TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/24 94/09/0057

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Veröffentlicht am 24.02.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §11 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 lita idF 1990/450;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der E Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol vom 17. Jänner 1994, Zl. III b 6703 B/339569/Ki, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, die ein Spanplattenwerk betreibt, beantragte mit Schreiben vom 5. November 1993 (eingelangt am 8. November 1993) beim Arbeitsamt Kitzbühel die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung für die weißrussische Staatsangehörige S. für die berufliche Tätigkeit als kaufmännische Angestellte und Dolmetscherin. Als spezielles Bildungserfordernis wurde angegeben: "Dolmetschen (Russisch und Polnisch)"; der Lohn sollte S 12.000,-- brutto pro Monat betragen. In einem Begleitschreiben wies die beschwerdeführende Partei u.a. darauf hin, ihr Unternehmen errichte Produktionsstätten und Verkaufsniederlassungen in Karelien und Polen. S. solle von der Betriebszentrale aus diese Niederlassungen als kaufmännische Angestellte betreuen.

Mit Bescheid vom 11. November 1993 lehnte das genannte Arbeitsamt diesen Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) ab. Nach Wiedergabe des § 4 Abs. 6 leg. cit. begründete die Behörde erster Instanz ihre Entscheidung damit, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Sicherungsbescheinigung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" (daß ein solches überhaupt geführt wurde, läßt sich der Aktenlage nicht entnehmen) ergeben, daß keine der in § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 3 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorlägen.

In ihrer Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, S. spreche Russisch, Deutsch, Polnisch und Englisch. Da das Unternehmen Produktions- und Verkaufsniederlassungen in England, der Republik Karelien und in Polen habe oder gerade errichte, sei S. für die Aufrechterhaltung der Kontakte zwischen dem Stammwerk und den anderen Produktionsstätten sehr wichtig. Einen anderen Arbeitnehmer, der die unbedingt erforderlichen Sprachkenntnisse habe, habe die beschwerdeführende Partei nicht finden können. In einem vom nunmehrigen Beschwerdevertreter verfaßten ebenfalls als Berufung bezeichneten Schriftsatz rügte die beschwerdeführende Partei die Begründungslosigkeit des erstinstanzlichen Bescheides. Sie brachte ferner vor, S. sei eine Schlüsselkraft. Sie habe angesichts der Beherrschung der deutschen, polnischen, russischen und englischen Sprache für das Unternehmen eine "nicht ersetzbare Qualifikation". Es dürfe ja nicht vergessen werden, daß die Erhaltung und Erweiterung der Exporte des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei der Erhaltung der Arbeitsplätze vieler inländischer Arbeitnehmer diene. Für diese ausländischen Verbindungen bedürfe es natürlich einer qualifizierten Dolmetscherin. Bei der Bedeutung des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei könne auch wohl davon ausgegangen werden, daß überdies gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung einer solchen qualifizierten Person erforderten. Gerade bei internationalen Verhandlungen mit dem Osten, besonders mit Rußland und Polen, benötige man jemanden, der diese Sprachen einschließlich (was immer noch wesentlich sei) der englischen Sprache beherrsche. Angesichts dieser besonderen Voraussetzungen sei die Befürwortung des Vermittlungsausschusses nicht erforderlich, es seien ja die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG gegeben. Mangels einer Begründung im erstinstanzlichen Bescheid könne auch nicht überprüft werden, ob "unter Berücksichtigung der üblichen Karteileichen und dergleichen und des Standortes und Tätigkeitsbereiches der Firma E. ... überhaupt eine Kontingentüberziehung vorliegen würde."

