendet sich die schon zu B171/91 erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. §450 Abs1 ASVG unterscheide nicht zwischen aktiven und ausgeschiedenen Mitgliedern der Verwaltungskörper.

4. Die Salzburger Gebietskrankenkasse (zu B1/91) und der Landeshauptmann von Salzburg (zu B903/91) haben sich mit der Vorlage der Akten begnügt. Im Verfahren B171/91 hat der Gerichtshof die belangte Behörde (Bundesminister für Arbeit und Soziales) unter Bezugnahme auf §450 Abs1 ASVG, wonach die oberste Aufsichtsbehörde "bei Streit über Rechte und Pflichten der Versicherungsträger und deren Mitglieder" zu entscheiden hat, eingeladen,

"... näher darzulegen, wie sie zu der ... behaupteten Einschränkung ihrer Entscheidungspflicht auf bestimmte Rechte eines Mitgliedes eines Verwaltungskörpers kommt. Ferner wolle sie darlegen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß §450 Abs1 ASVG noch in der Stammfassung gilt, Entschädigungen für ausgeschiedene Funktionäre aber erst seit der 29. Novelle vorgesehen sind. Liegt hier nicht zumindest die Annahme einer durch Analogie zu schließenden Lücke nahe?"

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat hierauf eine Gegenschrift erstattet, in der er zunächst bemerkt,

"... daß das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als oberste Aufsichtsbehörde nunmehr den Beschluß des Vorstandes der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 30.10.1990, mit dem die Höhe der Entschädigung nach §420 Abs5 ASVG an den Beschwerdeführer mit monatlich S 500,-- festgesetzt wurde und der ein Anlaß für den Antrag des Beschwerdeführers an das Sozialressort auf Entscheidung nach §450 Abs1 ASVG war, in Ausübung des Aufsichtsrechtes nach den §§448 Abs5 und 449 Abs1 ASVG mit dem beiliegenden Bescheid vom 25.2.1992, Zl. 21.925/13 - 2/91, aufgehoben hat. Vorbehaltlich einer allfälligen Beschwerde an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof gegen diesen Bescheid hätte die Salzburger Gebietskrankenkasse daher nun neuerlich über die Höhe der Entschädigung zu beschließen".

Zur Frage des Gerichtshofes führt der Bundesminister folgendes aus:

"Wie aus dem dritten Satz des §420 Abs5 ASVG hervorgeht, obliegt die Entscheidung über die Gewährung der dort bezeichneten Entschädigungen sowie über ihr Ausmaß dem Vorstand. Aus dieser Regelung läßt sich nicht entnehmen, daß einem einzelnen Verwaltungskörpermitglied - unabhängig davon, ob es sich noch in seinem Amt befindet oder schon aus ihm ausgeschieden ist - ein Recht zustünde, den Vorstand dazu zu verhalten, die Gewährung von solchen Entschädigungen oder auch nur ihre Festsetzung in einer bestimmten Höhe generell oder für einen Einzelfall zu beschließen. Selbst dann, wenn ein solches Verwaltungskörpermitglied dem Vorstand angehört, kommt ihm auf dessen Entscheidung auch in den in Rede stehenden Fällen eine bestimmende Einflußnahme lediglich nach dem Gewicht seines Stimmrechtes zu; dieses Stimmrecht zählt beispielsweise zu jenen Rechten, die Gegenstand des §450 Abs1 ASVG sind.

Wenn nun aber das Recht, über die Gewährung der gegenständlichen Entschädigungen sowie über ihr Ausmaß zu entscheiden, dem Vorstand zukommt, dann haben nach Maßgabe der folgenden Ausführungen sowohl die unmittelbare als auch die oberste Aufsichtsbehörde jede diesbezügliche Entscheidung des Vorstandes zur Kenntnis zu nehmen, die im Sinne des §449 Abs1 ASVG rechtskonform und zweckmäßig ist; dies im Hinblick darauf, daß die Versicherungsträger Körperschaften öffentlichen Rechtes mit autonomer und eigenverantwortlicher Geschäftsführung sind, die zwar einer Aufsicht, grundsätzlich nicht aber einer Weisung durch den Bund unterliegen. Im gegenständlichen Fall beschränkt sich - abgesehen vom erwähnten Aufsichtsrecht (siehe Achter Teil Abschnitt VI ASVG) - die Möglichkeit einer Einflußnahme durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales auf die Aufstellung der im §420 Abs5 ASVG genannten Grundsätze, somit insbesondere auf die Festlegung der dort vorgesehenen Grenzwerte (Höchstsätze, Höchstausmaß). Eine darüber hinausgehende Einflußnahme, etwa im Sinne einer Festlegung konkreter Entschädigungsleistungen dem Grunde oder - abgesehen von den bereits genannten Grenzwerten - der Höhe nach, wäre gesetzlich nicht gedeckt und damit ein rechtlich unzulässiger Eingriff in die autonome Selbstverwaltung der Versicherungsträger.

