TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/25 94/03/0223

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Veröffentlicht am 25.01.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §39 Abs2;
KFG 1967 §100;
StVO 1960 §21 Abs1;
StVO 1960 §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des F in E, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 14. Juni 1994, Zl. VwSen-101747/16/Bi/Fb, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang jeweils des zweiten Satzes der Spruchpunkte I. und II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. November 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, zu einer bestimmten Tatzeit an einem näher bezeichneten Ort seinen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und

1.)

einen vor ihm fahrenden Pkw überholt zu haben, obwohl er nicht habe einwandfrei erkennen können, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr wieder einordnen werde können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern;

2.)

sein Fahrzeug sofort nach dem Einordnen stark abgebremst und so den von ihm überholten Pkw behindert zu haben, weil dieser sein Fahrzeug ebenfalls habe stark abbremsen müssen.

Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs. 1 lit. c StVO 1960 und 2.) § 21 Abs. 1 leg. cit. begangen, weshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.

Über die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Bescheid vom 14. Juni 1994 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 27. Oktober 1994 wie folgt:

"I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als Punkt 1) des Straferkenntnisses behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt wird. Im Punkt 2) wird der Berufung keine Folge gegeben und dieser vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß der Tatvorwurf wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben am 13. November 1992 gegen 7.20 Uhr den PKW auf der B129 in Richtung Linz gelenkt und in der Ortschaft Höf, Gemeinde Wilhering, im Bereich der Kreuzung mit der Kürnberger Bezirksstraße und der alten Landstraße das Fahrzeug sofort nach dem Einordnen stark abgebremst, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hat, und so den von Ihnen überholten PKW behindert, weil der Lenker sein Fahrzeug ebenfalls stark abbremsen mußte."

II. Hinsichtlich Punkt 1) sind keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten. Im Punkt 2) hat der Rechtsmittelwerber zusätzlich zum Kostenbeitrag erster Instanz den Betrag von 240 S (20 % der verhängten Geldstrafe) als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

..."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde insoweit, als im Punkt 2) des erstinstanzlichen Verfahrens der Berufung keine Folge gegeben wird, einschließlich des Kostenpunktes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer Verjährung mit dem Vorbringen geltend macht, das erst im Spruch des Berufungserkenntnisses eingefügte Tatbestandselement, "obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hat", sei innerhalb der Verjährungsfrist nicht Gegenstand einer tauglichen Verfolgungshandlung gewesen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A) zu verweisen, wonach auch das Zurkenntnisbringen der Anzeige, welche alle relevanten Tatbestandsmerkmale enthält, verbunden mit der Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme hiezu eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG darstellt.

Im vorliegenden Fall enthält bereits die Anzeige den Hinweis, der Beschwerdeführer habe das in Rede stehende Bremsmanöver "angeblich ohne ersichtlichen Grund" durchgeführt. Diese Anzeige wurde, wie sich der darüber aufgenommenen Niederschrift entnehmen läßt, dem Beschwerdeführer am 28. April 1993, also noch innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme hiezu zu übersenden. Damit hat die belangte Behörde entsprechend der dargestellten Rechtslage innerhalb der Verjährungsfrist eine die Verjährung unterbrechende taugliche Verfolgungshandlung gesetzt.

Im übrigen erweist sich die Beschwerde aber als berechtigt:

Gemäß § 21 Abs. 1 StVO 1960 darf der Lenker das Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen, wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden, es sei denn, daß es die Verkehrssicherheit erfordert.

Die belangte Behörde ging in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, der Beschwerdeführer habe zur Tatzeit einen vor ihm fahrenden Pkw überholt und sich nach dem Überholen vor diesem Fahrzeug wieder rechts eingeordnet. Im Zuge dieses Einordnens habe er - noch während sich sein Fahrzeug in Schrägstellung befunden habe - dieses stark abgebremst, ohne daß für den Lenker des überholten Fahrzeuges ein Grund dafür ersichtlich gewesen wäre. Dieser sei daraufhin ebenfalls gezwungen gewesen, stark abzubremsen, um ein Auffahren zu verhindern. Es sei richtig, daß der Lenker des überholten Fahrzeuges dem Beschwerdeführer "Zeichen mit der Lichthupe, möglicherweise auch Handzeichen" gegeben habe.

Der Beschwerdeführer rechtfertigte sich im Verwaltungsstrafverfahren damit, durch diese Zeichen sei für ihn eine unklare Verkehrssituation entstanden, weil er mit Rücksicht auf den Vertrauensgrundsatz des § 3 StVO 1960 habe davon ausgehen müssen, daß der Beschwerdeführer diese Zeichen zulässigerweise, also aus Gründen der Verkehrssicherheit abgegeben habe, sodaß er nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen sei, sein Fahrzeug abzubremsen und gegebenenfalls anzuhalten.

Dieses Vorbringen erledigte die belangte Behörde mit dem Hinweis, die Verkehrssituation sei für den Beschwerdeführer sowohl vor dem Überholmanöver als auch währenddessen und nach diesem einwandfrei abzuschätzen gewesen, sodaß keineswegs von einer unklaren Verkehrslage auszugehen gewesen sei.

Dieser Beurteilung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der Feststellungen der belangten Behörde nicht anzuschließen.

Wie sich aus den Bestimmungen des § 22 Abs. 1 StVO 1960 und des § 100 KFG 1967 zweifelsfrei ergibt, dienen Blinkzeichen in erster Linie als Warnzeichen, also zu dem Zweck, andere Verkehrsteilnehmer im Interesse der Verkehrssicherheit auf Gefahren aufmerksam zu machen. Es hat daher der Lenker eines Fahrzeuges, der Blinkzeichen eines anderen Fahrzeuglenkers wahrnimmt - sofern aus der gegebenen Situation für ihn kein Zweifel an einem anderen Zweck der Blinkzeichen bestehen kann -, vom Vorliegen einer Gefahr auszugehen, vor der er durch das Blinkzeichen gewarnt werden soll.

Ausgehend von dieser Rechtslage war es verfehlt, wenn die belangte Behörde die Verantwortung des Beschwerdeführers damit abtat, es sei für ihn die Verkehrssituation im Zuge des Überholmanövers einwandfrei abzuschätzen gewesen, sodaß nicht von einer unklaren Verkehrslage auszugehen gewesen sei. Denn das Wesen eines Warnzeichens besteht ja darin, den Gewarnten auf eine Gefahr aufmerksam zu machen, die ihm bisher nicht bewußt geworden war. Im übrigen ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, daß die adäquate Reaktion des Lenkers eines Kraftfahrzeuges auf eine drohende, ihm aber nicht näher erkennbare Gefahr in einer - allenfalls auch starken - Verringerung der Geschwindigkeit besteht.

Um endgültig beurteilen zu können, ob im Lichte dieser Rechtslage den Beschwerdeführer das in Rede stehende Blinkzeichen des Lenkers des überholten Fahrzeuges zu einer starken Reduktion der Geschwindigkeit seines Fahrzeuges berechtigte, hätte die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen gehabt, ob der Beschwerdeführer entgegen der grundsätzlichen Eigenschaft eines Blinkzeichens als Warnzeichen infolge der besonderen Begleitumstände im konkreten Fall hätte erkennen müssen, daß diesem Blinkzeichen ein Warnzweck nicht innewohnt.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994030223.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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