In ihrem Vorhalt vom 29. Dezember 1993 brachte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis, im Zuge des Aufenthaltsbewilligungsverfahrens für S. sei die belangte Behörde mit Schreiben vom 29. Oktober 1993 um Abgabe einer Unbedenklichkeitserklärung gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ersucht worden. Dabei sei um die Abgabe dieser Erklärung hinsichtlich des Aufenthaltszweckes einer Verkaufshelferin für S. angesucht worden. Wie das Arbeitsamt Kitzbühel mitgeteilt habe, seien für S. keinerlei Ausbildungs- oder Qualifikationsnachweise vorgelegt worden, wobei die monatliche Bruttoentlohnung S 12.000,-- betragen solle. Aus diesen Umständen schließe die belangte Behörde, es handle sich bei S. nicht um eine qualifizierte kaufmännische Fachkraft und Dolmetscherin, sondern allenfalls um eine kaufmännische Hilfskraft. Dies insbesondere deshalb, weil bis dato keinerlei Ausbildungsnachweise vorgelegt worden seien. In der Folge führte die belangte Behörde die für Tirol auf Grund der Verordnungen, BGBl. Nr. 738/1992 und Nr. 794/1993, für die Kalenderjahre 1993 und 1994 geltenden Landeshöchstzahlen (20.700; 19.500) an und legte näher auf Grund des ihr zur Verfügung stehenden statistischen Materials für das Jahr 1993 (und zwar für die Monate Jänner bis November) dar, in welchem Ausmaß es zu einer Überschreitung der Landeshöchstzahl gekommen sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das zuständige Arbeitsamt seien die Landeshöchstzahlen für Tirol von 20.700 und 19.500 überschritten gewesen, sodaß die Entscheidung des Arbeitsamtes gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG zu erfolgen gehabt hätte. Der Vermittlungsausschuß habe die beantragte Beschäftigungsbewilligung (richtig: Sicherungsbescheinigung) für S. nicht einhellig befürwortet. Auf Grund des der belangten Behörde zur Verfügung stehenden statistischen Materials seien derzeit "über 20.700 beschäftigte und arbeitslose Ausländer" feststellbar. Somit seien die in den erwähnten Landeshöchstzahlverordnungen 1993 und 1994 festgesetzten Landeshöchstzahlen für Tirol überschritten, sodaß im Beschwerdefall § 4 Abs. 6 AuslBG zur Anwendung komme.

In ihrer undatierten Stellungnahme legte die beschwerdeführende Partei in Ablichtung ein Diplom von S. samt Übersetzung vor. Danach hat S. 1986 bis 1991 an der Weißrussischen Staatlichen Pädagogischen Hochschule für Fremdsprachen studiert und dieses Studium für das Fach Deutsch und Englisch abgeschlossen. Ihr wurde die Qualifikation einer Mittelschullehrerin für diese beiden Sprachen zuerkannt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Jänner 1994 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG und §§ 11 Abs. 1 in Verbindung mit 4 Abs. 6 AuslBG nach Anhörung des Verwaltungsausschusses ab. Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der Wiedergabe der Rechtslage führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, sie habe die beschwerdeführende Partei von den im bisherigen Ermittlungsverfahren festgestellten Fakten in ihrem Vorhalt vom 29. Dezember 1993 verständigt. Die in Wahrung des Parteiengehörs von der beschwerdeführenden Partei abgegebene Stellungnahme habe sich auf die Wiederholung des Berufungsantrages und die Vorlage einer Ablichtung eines Diploms beschränkt. Daraus gehe hervor, S. habe Deutsch und Englisch studiert und die Qualifikation einer Mittelschullehrerin für diese Sprachen erworben. Ansonsten habe die beschwerdeführenden Partei dem ihr vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht widersprochen.