Dazu kommt noch folgendes: Beschließt der Vorstand in dem ihm vorgegebenen rechtlichen Rahmen über die Leistung und das Ausmaß von Entschädigungen im Sinne des §420 Abs5 ASVG, so begründet ein solcher Beschluß bei sonst gegebenen Voraussetzungen zwar einen Leistungsanspruch der davon betroffenen Verwaltungskörpermitglieder, dieser Anspruch richtet sich aber nicht gegen den Vorstand, der ja lediglich das geschäftsführende Organ in dieser Angelegenheit ist, sondern gegen den Versicherungsträger. Ferner beruht dieser Anspruch zwar darauf, daß die Forderungsberechtigten Verwaltungskörpermitglieder sind (oder waren), er ist aber nicht in einem Recht begründet, das ihnen bei der Ausübung ihrer spezifischen Tätigkeit als Verwaltungskörpermitglieder zusteht (oder zustand), sondern er findet seine Grundlage letztlich in einem Vorstandsbeschluß, auf dessen Zustandekommen und Inhalt ihnen allenfalls in der Eigenschaft als Vorstandsmitglieder nach Maßgabe des vorhin Gesagten ein Einfluß zukam oder zugekommen wäre.

Wenn somit ein Vorstandsbeschluß über die Gewährung und das Ausmaß einer Entschädigung im Sinne des §420 Abs5 ASVG keinen Anlaß zu einer aufsichtsbehördlichen Beanstandung gibt, dann können durch ihn auch nicht Rechte eines Verwaltungskörpermitgliedes verletzt werden und der Beschluß selbst oder die sich aus ihm ergebenden Folgen können daher keinen Streit verursachen, in dem die oberste Aufsichtsbehörde gemäß §450 Abs1 ASVG zu entscheiden hat.

Der Vollständigkeit halber wird mit Beziehung auf die Frage des Verfassungsgerichtshofes, 'welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß §450 Abs1 ASVG noch in der Stammfassung gilt, Entschädigungen für ausgeschiedene Funktionäre aber erst seit der 29. Novelle vorgesehen sind', noch festgehalten, daß diesem Umstand nach Meinung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für die Festlegung der in den Anwendungsbereich des §450 Abs1 ASVG fallenden Rechte und Pflichten der Verwaltungskörper und deren Mitglieder keine Bedeutung zukommt. Dies deshalb, weil - wie bereits ausgeführt - die Frage der Gewährung einer Entschädigung auf der Grundlage des §420 Abs5 ASVG nicht in den Anwendungsbereich des §450 Abs1 ASVG fällt."

Die Aufhebung des Vorstandsbeschlusses vom 30. Oktober 1990 ist in dem von der Gegenschrift bezogenen, nur der Salzburger Gebietskrankenkasse und dem Landeshauptmann von Salzburg zugestellten Bescheid des Bundesministers vom 25. Februar 1992 wie folgt begründet:

"§420 Abs5 erster und zweiter Satz ASVG enthält folgende Bestimmung: Die Mitglieder der Verwaltungskörper versehen ihr Amt aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung als Ehrenamt; ihre Tätigkeit in Ausübung dieses Amtes begründet kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger. Den Mitgliedern der Verwaltungskörper, ferner den aus ihrer Funktion ausgeschiedenen Obmännern, Obmann-Stellvertretern, Vorsitzenden und Vorsitzenden-Stellvertretern der Überwachungsausschüsse, Vorsitzenden und Vorsitzenden-Stellvertretern der Landesstellenausschüsse sowie den Hinterbliebenen der genannten Funktionäre können jedoch Entschädigungen gewährt werden.

Aus der Verwendung des Wortes 'können' in dieser Bestimmung geht hervor, daß das Gesetz es dem Versicherungsträger überläßt, eine Entschädigung nach freiem Ermessen zu gewähren. Das bedeutet aber nicht, daß die Gewährung einer Entschädigung der Willkür des Versicherungsträgers überlassen ist, da 'auch dort, wo das Gesetz der Verwaltungsbehörde freies Ermessen einräumt, nach Art130 Abs2 B-VG vom Ermessen nur im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht werden' darf (VwGH 29.1.1964, 2243/61).

