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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine denkunmögliche oder willkürliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs auf Grund der Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung durch den - in großer räumlicher Entfernung zum Kaufgrundstück wohnenden - Erwerber gemäß §4 Abs1 Oö GVG 1975; keine Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit (ähnlich: E v 05.10.92, B695/91).Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer - ein Ehepaar - erwarben mit Kaufvertrag aus dem Gutsbestand der Liegenschaft in EZ 110, Grundbuch 47322 St. Stefan am Walde, die Grundstücke Nr. 209 (Wald) im Ausmaß von 2.244 m2 und Nr. 230/1 (Wald) im Ausmaß von
44.866 m2 um den Preis von 1,5 Mio. S.
Die Bezirksgrundverkehrskommission Rohrbach versagte der vorgesehenen Übertragung des Eigentums unter Berufung auf §4 Abs1 des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53, die Genehmigung.
2. Der gegen diesen Bescheid von den Verkäufern und den Beschwerdeführern eingebrachten Berufung gab die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung nicht Folge.
3. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, ausschließlich von den Käufern erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.
4. Die Landesgrundverkehrskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach §1 Abs1 erster Satz Oö. GVG 1975 bedarf ua. die Übertragung des Eigentums an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Gemäß dem Abs1 des mit "Voraussetzung für die Genehmigung" überschriebenen §4 Oö. GVG 1975 müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen. Nach §4 Abs4 Oö. GVG 1975 dürfen Rechtsgeschäfte, die den Voraussetzungen gemäß Abs1 (2 oder 3) nicht entsprechen, nicht genehmigt werden.
2. Die belangte Behörde hat gleich der Behörde erster Instanz die Versagung der Genehmigung auf §4 Abs1 Oö. GVG 1975 gestützt, wenngleich sie diese Vorschrift nicht im Spruch, sondern nur in der Begründung ihres Bescheides angeführt hat.
Sie hat das von der Behörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Berichtes der Bezirksbauernkammer Rohrbach sowie durch Anhörung der Vertragsparteien ergänzt und ihrer Entscheidung im wesentlichen folgenden, von den Beschwerdeführern nicht bestrittenen Sachverhalt zugrundegelegt:
Die Verkäufer sind (Mit-)Eigentümer eines forstwirtschaftlichen Betriebes, zu dem ein Wohnhaus und ein kleines Wirtschaftsgebäude, eine Waldfläche von 27,2 ha und eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 2,2 ha gehören. Die beiden Kaufgrundstücke bilden eine zusammenhängende Waldfläche von ungefähr 4,7 ha, die sich, in Hofnähe beginnend, hangaufwärts hinzieht. Der Kaufpreis beträgt ungefähr die Hälfte des wahren Wertes. Einer der Verkäufer lebt in Aachen, der andere in Wien. Der Erstbeschwerdeführer, Bezieher einer Invaliditätspension, und seine Gattin, die Zweitbeschwerdeführerin, betreiben in ihrem Wohnort Waldkirchen am Wesen, der von den Kaufgrundstücken etwa 45 km entfernt ist, einen Holzhandel. Sie sind Eigentümer von Waldflächen, die in drei verschiedenen Katastralgemeinden gelegen sind und ein Gesamtausmaß von ungefähr 2 ha aufweisen.
Für den Fall, daß der Übertragung des Eigentums die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt wird, haben die Vertragsparteien vereinbart, daß die Beschwerdeführer aus dem auf den Kaufgrundstücken vorhandenen Waldbestand 2.000 bis