Aus diesem Grund gehe die belangte Behörde von der unwidersprochen gebliebenen Faktendarlegung, die der beschwerdeführenden Partei vorgehalten worden sei, aus. In der Folge legte sie (wie im Vorhalt) dar, daß auf Grund des ihr zur Verfügung stehenden statistischen Materials die Landeshöchstzahl der Landeshöchstzahlenverordnungen 1993 und 1994 für das Bundesland Tirol überschritten seien, sodaß das vorliegende Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG abzuwickeln gewesen sei. Der Auffassung der beschwerdeführenden Partei, S. könne in ihrer Funktion als kaufmännische Angestellte und Dolmetscherin als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer angesehen werden (Hinweis auf die perfekten Sprachkenntnisse des Deutschen, Russischen, Polnischen und Englischen und die behauptete Bedeutung von S. für die Erhaltung und Erweiterung der Exporte der beschwerdeführenden Partei), hielt die belangte Behörde entgegen, auf Grund fehlender Qualifikationsnachweise könne S. keinesfalls als kaufmännische Fachkraft und Dolmetscherin angesehen werden. Aus dem für S. vorgelegten Diplom gehe hervor, daß diese einen Hochschulabschluß für Deutsch und Englisch (jedoch nicht Polnisch) erworben habe und ihr deshalb eine Qualifikation einer Mittelschullehrerin zuerkannt worden sei. Eine Mittelschullehrerin könne jedoch auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht als Dolmetscherin und schon gar nicht als kaufmännische Fachkraft angesehen werden. Diese beiden Funktionen solle jedoch S. bei der beschwerdeführenden Partei - und zwar als Schlüsselkraft - ausüben. Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe (die beschwerdeführende Partei habe dem nicht widersprochen), besitze die beantragte Ausländerin keinerlei Qualifikation für diese beruflichen Tätigkeiten. Sie könne daher nicht als Schlüsselkraft im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG angesehen werden. Im übrigen müsse eine Schüsselkraft im Sinne dieser Bestimmung auch zur Erhaltung von Arbeitsplätzen von inländischen Arbeitnehmern - und zwar von solchen im Betrieb der beschwerdeführenden Partei - dienen. Die beschwerdeführende Partei habe aber weder behauptet noch irgendwie zu beweisen versucht, daß S. zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer in ihrem Betrieb diene. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe die Behörde vage Angaben ohne konkretes Beweisanbot nicht zum Anlaß weiterer Nachforschungen zu nehmen. Auf Grund einer nur andeutungsweisen Ausführung der beschwerdeführenden Partei sei es der belangten Behörde unmöglich nachzuvollziehen, ob tatsächlich Arbeitsplätze inländischer Arbeitnehmer (und wenn ja, welche und warum) gefährdet seien.

Die beschwerdeführende Partei stütze ihre Berufung auch auf § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG. Neurath-Steinbach, Ausländerbeschäftigungsgesetz 1991, Erl. 65 zu § 4, würden zu dieser gesetzlichen Bestimmung folgende Rechtsmeinung vertreten:

Öffentlich oder gesamtwirtschaftliche Interessen im Sinne dieser Bestimmung könnten nur bei Vorliegen einer der nachstehenden Voraussetzungen, die streng zu prüfen seien, angenommen werden:

1. Bei Ausländern, die für Aufgaben bzw. bei Vorhaben beschäftigt würden, die für den Bund oder einzelne Länder und somit für das gesamte Bundesgebiet oder weite Landesteile von erheblicher Bedeutung seien, wenn die in Frage kommenden Arbeiten ohne den Einsatz von Ausländern nicht bewältigt werden könnten. Außerdem könnten einzelbetriebliche Interessen unter diesem Tatbestand nicht berücksichtigt werden.

2. Bei Entwicklungshilfeprogrammen des Bundes oder der Länder.

Dieser Ansicht schließe sich auch die belangte Behörde an. Im vorliegenden Fall habe die beschwerdeführende Partei nicht darlegen können, daß die Beschäftigung von S. für das gesamte Bundesgebiet oder weite Landesteile von erheblicher Bedeutung sei und es spreche nach Ansicht der Berufungsbehörde auch die allgemeine Lebenserfahrung dagegen. Weiters handle es sich hier zweifellos um einzelbetriebliches Interesse, S. zu beschäftigen. Außerdem liege kein Entwicklungshilfsprogramm wie unter Punkt 2. gefordert vor. Aus diesen Gründen sei nach Ansicht der belangten Behörde der gesetzliche Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG nicht erfüllt.

