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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung war die Erwägung maßgebend, daß, falls aus irgendwelchen Gründen die Bewirtschaftung der Grundstücke nicht mehr durch die Verkäufer erfolgen sollte, für einen anderen Bewirtschafter keine Zufahrtsmöglichkeit zu diesen Grundstücken bestehe. Dadurch hat die belangte Behörde sich über den Umstand hinweggesetzt, daß nach dem zur Genehmigung vorgelegten Kaufvertrag die Zugänglichkeit der Kaufgrundstücke - unabhängig davon, von wem sie bewirtschaftet werden - durch ein von den Verkäufern (auch für ihre Rechtsnachfolger) dem beschwerdeführenden Verein und dessen Rechtsnachfolgern (bücherlich) eingeräumtes Geh- und Fahrrecht gewährleistet ist. In der damit gegebenen Außerachtlassung des konkreten Sachverhaltes liegt ein willkürliches Verhalten der Behörde.Spruch
Der beschwerdeführende Verein ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem beschwerdeführenden Verein zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der beschwerdeführende Verein erwarb von einem Landwirteehepaar mit Kaufvertrag die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Nr. 1277/2 und Nr. 1275/4 in EZ 276, KG Schweikertsreith, im Ausmaß von 2541 m2 bzw. 7072 m2 um den Preis von 265.000 S.
Die Bezirksgrundverkehrskommission Mattighofen versagte der vorgesehenen Übertragung des Eigentums die Genehmigung.
2. Der gegen diesen Bescheid (nur) vom Käufer (dem beschwerdeführenden Verein) eingebrachten Berufung gab die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung nicht Folge.
3. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, ausschließlich vom Käufer erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie auf Freiheit der Erwerbsbetätigung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.
4. Die Landesgrundverkehrskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach §1 Abs1 erster Satz des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53, bedarf ua. die Übertragung des Eigentums an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung nach Bestimmungen dieses Gesetzes. Gemäß §4 Abs1 Oö. GVG 1975 müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen. Rechtsgeschäfte, die den Voraussetzungen gemäß §4 Abs1 (2 oder 3) Oö. GVG 1975 nicht entsprechen, dürfen nicht genehmigt werden (§4 Abs4 Oö. GVG 1975).
2.a) Der beschwerdeführende Verein führte zur Begründung seines Ansuchens um Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung an, daß es sich bei den Grundstücken um eine an einem Bach gelegene, vernäßte und daher für intensive landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignete Wiesenfläche samt Bachgehölz handle, die jedoch ökologisch wertvoll sei und daher vom beschwerdeführenden Verein "zur Erhaltung der Artenvielfalt und der gewachsenen Strukturen" geschlossen erworben werden solle, wobei eine - eingeschränkte - Nutzung aufgrund eines Vertrages weiterhin durch die Verkäufer erfolgen solle.
b) Die Behörde erster Instanz versagte die Genehmigung mit der Begründung, daß die Eigentumsübertragung dem §4 Abs1 Oö. GVG 1975 deshalb widerspreche, weil ein landwirtschaftliches Gut verkleinert werde und zu besorgen sei, "daß in Zukunft durch die Eigenart der Nutzung durch den Erwerber angrenzende landwirtschaftliche Grundstücke beeinträchtigt werden."
c) In der Berufung gegen diesen Bescheid machte der beschwerdeführende Verein geltend, daß es sich beim Kaufgegenstand um eine stark vernäßte, zum Teil versumpfte Grundfläche handle, die von dem angrenzenden Bach alljährlich mehrmals überschwemmt werde und die vom beschwerdeführenden Verein nur deshalb erworben werden solle, um die spezifische, in ihrem Bestand bedrohte Fauna und den artgerechten Pflanzenbestand zu erhalten. Ein Widerspruch zu §4 Abs1 Oö. GVG 1975 sei keineswegs gegeben: Einerseits würde die Grundfläche, da sie weiterhin durch die bisherigen Eigentümer in der bisher gepflogenen Weise, und zwar gegen ein vom beschwerdeführenden Verein zu entrichtendes Entgelt, bewirtschaftet werden solle, der landwirtschaftlichen Nutzung keineswegs entzogen, andererseits diene der Kaufpreis dem notwendigen und bereits begonnenen Ausbau des landwirtschaftlichen Anwesens der Verkäufer. Bei der vorgesehenen unveränderten weiteren Bewirtschaftung durch die bisherigen Eigentümer sei eine Beeinträchtigung angrenzender landwirtschaftlicher Grundstücke ausgeschlossen.
d) Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der Bezirksbauernkammer Braunau ein und nahm unter Beiziehung von Vertretern des beschwerdeführenden Vereines einen Augenschein vor.