2.500 Festmeter Holz "ab Stock" zum Preis von 1,5 Mio. S kaufen.
Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen kam die belangte Behörde zur Auffassung, es sei nicht mit der erforderlichen Gewißheit zu erwarten, daß die Beschwerdeführer die Kaufgrundstücke selbst bewirtschaften werden. Dabei stützte sich die belangte Behörde zum einen auf den Umstand, daß der Wohnsitz der Beschwerdeführer von diesen Grundstücken rund 45 km entfernt ist. Sie zog des weiteren aus dem für den Eventualfall der Nichtgenehmigung der Eigentumsübertragung abgeschlossenen "Schlägerungsvertrag" den Schluß, daß es den Beschwerdeführern in Wahrheit nur auf die Schlägerung des Holzbestandes ankomme und auch deshalb nicht zu erwarten sei, daß sie die danach erforderliche Wiederaufforstung und intensive Betreuung des Jungwaldes selbst auf sich nehmen würden. (Nur) als zusätzliches Argument diente der belangten Behörde der Hinweis, daß dem Erstbeschwerdeführer als Bezieher einer Invaliditätspension schwere Waldarbeit nur beschränkt möglich sei.
3.a) Angesichts der - auch von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogenen - verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. zu §4 Abs1 Oö. GVG 1975 etwa VfSlg. 9313/1982, 9454/1982, 9765/1983, 10566/1985 mwH, 10644/1985, 10744/1986, 10921/1986, 11614/1988) und da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - was auch in der Beschwerde nicht behauptet wird -, könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte (s. etwa VfSlg. 8428/1978, 9127/1981).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9600/1983, 10047/1984, 10919/1986, 12038/1989) fällt der Behörde Willkür ua. dann zur Last, wenn sie in wesentlichen Punkten jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen hat, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens (s. etwa VfSlg. 8808/1980, 9600/1983, 10942/1986, 11172/1986). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vermag Willkür zu indizieren (VfSlg. 5096/1965, 5396/1966, 9792/1983, 11754/1988). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung könnte jedoch nur dann vorliegen, wenn die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden müßte (vgl. etwa VfSlg. 7038/1973, 7962/1976, 9902/1983, 10079/1984).
b) Die Beschwerdeführer machen der belangten Behörde eine denkunmögliche Gesetzesanwendung zum einen mit der Begründung zum Vorwurf, sie habe allein aus dem Umstand, daß der Wohnsitz der Beschwerdeführer rund 45 km von den Kaufgrundstücken entfernt ist, den Schluß gezogen, es könne die erforderliche intensive Waldbewirtschaftung durch die Beschwerdeführer nicht mit der erforderlichen Gewißheit erwartet werden. Dabei habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen, daß diese, da sie seit rund 20 Jahren selbst geschlägertes Holz aus der betreffenden Waldfläche kaufen, nicht nur über eine genaue Kenntnis dieser Waldfläche verfügen, sondern auch zu dieser - nicht zuletzt angesichts ihrer sonstigen räumlich ausgedehnten Holzhandelstätigkeit - ein ausreichendes räumliches Naheverhältnis und überdies die fachliche Befähigung zu ihrer sachgerechten Bewirtschaftung besitzen. Zum anderen habe die belangte Behörde allein aufgrund der Tatsache, daß der Erstbeschwerdeführer Bezieher einer Invaliditätspension sei, somit unter Außerachtlassung der unbestrittenen Tatsache, daß er die in seinem (Mit-)Eigentum stehenden Waldflächen ordnungsgemäß bewirtschaftet, auf die Unfähigkeit des Erstbeschwerdeführers zur Bewirtschaftung der Kaufgrundstücke geschlossen, ohne irgendwelche Ermittlungen darüber anzustellen, ob ihm tatsächlich die Eignung für diese Tätigkeit fehle. Schließlich zeige, so meinen die Beschwerdeführer, die von der belangten Behörde gewählte Formulierung, es könne die erforderliche intensive Waldbewirtschaftung durch die Beschwerdeführer "nicht mit der erforderlichen Gewißheit erwartet werden", daß die belangte Behörde lediglich Zweifel am Vorliegen dieser Genehmigungsvoraussetzung hege, sich aber nicht die erforderliche Gewißheit darüber verschafft habe.
c) Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, daß im Grundverkehrsrecht seit jeher der Gedanke tragend war, es komme darauf an, ob "ein ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß vom Erwerber das Gut nicht selbst ... bewirtschaftet wird" (VfSlg. 5683/1968, 7654/1975 mwH, 10789/1986, 10797/1986, 10890/1986; vgl. etwa auch VfSlg. 10563/1985, 10744/1986, 10747/1986, 10764/1986, 11754/1988). Demnach ist es in den durch das Oö. GVG 1975 zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (VfSlg. 11516/1987; s. etwa auch VfSlg. 10564/1985).