Mit dem im Sinne des §420 Abs5 ASVG gefaßten Vorstandsbeschluß, eine Entschädigung von monatlich S 500,-- zu gewähren, wurde das dabei anzuwendende freie Ermessen in einer unzulässigen Weise ausgeübt:

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, daß die Geldleistung an ausgeschiedene Funktionäre nicht eine Rente oder eine bloße Rückzahlung einbezahlter Beiträge sein soll, sondern eine Entschädigung, mit der dem Funktionär jener Nachteil abgegolten werden soll, der ihm dadurch entsteht, daß er seine Arbeitskraft oder einen Teil davon nicht für eine entgeltliche oder gewinnbringende Tätigkeit, sondern für dieses Ehrenamt einsetzt. Zum Nachteil, der durch die Entschädigung ausgeglichen werden soll, gehört auch der Entgang, eine dem Arbeitseinsatz entsprechende, anderweitige Vorsorge für den Ruhestand zu erwerben.

Demnach ist der Wert, der der mit der Ausübung der Funktion verbundenen Tätigkeit beigemessen wird, für die Beurteilung der Frage, welche Höhe der Entschädigung angemessen ist, von maßgeblicher Bedeutung.

Gerade auf dieses Kriterium bezieht sich der einzige - wenn auch nur andeutungsweise - erkennbare Grund für die Entscheidung des Vorstandes der Salzburger Gebietskrankenkasse in der Sitzung vom 25.1.1990, von der bisherigen Praxis der Gewährung von Entschädigungen im Höchstausmaß auch an ausgeschiedene Funktionäre abzugehen: Aus den Protokollen der Vorstandssitzungen vom 25.1.1990 und vom 12.7.1991 ist zu entnehmen, daß die bisherige Praxis, auch ausgeschiedenen Funktionären Höchstbeträge zu gewähren, als nicht mehr 'zeitgemäß' empfunden wird und in diesem Zusammenhang auch die in Zeitungen geäußerte Kritik eine Rolle gespielt hat. Mit der Auffassung, die bisherige Praxis sei nicht mehr 'zeitgemäß', kann nur gemeint sein, daß sich die allgemeine Wertschätzung für die Ausübung der betreffenden Funktionen - zweifelsohne auch im Zusammenhang mit den Vorwürfen von Mißständen in der Salzburger Gebietskrankenkasse - geändert hat und eine Entschädigung über die Zeit der Ausübung der Funktion hinaus, zumindest in voller Höhe, deshalb als nicht mehr gerechtfertigt empfunden wird.

Sollte im Bereich der Salzburger Gebietskrankenkasse tatsächlich eine Änderung der allgemeinen Bewertung der mit der Ausübung der Funktion erbrachten Leistung eingetreten sein, so wäre im Prinzip eine Berücksichtigung dieser geänderten Auffassung bei der Gewährung von Entschädigungen aus den oben dargestellten Gründen vertretbar, sofern dabei das dem Vorstand der Kasse eingeräumte Ermessen im Gesetzessinn ausgeübt wird.

Durch das plötzliche und intensive Abgehen von der seit vielen Jahren bestandenen Praxis der Gewährung von Entschädigungen im Höchstausmaß bei der Zuerkennung der Entschädigung an Herrn Dkfm. Dr. E W im beschlossenen Ausmaß ist jedoch das dabei anzuwendende freie Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes gehandhabt worden.

'Rechtsvorschriften müssen, sofern es ihr Wortlaut nicht verbietet, so ausgelegt werden, daß sie sich der Bundesverfassung einfügen' (VfSlg. 2109, 2264, 2598, 3151, 3556, 3910 u.v.a.). Die Auslegung der Rechtsvorschriften muß daher u.a. auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung entsprechen. Die beschlossene Gewährung einer Entschädigung von monatlich S 500,-- stellt jedoch Herrn Dkfm. Dr. E W gegenüber den anderen bisher ausgeschiedenen, im §420 Abs5 ASVG aufgezählten Funktionären der Salzburger Gebietskrankenkasse in einer Weise schlechter, die das Gebot der Gleichbehandlung verletzt. Eine solche Schlechterstellung ist aus folgenden Erwägungen sachlich nicht gerechtfertigt:

Es ist unbestritten, daß Herr Dkfm. Dr. E W ungefähr 15 Jahre lang Vorsitzender des Überwachungsausschusses der Salzburger Gebietskrankenkasse war, und daß bisher - außer ihm - allen im §420 Abs5 ASVG aufgezählten ausgeschiedenen Funktionären der Salzburger Gebietskrankenkasse eine Entschädigung im Höchstausmaß gewährt wurde und wird.

