TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/19 94/09/0194

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Veröffentlicht am 19.01.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs3 Z7 idF 1992/475;
AuslBG §4 Abs6 idF 1992/475;
AuslBG LandeshöchstzahlenV 1992;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 8. Juni 1994, Zl. IIc/6702B AIS 14758 SCHE, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der als Chirurg an einem Spital in W. tätig ist und eine Ordination betreibt, hatte bereits vor dem Verfahren, das Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist, zweimal erfolglos versucht, für die philippinische Staatsangehörige R eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die Tätigkeit als Haushalts- und Ordinationshilfe bzw. als Haushaltshilfe und Kinderbetreuerin zu erlangen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 3. März 1993 hatte die belangte Behörde den Erstantrag des Beschwerdeführers für R. vom 28. Oktober 1992 nach § 4 Abs. 1 und 6 AuslBG abgewiesen (unbegründete Ablehnung der Ersatzkraftstellung; keine Gründe nach § 4 Abs. 6 Z. 2 und 3 leg. cit., die im Landeshöchstzahl-Überschreitungsverfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung rechtfertigen).

Mit dem im Instanzenzug ergangenen in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 3. Dezember 1993 hatte die belangte Behörde die Ablehnung des Zweitantrages des Beschwerdeführers vom 9. Juli 1993 auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. In der Begründung hielt sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers, R. solle als Ersatz für die am 16. Oktober 1992 ausgeschiedene ausländische Arbeitnehmerin T beschäftigt werden (§ 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG) entgegen, wegen der zwischen dem Ausscheiden von T. und dem (zweiten) Bewilligungsantrag für R. verstrichenen Zeitspanne sei der geforderte zeitliche Zusammenhang zwischen Ausscheiden und Nachbesetzung nicht gegeben. Es seien (auch sonst) weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung des Beschwerdeführers vorgebracht worden, die unter einen berücksichtigungswürdigen Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zu subsumieren gewesen wären.

Mit Schreiben vom 14. Jänner 1994 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich, das Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe möge ihm für R. die Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz für die Tätigkeit "Kinderbetreuung, Haushaltshilfe" erteilen. Als spezielle Kenntnisse wurde "Englisch" angegeben. Ausmaß der Beschäftigung: 35 Wochenstunden.

Mit Bescheid vom 3. Februar 1994 lehnte das genannte Arbeitsamt diesen Antrag nach § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der in § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 leg. cit. vorgesehenen Voraussetzungen vorlägen.

In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG (Schlüsselkraft) vor, die im gemeinsamen Haushalt wohnende Lebensgefährtin und Mutter der gemeinsamen Kinder, die österreichische Staatsbürgerin sei, arbeite als Ärztin am Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin im Krankenhaus F. Sie befinde sich derzeit in Karenz; die voraussichtliche Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit als Anästhesistin sei ab 25. Februar 1994 vorgesehen. Trotz mehrerer Vermittlungsversuche zwischen Oktober und Dezember 1993 (insgesamt sechs Vorstellungen) habe keine entsprechende Interessentin mit der Bereitschaft zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gefunden werden können. Da insgesamt vier Kinder im gemeinsamen Haushalt zu betreuen seien (1. bis 4. Lebensjahr), könne diese Stelle nur an eine Person seines "ausgesprochenen Vertrauens" vergeben werden; andernfalls könnte seine Lebensgefährtin ihren Beruf nicht wieder aufnehmen. Unter Hinweis auf § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG (Beschäftigung als dringender Ersatz eines ausgeschiedenen ausländischen Arbeitnehmers) wies der Beschwerdeführer neuerlich auf das Ausscheiden von T. am 16. Oktober 1992 hin. Seit diesem Zeitpunkt habe sich seine Lebensgefährtin im Mutterschutz bzw. im Karenzurlaub befunden. Der dringend für T. gesuchte Ersatz habe bisher nur in R. gefunden werden können. Die Betreuung der Kinder habe bisher nur durch den Einsatz einer Großmutter sowie zeitweises Babysitting durch R. gewährleistet werden können. Auf Grund der Suche nach einer Nachfolgerin für T. vorstellig gewordene Bewerberinnen hätten das Anforderungsprofil (flexible Arbeitszeit der Haushaltshilfe/Kinderbetreuung wegen der variablen Dienstzeiten eines Spitalsarztes, insbesondere wegen der anfallenden Nachtdienste; Sprachkenntnisse wegen der aus erster Ehe mit einer Engländerin stammenden Tochter, die mehrere Tage bzw. Nächte pro Monat in seinem Haushalt verbringe und mitzubetreuen sei) nicht erfüllt. Die Kinder hätten sich durch die zeitweise Betreuung durch R. bereits an diese als Bezugsperson gewöhnt; ein häufiger Wechsel von Bezugspersonen sei bei Kindern dieses Alters nicht förderlich. Auch sei R. mit dem Haushalt vertraut, sodaß eine Einschulung ungleich weniger Zeitaufwand benötige.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 1994 gab die belangte Behörde der Berufung nach § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 und §§ 4 Abs. 3 Z. 7 und 13a AuslBG keine Folge. Nach Darlegung der Rechtslage wies sie darauf hin, für das Kalenderjahr 1993 sei vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 13a Z. 3 AuslBG zur Sicherung der Bundeshöchstzahl mit Verordnung vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 738, die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien zahlenmäßig mit 97.000 festgesetzt worden. Diese Landeshöchstzahl sei laut offizieller Statistik des Bundesministers für Arbeit und Soziales seit Beginn der jeweiligen Kalenderjahre weit überschritten. Somit seien bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Im Beschwerdefall könnten die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 leg. cit. als gegeben erachtet werden. Jedoch sei auf Grund der Überschreitung der Landeshöchstzahl zusätzlich zu prüfen, ob ein Tatbestand im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d oder Z. 3 AuslBG vorliege, der die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung rechtfertige. Zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG führte die belangte Behörde aus, unter einer Schlüsselkraft sei entweder eine Führungskraft oder eine Fachkraft zu verstehen, wobei der Nachweis über das Vorliegen einer Schlüsselkraft vom Arbeitgeber zu erbringen sei. Die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c leg. cit. wurde mit dem Hinweis verneint, der geforderte zeitliche Zusammenhang zwischen Ausscheiden von T. (16. Oktober 1992) und der Nachbesetzung durch R. (Antrag vom 14. Jänner 1994) sei nicht gegeben.