Die in der Berufung vorgetragenen Gründe reichten somit nach Auffassung der belangten Behörde nicht aus, die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG zu erfüllen. Es wäre Sache der beschwerdeführenden Partei gewesen, alle anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und auch zu beweisen. Dies sei jedoch nicht geschehen, weswegen der Berufung mangels Vorliegens der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 4 AuslBG keine Folge zu geben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben, so ist ihm gemäß § 11 Abs. 1 AuslBG auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen. Sie hat zu enthalten, für welche Ausländer oder welche Anzahl von Ausländern bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen in Aussicht gestellt wird.

Gemäß § 11 Abs. 2 AuslBG darf die Sicherungsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn

1. die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und

2. auf Grund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 5 zur Verfügung stehen wird.

Die belangte Behörde hat die Ablehnung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG gestützt.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahl (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehungen und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Paragraphenzitate beziehen sich im folgenden, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist, auf das AuslBG.

Die beschwerdeführende Partei bestreitet in ihrer Beschwerde (anders als in ihrer Berufung) nicht, daß die Voraussetzungen für das erschwerte Bewilligungsverfahren nach § 4 Abs. 6 gegeben sind. Sie vertritt jedoch die Auffassung, S. sei eine Schlüsselkraft (§ 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a); ferner seien die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 3 gegeben.

Zur Schlüsselkrafteigenschaft von S. im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bringt die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, die belangte Behörde sei auf ihre Einwendungen in der Berufung in Wahrheit gar nicht eingegangen. Sie hätte sich damit auseinandersetzen müssen, daß in den Ländern des Ostblocks ein wirtschaftliches Arbeiten nur unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin möglich sei. Die kaufmännischen Qualitäten der Dolmetscherin seien zweitrangig. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde seien auch nicht bloß vage Angaben ohne konkretes Beweisanbot vorgelegen. In diesem Zusammenhang rügt die beschwerdeführende Partei auch die Schlüsse der belangten Behörde, die diese allein aus dem vorgelegten Diplom ohne Einholung eines Gutachtens auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung in bezug auf die Sprachkenntnisse von S. gezogen habe (keine Polnischkenntnisse; kein Qualifikationsnachweis für die Tätigkeit als Dolmetscherin). Offenbar vermeine die belangte Behörde aus dem Gehalt von S. schließen zu können, daß diese keine Schlüsselkraft sei. Es sei amtsbekannt, daß gerade in den Staaten des Ostblocks qualifizierte Kräfte teilweise vollkommen unterbezahlt seien. Für die dortigen Verhältnisse sei das Gehalt von S. aber immer noch enorm.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 93/09/0185; weitere Fundstellen siehe im hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0389) ist ein Arbeitnehmer nur dann als Schlüsselkraft anzusehen, wenn ihm auf Grund seiner besonderen Qualifikation und/oder der vorgesehenen Stellung im Betriebsgeschehen (z.B. Entscheidungsverantwortung) eine - besondere - arbeitsplatzerhaltende Position zukommt. Der Umstand allein, daß jeder Arbeitnehmer notwendigerweise in Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben zur Erreichung der Unternehmensziele und damit - unabhängig von der Betriebsgröße - zur Sicherung des Bestandes des Unternehmens seinen Beitrag leistet, macht ihn noch nicht zur "Schlüsselkraft" im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a. Aus dem Umstand der Entlohnung allein kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der beantragte Ausländer nicht eine Schlüsselkraft im Sinne des Gesetzes sei (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0267, sowie vom 27. Juli 1994, Zl. 93/09/0436).

Die belangte Behörde hat die Schlüsselkraftqualität der beantragten Ausländerin zum einen deshalb verneint, weil S. ihrer Auffassung nach keinerlei Qualifikation für die beantragten Tätigkeiten (kaufmännische Angestellte und Dolmetscherin) aufweise, zum anderen, weil die beschwerdeführende Partei weder behauptet noch irgendwie zu beweisen versucht habe, daß S. zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer in ihrem Betrieb diene.