Die belangte Behörde konnte schon mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung des Wohnsitzes der Beschwerdeführer von den Kaufgrundstücken (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 10140/1984) sowie angesichts der von ihr festgestellten und der von den Beschwerdeführern selbst vorgebrachten Umstände, die dafür sprechen, daß es den Beschwerdeführern in Wahrheit auf die Schlägerung des Holzbestandes der Kaufgrundstücke ankommt, denkmöglich zu der Auffassung gelangen, der Erwerb dieser Grundstücke durch die Beschwerdeführer widerspreche dem durch §4 Abs1 Oö. GVG 1975 geschützten öffentlichen Interesse an der Erhaltung land- und forstwirtschaftlicher Grundflächen, weil die Beschwerdeführer sie nicht selbst (im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes) nutzen werden. Unter diesen Umständen kommt dem von der belangten Behörde herangezogenen weiteren Argument, daß der Erstbeschwerdeführer als Bezieher einer Invaliditätspension zur intensiven Bewirtschaftung der Waldflächen außerstande sei, keine den Spruch des bekämpften Bescheides tragende Bedeutung zu.
An der Vertretbarkeit der Rechtsauffassung der belangten Behörde vermag es nichts zu ändern, daß die Grundstücke nicht im Eigentum von Landwirten stehen, weil nach §4 Abs1 Oö. GVG 1975 ein Rechtsgeschäft nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Baustandes, sondern auch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen entsprechen muß (VfSlg. 8095/1977, 9313/1982; s. in diesem Zusammenhang etwa auch VfSlg. 7685/1975, 8245/1978).
Schließlich ist den Beschwerdeführern zu entgegnen, daß es unter dem Aspekt der - vom Verfassungsgerichtshof allein zu prüfenden - Denkmöglichkeit der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung genügt, wenn ein begründeter Verdacht des Vorliegens eines Versagungsgrundes besteht (s. etwa VfSlg. 9313/1982, 9682/1983, 10047/1984).
4. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid auch in dem durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, nicht verletzt worden.
Dem in diese Richtung zielenden Beschwerdevorwurf ist entgegenzuhalten, daß sich dieses Grundrecht, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. etwa VfSlg. 7539/1975 mwH, 9541/1982, 10745/1986, 10896/1986), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben. Art6 StGG verbietet es auch, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen - ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern - nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (VfSlg. 5683/1968, 7927/1976, 9070/1981, 10797/1986, 10822/1986, 11411/1987, 11516/1987). Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 9682/1983, 10896/1986, 10902/1986).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht versagt, um den Erwerb der betreffenden Grundstücke durch die Beschwerdeführer zugunsten eines Landwirtes, der diese Grundstücke zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr wurde diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsrechtlicher Interessen deshalb getroffen (s. dazu VfSlg. 8309/1978, 320; 8766/1980, 142; 9454/1982, 562; 9456/1982, 571; 10566/1985, 166), weil nach Ansicht der belangten Behörde die in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 umschriebenen Voraussetzungen für die Genehmigung nicht vorlagen.
Daß das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer auch nicht durch eine denkunmögliche Anwendung der den angefochtenen Bescheid tragenden Vorschriften verletzt wurde (vgl. dazu etwa VfSlg. 3476/1958, 4231/1962, 4546/1963, 4805/1964), ergibt sich aus den Ausführungen unter II.3.c.
5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.
6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind.
Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 6877/1972, 8309/1978, 8317/1978, 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 10659/1985, 11754/1988).
7. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben unter II.3.a) ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, SelbstbewirtschaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B584.1991Dokumentnummer
JFT_10078995_91B00584_00