TE Vfgh Beschluss 1992/10/5 B512/92, B513/92

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Veröffentlicht am 05.10.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
VfGG §34
ZPO §530 Abs1 Z7
ZPO §538 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrags mangels Vorbringen neuer Tatsachen hinsichtlich der Qualifikation der angefochtenen Akte als Akte der Gerichtsbarkeit

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit dem vorliegenden, am 21. April 1992 eingebrachten Antrag begehren die Einschreiter der Sache nach die Wiederaufnahme der mit hg. Beschluß vom 26. Februar 1991, Zlen. B548,549/90 abgeschlossenen Verfahren und bringen im wesentlichen vor, daß nachträglich neue Umstände hervorgekommen seien, welche eine anderslautende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes rechtfertigten.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem genannten Beschluß seine Zuständigkeit mit der Begründung verneint, daß die von den damaligen Beschwerdeführern und nunmehrigen Antragstellern bekämpfte Hausdurchsuchung in Vollziehung eines richterlichen Befehls erfolgt sei und auch eine den Verwaltungsbehörden zuzurechnende Überschreitung des richterlichen Auftrages nicht vorgelegen sei. Bei der Beurteilung des Sachverhaltes stützte sich der Verfassungsgerichtshof neben den Beschwerden auf die Verwaltungsakten, die Gegenschrift der belangten Behörde sowie eine ergänzende Äußerung der Beschwerdeführer. Da weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit einräumt, gerichtliche Entscheidungen aufgrund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen, wurde die Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückgewiesen.

2. Vorausgeschickt wird hier, daß beim Verfassungsgerichtshof am 1. Jänner 1991 bereits anhängig gewesene Verfahren über Beschwerden gegen Akte polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt kraft der Übergangsbestimmung des ArtIX Abs2 (iVm ArtX Abs1 Z1) des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685, nach der "bisherigen" Rechtslage, d.h. nach der Rechtslage bis zum 31. Dezember 1990, zu Ende zu führen sind. Der Verfassungsgerichtshof ist auch zur Entscheidung über Wiederaufnahme- und Wiedereinsetzungsanträge in solchen Verfahren zuständig (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 1992, 355f.).

Auch der Umstand, daß das Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, mit einem Zurückweisungsbeschluß beendet worden ist, steht der Behandlung des gestellten Wiederaufnahmeantrages nicht entgegen (so schon VfSlg. 8932/1980 unter Berufung auf die Materialien zum KSchG 1979; ebenso OGH 6.2.1990, 10 Ob S 438/89 unter Berufung auf Fasching Lehrbuch1, Rz 2038 mwH).

3. Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Beschwerdesache (§34 erster Satz VerfGG) im Hinblick auf §35 Abs1 VerfGG auch die Bestimmung des §538 Abs1 ZPO über das Vorprüfungsverfahren sinngemäß anzuwenden. Ihr zufolge ist eine (Wiederaufnahms-)Klage insbesondere dann zurückzuweisen, wenn sie nicht auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt ist (vgl. die mit VfSlg. 8983/1980 beginnende Rechtsprechung, zB VfGH 11.10.1991 A501-637/90). Dies trifft für den vorliegenden Wiederaufnahmeantrag entsprechend zu:

Der Wiederaufnahmeantrag stützt sich erkennbar auf den Wiederaufnahmsgrund des §530 Abs1 Z7 ZPO; als solcher kommen nur neue Tatsachen oder Beweismittel in Betracht. Unrichtige rechtliche Beurteilung stellt hingegen keinen Wiederaufnahmsgrund dar (s. OLG Wien 28.6.1985, 11 R 128/1985; vgl. auch VwGH 8.9.1981, Zl. 81/05/0087; 30.9.1985 Zl. 85/10/0067 zur vergleichbaren Bestimmung des §69 Abs1 litb AVG).

Die Antragsteller vertreten die Ansicht, im Wiederaufnahmeantrag im einzelnen dargelegte Mängel des (verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafverfahrens (insbesondere die Nichterlassung eines Bescheides über die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Verdachts der Abgabenhinterziehung im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 11680/1988 sowie die Unvereinbarkeit dieses Finanzstrafverfahrens mit Art6 Abs3 EMRK) rechtfertigten eine anderslautende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Im Antrag werden aber keine Tatsachen vorgebracht, welche geeignet sind, die Qualifikation der mit der seinerzeitigen Beschwerde angefochtenen Akte als Akte der (Straf-)Gerichtsbarkeit in Zweifel zu ziehen.

4. Da der Wiederaufnahmeantrag hiemit keine tauglichen Tatsachen im Sinne des §530 Abs1 Z7 ZPO enthält (VfSlg. 11247/1987; vgl. Fasching, Lehrbuch2, Rz 2068, vgl. auch OGH 4.12.1991, 9 Ob A236/91 = EvBl 1992/77), ist der Wiederaufnahmeantrag gemäß den §§34 VerfGG, 538 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG allein schon aus diesem Grund in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, ohne daß darauf eingegangen werden brauchte, ob die übrigen Prozeßvoraussetzungen der §§534 und 536 ZPO vorliegen.

Schlagworte

VfGH / Wiederaufnahme, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B512.1992

Dokumentnummer

JFT_10078995_92B00512_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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