Der Verwaltungsgerichtshof kann dieser Argumentation nicht zustimmen.

Auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse, die ausschließlich in dem von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Zeugnis bestehen, kann die Frage, ob S. für die beantragten Tätigkeiten ausreichend qualifiziert ist, nicht abschließend beantwortet werden. Dennoch hat die belangte Behörde weitere Ermittlungen in dieser Richtung unterlassen. Sie hat auch die beschwerdeführende Partei nicht dazu aufgefordert, weitere Nachweise zu erbringen, was aber notwendig gewesen wäre, wenn die belangte Behörde das vorgelegte Zeugnis als unzureichenden Nachweis ansah.

Es trifft auch nicht zu, daß die beschwerdeführende Partei weder behauptet noch zu beweisen versucht hat, daß S. als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer notwendig ist. Die beschwerdeführende Partei hat bereits im Berufungsverfahren vorgebracht, S. sei infolge ihrer Sprachkenntnisse eine Schlüsselkraft; es dürfe nicht vergessen werden, daß die Erhaltung und Erweiterung der Exporte ihres Unternehmens der Erhaltung der Arbeitsplätze vieler inländischer Arbeitnehmer diene. An dieser Auffassung hält die beschwerdeführende Partei auch in der Beschwerde fest.

Dabei teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß es sich bei der Erhaltung von Arbeitsplätzen im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a nur um solche im Unternehmen des Antragstellers handeln kann, mag dies auch in der Regel zutreffen. Mangels einer entsprechenden Einschränkung im Gesetzeswortlaut kann dieser Tatbestand auch erfüllt sein, wenn die Arbeitsplätze inländischer Arbeitnehmer in einem anderen Unternehmen als dem des Antragstellers erhalten werden. Dies könnte z.B. bei einer engen wirtschaftlichen und/oder gesellschaftsrechtlichen Verflechtung mehrerer (formell selbständiger) Unternehmen der Fall sein. Die verfehlte Rechtsauffassung der belangten Behörde ist aus den nachstehenden Gründen im Beschwerdefall deshalb nicht ohne Bedeutung, weil es die belangte Behörde trotz ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht unterlassen hat, die diesbezüglichen Behauptungen der beschwerdeführenden Partei zu überprüfen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann es keinem Zweifel unterliegen, daß nach den Schutzzielen des AuslBG auf die Erhaltung KONKRETER Arbeitsplätze inländischer Arbeitnehmer abzustellen ist, sodaß die Beschränkung auf das Aufzeigen von ökonomischen Zusammenhängen ohne Bezugnahme auf die konkrete Situation im Unternehmen des Antragstellers oder Dritter nicht ausreicht, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a darzutun.

Es kann aber nicht gesagt werden, daß das - wenn auch allgemein gehaltene - Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zur Frage der Erhaltung inländischer Arbeitskräfte im Zusammenhang mit der Person und mit der vorgesehenen Tätigkeit der S. nicht konkret genug wäre, um die entsprechende Ermittlungspflicht der belangten Behörde auszulösen. Es leuchtet nämlich ohne weiteres ein, daß eine gezielte, mit dafür geeigneten Fachkräften verfolgte expansive Unternehmenspolitik nicht nur der Schaffung neuer, sondern umso mehr auch der Erhaltung bereits bestehender konkreter Arbeitsplätze im Inland dienen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, daß die bisher durchgeführten Ermittlungen bereits zu einer abschließenden Beantwortung der Frage ausreichen, ob und inwieweit gerade auch durch die Beschäftigung der S. im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei inländische Arbeitsplätze in oder außerhalb von diesem Unternehmen erhalten werden können. Dieser Frage wird die belangte Behörde deshalb im fortgesetzten Verfahren nachzugehen haben.

Da sich der Sachverhalt somit als in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig erweist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090057.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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