Die Bezirksbauernkammer führte in ihrer Stellungnahme insbesondere aus, daß die den Gegenstand des Kaufvertrages bildenden, stark vernäßten, oftmals überfluteten, sich entlang des Baches erstreckenden Wiesengrundstücke eine Breite zwischen 4 und 30 m aufwiesen und vom Anwesen der Verkäufer etwa 6 km entfernt seien. Sie seien bisher jährlich ein bis zweimal gemäht worden, wobei das Heu einen schlechten Futterwert aufweise und nach Überschwemmungen nur als Einstreu verwendet werden könne. Die von den Verkäufern im Rahmen ihres landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betriebes bewirtschaftete Fläche habe ein Ausmaß von 25,83 ha, einschließlich einer Pachtfläche von 5,66 ha. Der Schuldenstand belaufe sich auf 500.000 S. Die weitere Betriebsführung sei gesichert. Die Nachbarn seien am Erwerb der Grundfläche nicht interessiert. Abschließend befürwortet die Bezirksbauernkammer Braunau den Verkauf der (landwirtschaftlich) minderwertigen und vom Hof abgelegenen Grundfläche im Interesse einer Verminderung des Schuldenstandes.
e) Die belangte Behörde schloß sich den von der Behörde erster Instanz für die Versagung der Genehmigung ins Treffen geführten Argumenten nicht an, sondern begründete die Versagung der Genehmigung im wesentlichen mit folgenden Ausführungen:
"Es ist davon auszugehen, daß durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse die Bewirtschaftungsverhältnisse nicht nur nicht geändert, sondern die derzeitige Bewirtschaftungsart gesichert werden soll. Bei der Eigenart und Ausformung der vom Kaufvertrag umfaßten Grundflächen und dem glaubhaften Zweck des Vertrages tritt das als Folge des Rechtsgeschäftes eintretende und an sich den in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 geschützten öffentlichen Interessen zuwiderlaufende Auseinanderfallen von Eigentum und Bewirtschafter in den Hintergrund. Auch negative Auswirkungen auf die umliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen sind bei Aufrechterhaltung der derzeitigen Bewirtschaftungsform kaum zu erwarten.
Ins Gewicht fällt jedoch die Tatsache, daß das Kaufobjekt von landwirtschaftlichen Nutzflächen des Verkäufers umschlossen wird. Sollte, aus welchen Gründen auch immer, die Bewirtschaftung des Kaufobjektes durch die Verkäufer nicht mehr stattfinden, besteht für einen anderen Bewirtschafter keine Zufahrtsmöglichkeit. Dieses Problem fällt umsomehr ins Gewicht, als das Ziel, die unmittelbare Umgebung des Moosbaches in ihrem derzeitigen natürlichen Zustand zu erhalten, durch verhältnismäßig kleinräumigen Grunderwerb zu erreichen versucht wird. Daher wird bei jedem weiteren Ankauf von derartigen Grundflächen dieses Problem auf beiden Seiten des Baches immer wieder entstehen. Es besteht daher die Gefahr, daß der kaufende Club auf solche Weise und auf längere Sicht in eine Lage versetzt würde, in der er sein Ziel, den derzeitigen Zustand zu erhalten, nicht mehr erreichen kann. Es ist daher fraglich, ob das angestrebte Ziel durch die gewählte Vorgangsweise überhaupt erreicht werden kann, ob es nicht diesem Ziel dienlicher wäre, nicht durch Eigentumserwerb sondern durch privatrechtliche Verpflichtung der Grundeigentümer die Aufrechterhaltung der derzeitigen Bewirtschaftungsform zu erreichen. Es muß auch bezweifelt werden, ob so kleinräumige Regelungen das Ziel, diese Kulturlandschaft insgesamt zu erhalten, erreichen können. Wenn dies aber nicht der Fall ist, werden die oft nur an einer Seite des Baches gelegenen Grundflächen der Gefahr ausgesetzt, nicht mehr bewirtschaftet zu werden, was dann aber sehr wohl negative Auswirkungen auf die angrenzenden Grundflächen hätte."