Herr Dkfm. Dr. E W konnte daher während der Dauer seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Überwachungsausschusses darauf vertrauen, daß er danach ebenfalls eine Entschädigung im Höchstausmaß erhalten wird, wobei die Aussicht auf diese Geldleistung durchaus ein mitbestimmendes Moment für die Bereitschaft, diese Funktion so viele Jahre hindurch auszuüben, sein konnte.

Da erst, nachdem er in diesem Vertrauen sein Amt als Funktionär ungefähr 15 Jahre lang versehen hatte, beschlossen wurde, die ihm durch seine Tätigkeit als Funktionär entgangene Gelegenheit, einen dementsprechenden anderweitigen Pensionsanspruch zu erwerben, mit nur monatlich S 500,-- zu entschädigen, hätte er im übrigen nunmehr auch keine Möglichkeit mehr, das im Hinblick auf die Erhaltung des erreichten Standes der Lebensführung im Ruhestand eingetretene Manko auszugleichen. Der Beschluß vom 30.10.1990, Herrn Dkfm. Dr. E W monatlich S 500,-- als Entschädigung zu gewähren, verletzt daher den aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Vertrauensschutz, der gerade in diesen Fällen, in denen Personen schon während ihrer aktiven Tätigkeit ihre Lebensführung auf die Altersversorgung eingerichtet haben, besonderer Beachtung bedarf."

5. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes, sich zur Auswirkung des aufhebenden Bescheides des Bundesministers auf die Beschwerdeverfahren zu äußern, hat der Beschwerdeführer am 16. April 1992 darauf hingewiesen, daß das von ihm bekämpfte Schreiben des Vorstandes der Gebietskrankenkasse vom 7. November 1990 noch nicht aufgehoben worden und er daher noch nicht klaglos gestellt sei. Mit Schreiben vom 15. Juni 1992 teilt er aber mit, daß am 2. Juni 1992 ein (das Schreiben vom 7. November 1990 widerrufendes) Schreiben der Gebietskrankenkasse an ihn ergangen ist, durch das er sich in allen drei Verfahren als klaglos erstellt erachtet.

II. Das Schreiben der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 7. November 1990, das der Beschwerdeführer zu B1/91 bekämpft und dessen Aufhebung er mit seinem Einspruch an den Landeshauptmann und dem Antrag auf Streitentscheidung nach §450 Abs1 ASVG an den Bundesminister für Arbeit und Soziales vergeblich angestrebt hat, ist in Vollzug des aufsichtsbehördlichen Bescheides durch die Gebietskrankenkasse widerrufen worden. Damit ist die Beschwer weggefallen und der Beschwerdeführer in sämtlichen beim Verfassungsgerichtshof anhängig gemachten Verfahren klaglos gestellt. Der Verfassungsgerichtshof hat daher weder über die Beschwerdebehauptungen zu entscheiden noch zum Rechtsstandpunkt des Bundesministers für Arbeit und Soziales in seiner Gegenschrift zu B171/91 Stellung zu nehmen. Die Verfahren sind vielmehr als gegenstandslos einzustellen.

Die Klaglosstellung zu B1/91 erfolgte durch die in diesem Verfahren belangte Behörde; einer Klaglosstellung durch die belangte Behörde ist aber unter dem Blickwinkel der Verbindung der Behörden im Instanzenzug auch die Klaglosstellung im Verfahren B903/91 und angesichts des Zusammenhanges des klaglosstellenden Schreibens mit dem aufsichtsbehördlichen Bescheid die Klaglosstellung im Verfahren B171/91 gleichzuhalten; daß die aufsichtsbehördliche Entscheidung nicht unter Berufung auf §450 Abs1 ASVG, sondern von Amts wegen erging, muß unbeachtet bleiben, weil die Klaglosstellung ein mögliches Ergebnis des Beschwerdeverfahrens vorweggenommen hat.

Demgemäß sind dem Beschwerdeführer nach §88 VerfGG die Kosten sämtlicher Beschwerden und der Äußerungen über die Klaglosstellung zuzusprechen. In dem zugesprochenen Betrag sind 8.250 S an Umsatzsteuer enthalten.

Schlagworte

VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1.1991

Dokumentnummer

JFT_10079071_91B00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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