TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/22 93/15/0053

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Veröffentlicht am 22.02.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §167 Abs1;
FinStrG §167 Abs2;
FinStrG §83 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Dr. H in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 11. Februar 1993, Zl. B 6-6/93, betreffend Abweisung von Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Administrativbeschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. Mai 1992 leitete das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes, ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen zu haben, ein Strafverfahren gemäß § 83 Abs. 1 leg. cit. ein. Ausgehend von der auf einen Eingangsvermerk einer Kanzleiangestellten des Beschwerdeführers auf dem Rückscheinkuvert gestützten Annahme, dieser Bescheid sei ihm am 4. Juni 1992 zugestellt worden, wurde die Frist zur Erhebung der Administrativbeschwerde unrichtig berechnet und die Beschwerde auch objektiv verspätet erhoben. Nach Zurückweisung der Administrativbeschwerde beantragte der Beschwerdeführer sowohl bei der belangten Behörde als auch beim Finanzamt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist; dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Erst durch die Zurückweisung der Administrativbeschwerde habe er davon Kenntnis erlangt, daß der Bescheid des Finanzamtes vom 26. Mai 1992 tatsächlich nicht am 4. Juni 1992, sondern schon am 29. Mai 1992 zugestellt worden sei. In der Folge angestellte Nachforschungen hätten ergeben, daß eine namentlich genannte, mit Postvollmacht ausgestattete Kanzleiangestellte des Beschwerdeführers auf dem Rückschein die Übernahme des Bescheides mit Datum 29. Mai 1992 durch ihre Unterschrift bestätigt habe. Diese Unterschrift sei wegen der ausnahmsweisen vorherigen Abtrennung des Rückscheines vom Kuvert nicht auf letzteres durchgepaust worden. Dort habe die Kanzleiangestellte dann später irrtümlich des Glaubens, den Bescheid erst an diesem Tag übernommen zu haben, den unrichtigen Vermerk "eingelangt am 4. Juni 1992" angebracht. Der Beschwerdeführer habe den von seiner Kanzleiangestellten vermerkten Tag als Zustelltag angesehen, dem Beschwerdevertreter bekanntgegebenen und über dessen Rückfrage nochmals bestätigt. Allein auf Grund dieser unrichtigen Annahme des Zustelldatums sei die Frist zur Erhebung der Administrativbeschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 26. Mai 1992 versäumt worden. Die Kanzleiangestellte sei seit dem Jahr 1985 im Büro des Beschwerdeführers tätig und als genaue und verläßliche Kanzleiangestellte, die ihre Agenden gewissenhaft erledige, zu beurteilen. Ein Fehler "im Zusammenhang mit Terminen" sei ihr bis zu dem in Rede stehenden Vorfall nie unterlaufen. Der Beschwerdeführer habe die Angestellte auch regelmäßig kontrolliert. In seinem Büro bestehe die Dienstanweisung, auf jedem einlangenden behördlichen Schriftstück einen "eingelangt-Vermerk" anzubringen und dem Beschwerdeführer das Schriftstück ungesäumt geöffnet unter Anschluß des Kuverts zu übermitteln. Nur bei Rückscheinbriefen unterbleibe jeweils im Hinblick auf das übliche Durchpausen von Vermerken auf dem Rückschein auf das Kuvert die Anbringung eines Eingangsvermerks auf dem Kuvert. Der Beschwerdeführer habe damals ebensowenig wie der Beschwerdevertreter Zweifel an der Richtigkeit des von der genannten Kanzleiangestellten auf dem Rückschein angebrachten Eingangsvermerkes gehabt. Zum Beweis der Richtigkeit dieser Sachverhaltsdarstellung wurden Beweise angeboten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Wiedereinsetzungsanträge ab; dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Unstrittig sei, daß die von der Kanzleiangestellten gewählte Vorgangsweise kausal für die Versäumung der Administrativbeschwerde gewesen sei. Den Beschwerdeführer treffe insofern ein nicht nur als minderer Grad des Versehens zu beurteilendes Verschulden, als er trotz der Rückfrage seines Beschwerdevertreters über den Zustelltag des mit Administrativbeschwerde bekämpften Bescheides vom 26. Mai 1992 keine zur Aufdeckung des tatsächlichen Zustelldatums geeigneten Nachforschungen angestellt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG idF BGBl. Nr. 312/1987 ist auf Antrag des Beschuldigten oder des Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand u.a. gegen die Versäumung einer Frist zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde gestellt werden, bei der die Frist wahrzunehmen war. Diese ist auch zur Entscheidung über den Antrag berufen.