f) Der beschwerdeführende Verein tritt der Ansicht der belangte Behörde, die Kaufgrundstücke verfügten für den Fall, daß ihre Bewirtschaftung nicht mehr durch die Verkäufer, sondern durch einen Dritten erfolge, über keine diesem Dritten zur Verfügung stehende Zufahrtsmöglichkeit, mit dem Hinweis entgegen, daß eine solche Zufahrtsmöglichkeit sehr wohl bestehe, weil im Kaufvertrag zusätzlich vorgesehen sei, daß die Verkäufer für sich und ihre Rechtsnachfolger dem beschwerdeführenden Verein und dessen Rechtsnachfolgern das Recht einräumen, auf dem in der Natur bestehenden, über zwei Grundstücke der Verkäufer führenden Wiesen(Fahr)weg zu gehen und zu fahren. Überdies sei das von der belangten Behörde angenommene Fehlen einer Zufahrtsmöglichkeit zu den Kaufgrundstücken durch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht gedeckt, zumal die belangte Behörde hierüber keinerlei Erhebungen durchgeführt habe.
3.a) Das Grundrecht nach Art7 Abs1 B-VG ist auch inländischen juristischen Personen gewährleistet, sofern der Schutz vor Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes solche Merkmale betrifft, die auch für juristische Personen in Betracht kommen können (VfSlg. 9021/1981 mwH, 9889/1983, 9979/1984, 10000/1984 mwH), wie dies hier zutrifft.
b) Angesichts der - auch vom beschwerdeführenden Verein nicht in Zweifel gezogenen - verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. zu §4 Abs1 Oö. GVG 1975 etwa VfSlg. 9313/1982, 9454/1982, 9765/1983, 10566/1985 mwH, 10644/1985, 10744/1986, 10921/1986, 11614/1988) und da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - was auch in der Beschwerde nicht behauptet wird -, könnte der beschwerdeführende Verein im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte (s. VfSlg. 8428/1978, 9127/1981). Ein willkürliches Verhalten der Behörde liegt auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt (zB VfSlg. 9600/1983, 10047/1984, 10864/1986, 10919/1986, 12038/1989), insbesondere in Verbindung mit dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (s. zB VfSlg. 8808/1980 mwH, 9187/1981, 10194/1984).
c) Nach Auffassung der belangten Behörde liegt mit Rücksicht auf Eigenart und Ausformung der Kaufgrundstücke und den glaubhaft gemachten Zweck ihres Erwerbes durch den beschwerdeführenden Verein in dem Umstand, daß die Bewirtschaftung der Grundstücke nicht durch den Erwerber erfolgen soll, kein Verstoß gegen §4 Abs1 Oö. GVG 1975. Für die Versagung der Genehmigung durch die belangte Behörde war der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge somit nicht dieser Umstand, sondern die Erwägung maßgebend, daß, falls aus irgendwelchen Gründen die Bewirtschaftung der Grundstücke nicht mehr durch die Verkäufer erfolgen sollte, für einen anderen Bewirtschafter keine Zufahrtsmöglichkeit zu diesen Grundstücken bestehe.
Dadurch hat die belangte Behörde sich über den - in der Beschwerde hervorgehobenen und in der Gegenschrift nicht bestrittenen - Umstand hinweggesetzt, daß nach dem zur Genehmigung vorgelegten Kaufvertrag die Zugänglichkeit der Kaufgrundstücke - unabhängig davon, von wem sie bewirtschaftet werden - durch ein von den Verkäufern (auch für ihre Rechtsnachfolger) dem beschwerdeführenden Verein und dessen Rechtsnachfolgern (bücherlich) eingeräumtes Geh- und Fahrrecht gewährleistet ist. In der damit gegebenen Außerachtlassung des konkreten Sachverhaltes liegt im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein willkürliches Verhalten der Behörde.
Aus den dargelegten Gründen verletzt der angefochtene Bescheid den beschwerdeführenden Verein im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Er war daher aufzuheben, ohne daß zu prüfen war, ob der beschwerdeführende Verein auch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 2.500 S enthalten.
Schlagworte
GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B1415.1991Dokumentnummer
JFT_10078993_91B01415_00