Es seien daher weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, die unter einen berücksichtigungswürdrigen Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zu subsumieren gewesen seien.

Außerdem sei im Zuge des Ermittlungsverfahrens festgestellt worden, daß R. lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck eines Privataufenthaltes verfüge. Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung im Bundesgebiet gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG dürfe aber gemäß § 5 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn das nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesarbeitsamt auf Anfrage festgestellt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden (Unbedenklichkeitsbescheinigung). Für R. sei seitens der belangten Behörde keine Unbedenklichkeit bescheinigt worden, weshalb der erforderliche Aufenthaltszweck für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit seitens der zuständigen Aufenthaltsbehörde auch nicht erteilt worden sei, sondern nur das Aufenthaltsrecht für private Zwecke. Fremde, denen aber eine Bewilligung zu anderen Zwecken (wie z.B. im gegenständlichen Fall für "Privataufenthalt") erteilt worden sei, könnten nicht damit rechnen, in Österreich arbeiten zu dürfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung im angefochtenen Bescheid auf zwei Tatbestände gestützt, nämlich das Nichtvorliegen einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG und (nach Bejahung der Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG) auf das Nichtvorliegen einer Tatbestandsvoraussetzung nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 leg. cit., die die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Landeshöchstzahl-Überschreitungsverfahren rechtfertigen würde. Bereits bei Zutreffen einer dieser beiden Versagungsgründe wäre die Beschwerde abzuweisen.

1. Zu § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG:

Nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG idF BGBl. Nr. 475/1992 darf die Beschäftigungsbewilligung (unter anderem) nur erteilt werden, wenn der Ausländer zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist, ausgenommen im Fall des Antrages auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung.

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend erkannt hat, beruht im Beschwerdefall die Heranziehung des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG auf einer verfehlten Rechtsansicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nämlich im Verfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG allenfalls verfügte Einschränkungen in einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz rechtlich unerheblich (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1994, Zl. 94/09/0032, und Zl. 94/09/0051, vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0062, und vom 17. November 1994, Zl. 93/09/0478 u.a.).

Die belangte Behörde konnte sich daher im Beschwerdefall nicht auf den eingeschränkten Aufenthaltszweck (Aufenthaltsbewilligung der R. nur für Zwecke eines Privataufenthaltes) berufen.

2. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG:

Was die Anwendbarkeit des erschwerten Verfahrens nach der genannten Vorschrift betrifft, hat sich die belangte Behörde in der Begründung ihres angefochtenen Bescheides lediglich auf das Kalenderjahr 1993 und die für das Bundesland Wien für diesen Zeitraum mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 738, festgesetzte Landeshöchstzahl (97.000) berufen. Diese Verordnung ist nach ihrem § 2 am 31. Dezember 1993 außer Kraft getreten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75 = VwSlg. 9315/A). Dies gilt auch für das Verfahren betreffend Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz: Demnach ist die Überschreitung der Landeshöchstzahl (Eingangsvoraussetzung für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 leg. cit.) anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1993, Zl. 93/09/0022, vom 17. Juni 1993, Zl. 93/09/0026, und Zl. 93/09/0031, vom 6. September 1993, Zl. 93/09/0113, vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/09/0355, und vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0406 uva.).

Die belangte Behörde wäre daher im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verpflichtet gewesen, anhand der für das Jahr 1994 geltenden Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales betreffend Festsetzung der Landeshöchstzahlen, BGBl. Nr. 794/1993, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG gegeben sind oder nicht.

Da sie dies in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen (insbesondere zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG) einzugehen war.

Der Kostenzuspruch beruht auf den §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, soweit sie das in der obgenannten Verordnung festgesetzte Pauschale für den Schriftsatzaufwand übersteigt, da neben dem Pauschale keine Umsatzsteuer zuzuerkennen ist und ferner Stempelgebühren für die Vorlage von Unterlagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090194.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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