Im Hinblick darauf, daß es sich bei der Frist zur Erhebung einer Administrativbeschwerde gegen den Bescheid vom 26. Mai 1992 um eine Frist für die Anrufung der Rechtsmittelinstanz handelt, war auch diese zur Entscheidung über die beiden inhaltsgleichen, lediglich vorsichtshalber sowohl bei ihr als auch bei der Behörde erster Rechtsstufe eingebrachten Wiedereinsetzungsanträge berufen. Die von der Beschwerde behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt somit nicht vor.

Dagegen findet die Schlußfolgerung der belangten Behörde, den Beschwerdeführer treffe ein den minderen Grad des Versehens überschreitendes Verschulden an der Fristversäumnis, in dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt keine Deckung. Tragendes Begründungselement des angefochtenen Bescheides ist nämlich der Vorwurf, der Beschwerdeführer hätte auf Grund der offenbar durch den handschriftlichen Eingangsvermerk auf dem Rückscheinkuvert ausgelösten ausdrücklichen Rückfrage des Beschwerdevertreters über den Zustelltag des Bescheides vom 26. Mai 1992 schon damals besonderen Anlaß gehabt, an der Richtigkeit des Vermerks auf dem Rückscheinkuvert "eingelangt am 4. Juni 1992" zu zweifeln. Er wäre im Hinblick darauf, daß die Rückfrage des Beschwerdevertreters nur durch solche Zweifel veranlaßt erscheine, verpflichtet gewesen, hinsichtlich der Richtigkeit des Vermerks sofort Nachforschungen anzustellen.

Die Beschwerde hält dem mit Recht entgegen, daß im Verwaltungsverfahren keine Ermittlungen darüber angestellt wurden, weswegen der Beschwerdevertreter hinsichtlich des Zustelltages des Bescheides vom 26. Mai 1992 beim Beschwerdeführer rückgefragt hat. Die Beschwerde bestreitet, daß schon damals Anlaß für Zweifel an der Richtigkeit des Eingangsvermerkes bestanden habe und daß solche Zweifel aufgetaucht seien. Die Rückfrage des Beschwerdevertreters sei routinemäßig erfolgt, weil auf dem Originalbescheid kein Eingangsvermerk aufscheine und das vom Beschwerdeführer an den Beschwerdevertreter verfaßte Informations- und Auftragsschreiben nur das Zustelldatum aufgewiesen habe, hinsichtlich dessen es leicht zu Schreibfehlern kommen könne.

Ohne auf etwas anderes hindeutende Ermittlungsergebnisse läßt sich daher nicht sagen, die Rückfrage des Beschwerdevertreters beim Beschwerdeführer habe ihre Ursache in begründeten Zweifeln an der Richtigkeit des Eingangsvermerkes des Bescheides vom 26. Mai 1992 gehabt. Somit bestand trotz der Rückfrage des Beschwerdevertreters für den Beschwerdeführer kein BESONDERER Anlaß, schon zu diesem Zeitpunkt an der Richtigkeit des Vermerkes "eingelangt am 4.6.1992" zu zweifeln und im Hinblick darauf sofort Nachforschungen anzustellen. Auf Grund des Gesagten ist die belangte Behörde in Verkennung des Gesetzes zur gegenteiligen Annahme gelangt. Der angefochtene Bescheid mußte somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993150053.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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