TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/22 94/01/0388

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Veröffentlicht am 22.02.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/01/0389

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des I in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, und 2. der N in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 12. Jänner 1994, Zl. 4.334.249/2-III/13/92, beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.096,-- und der Zweitbeschwerdeführerin in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 12. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers) bzw. 15. (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin) April 1992 ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - Staatsangehörigen "der jugosl. Föderation", die am 3. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist sind und am selben Tag Asylanträge gestellt haben - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern, ohne sich mit ihrer Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihnen der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der Beschwerdeführer bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 31. März 1992, daß sie sich vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten hätten, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen die Rechtslage richtig erkannt hat. Dies ist insbesondere der Zweitbeschwerdeführerin entgegenzuhalten, die sich gegen diese Auslegung ausschließlich mit Argumenten wendet, denen der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, nicht gefolgt ist (vgl. u.a. die grundlegenden Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, sowie weiters das Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0402, das darüber hinaus zu der im Fremdengesetz enthaltenen Unterscheidung zwischen "Aufenthalt" und "Transit" Stellung nimmt, und jenes vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0026, hinsichtlich der Berufung auf Art. 2 Abs. 2

4. ZPMRK).

Der Erstbeschwerdeführer bringt aber in tatsächlicher Hinsicht vor, es sei "als gesichert davon auszugehen", daß ihn Slowenien "als Kosovo-Albaner an Restjugoslawien ausgeliefert hätte", und es habe "daher die belangte Behörde auf Grund dieses vernachlässigten Sachverhaltes zu Unrecht nicht weiter die Eigenschaft des Berufungswerbers als politisch verfolgter Flüchtling geprüft". Auch die Zweitbeschwerdeführerin führt aus, daß "selbst bei Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 Verfolgungssicherheit nicht schon dadurch in einem Drittstaat angenommen werden kann, wenn dieser erst sehr kurze Zeit Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention ist, ohne daß konkrete Ermittlungen seitens der Behörde - von Amts wegen - gepflogen werden, inwieweit der Drittstaat auf Grund seiner Rechtsordnung effizienten Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention bietet".

Damit machen die Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung Sloweniens laut

BGBl. Nr. 806/1993) entsprechenden Schutz geboten. Die Beschwerdeführer haben auf diese Weise nach Maßgabe der sie im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung ihres Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß den Beschwerdeführern im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde jeweils, anders als die Erstbehörde, nunmehr auf Grund des gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Im übrigen wird mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführer nach Österreich vorerst überhaupt zu klären sein, ob Slowenien bereits damals als "anderer Staat" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 oder nicht vielmehr noch als Teil des "Heimatlandes" der Beschwerdeführer im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. anzusehen war (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0264).

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde jeweils zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich, und zwar in Ansehung des Erstbeschwerdeführers im Rahmen des gestellten Begehrens, auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010388.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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