TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/28 90/14/0225

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Veröffentlicht am 28.02.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §110 Abs2;
BAO §250 Abs1;
BAO §275;
BAO §85 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der P G.m.b.H. in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 30. Juli 1990, Zl. 30.607-3/90, betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer sowie Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Körperschaftsteuer und der Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1984 und 1985 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im übrigen wird der angefochtene Bescheid durch die Beschwerde nicht berührt.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei erhob (im Anschluß an eine Betriebsprüfung) am 15. April 1987 wie folgt Berufung:

"Gegen die KÖSt-, GW-, U- und KESt-Bescheide 1983 bis 1985 erheben wir Berufung und stellen den Antrag, diese ersatzlos aufzuheben. Wir ersuchen Sie, eine angemessene Nachfrist zur Ergänzung zu setzen. Es handelt sich um eine sehr umfangreiche Materie, wobei auch Beweismittel nachzuschaffen sein werden."

Da diese Berufung nicht den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 BAO entsprach, trug das Finanzamt der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 21. Mai 1987 (zugestellt am 25. Mai 1987) die Behebung der Mängel (es fehle die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen begehrt würden, sowie die Begründung) bis 30. Juni 1987 auf. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, daß die Berufung bei Versäumung dieser Frist als zurückgenommen gilt.

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 1987 (eingelangt beim Finanzamt ebenfalls am 29. Juni 1987) ersuchte die beschwerdeführende Partei, die bisher gestellte Frist "angemessen zu erstrecken".

Mit Bescheid vom 7. Juli 1987 (zugestellt am 9. Juli 1987) wies das Finanzamt das Ansuchen vom 29. Juni 1987 um Verlängerung der Frist "zur Behebung von Mängeln betreffend die Berufung vom 16.4.1987" ab.

Am 9. Juli 1987 langte daraufhin ein mit 8. Juli 1987 datiertes Schreiben der beschwerdeführenden Partei beim Finanzamt ein, mit dem eine "Ergänzung der bisherigen Berufungen" stattfand.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die Körperschaftsteuer 1983 bis 1985 sowie die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für 1983 bis 1985 meritorisch ab. Die belangte Behörde ging dabei offenbar mit Rücksicht auf das Schreiben vom 8. Juli 1987 vom Vorliegen einer mängelfreien Berufung aus. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe einer in den Jahren 1983 bis 1985 angenommenen verdeckten Gewinnausschüttung (Verzinsung des Verrechnungskontos eines Gesellschafters) gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt, einem weiteren im Schriftsatz vom 8. Juli 1987 gestellten Begehren auf Nichtanerkennung (als Scheingeschäft) eines Liegenschaftsverkaufes und -rückkaufes jedoch keine Folge. Aus diesem Verkauf von Anteilen an einem bebauten Betriebsgrundstück, der am 4. Dezember 1984 erfolgt war, resultierte 1984 ein - durch die Betriebsprüfung erhöhter - Veräußerungsgewinn; aus dem am 18. Dezember 1994 getätigten Rückkauf eine entsprechende Aktivierung der Anschaffungskosten (mit bilanzieller Fortwirkung - insbesondere AfA - für die Folgejahre). Die Berufung betreffend Umsatzsteuer 1983 bis 1985 wies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO i.V.m. § 278 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück (diesbezüglich waren nach der Betriebsprüfung keine neuen Bescheide ergangen).

In der Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Als Beschwerdepunkt wird geltend gemacht "die Verletzung des Rechtes auf ordnungsgemäße Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Der angefochtene Bescheid wird nur hinsichtlich der Entscheidung über die Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide und die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für 1983 bis 1985 angefochten und bleibt im übrigen - die Umsatzsteuerbescheide 1983 bis 1985 betreffend - unberührt".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift beantragt, hinsichtlich der Körperschaftsteuer sowie der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1983 (weil das Beschwerdevorbringen inhaltlich nur das 1984 abgewickelte Grundstücksgeschäft betreffe, das auf die Gewinnermittlung 1983 keine Auswirkungen gehabt habe und damit auch insoweit keine Beschwer vorliegen könne) die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, im übrigen als unbegründet abzuweisen. In der Gegenschrift wird auch (erstmals) darauf hingewiesen, daß der Mängelbehebungsauftrag vom 21. Mai 1987 von der beschwerdeführenden Partei erst am 9. Juli 1987, somit nach Ablauf der (nicht mehr verlängerten) Mängelbehebungsfrist erfüllt worden ist. Die belangte Behörde vertrat dazu die Ansicht, die beschwerdeführende Partei könne "dadurch, daß die belangte Behörde ungeachtet der bei verspäteter Mängelbehebung im § 275 BAO angeordneten Rechtsfolge eine Sachentscheidung (Teilstattgabe zugunsten der Abgabepflichtigen) getroffen hat, in ihren Rechten nicht verletzt worden" sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei führt als "Beschwerdepunkt" die Verletzung des Rechtes auf ordnungsgemäße Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer an. Damit ist aber im Sinn des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG noch keine bestimmte Bezeichnung des Rechtes erfolgt, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet. Aus den Beschwerdeausführungen ergibt sich dazu, daß die Rechtsverletzung (ausschließlich) in der Nichtqualifizierung des Grundstücksverkaufes (und -rückkaufes) 1984 als Scheingeschäft (wobei in der Beschwerde auch die Mißbrauchsbestimmungen des § 22 BAO herangezogen werden) gelegen sein soll. Diese Rechtsverletzung erstreckt sich nicht auf das Jahr 1983, sodaß der für den Verwaltungsgerichtshof relevante Prüfungsumfang des angefochtenen Bescheides auf die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer und Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1984 und 1985 festgelegt ist. Bei dieser durch den Beschwerdepunkt gegebenen Einschränkung kam eine - von der Behörde in der Gegenschrift beantragte - Zurückweisung der Beschwerde, soweit sie sich formell gegen die Bescheide 1983 richtet, nicht in Betracht.

Nach § 250 Abs. 1 BAO muß die Berufung enthalten:

a)

die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b)

die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c)

die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d)

eine Begründung.

Gemäß § 275 BAO hat die Abgabenbehörde erster Instanz, wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Die Frist zur Mängelbehebung ist zwar verlängerbar, einem dementsprechenden Antrag kommt aber keine hemmende Wirkung zu. Wird das Fristverlängerungsansuchen abgewiesen, endet die Frist mit jenem Tag, der von der Behörde im Mängelbehebungsauftrag festgesetzt worden ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. September 1990, 89/14/0232, und vom 20. Jänner 1993, 92/13/0215).

Wird einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder zwar innerhalb der gesetzen Frist aber - gemessen an dem sich an den Vorschriften des § 250 Abs. 1 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, gilt die Berufung kraft Gesetzes als zurückgenommen. Der Eintritt dieser Folge wird durch den auf diese Rechtstatsache bezugnehmenden, von der Behörde im Sinne des § 275 BAO zu erlassenden (verfahrensrechtlichen) Bescheid nicht begründet, sondern festgestellt, und kann somit durch nach Fristablauf vorgenommene (verspätete) Mängelbehebungen nicht mehr beseitigt werden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2702, sowie beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, 89/14/0255).

Im Beschwerdefall hatte das Finanzamt mit Bescheid vom 21. Mai 1987 die Frist zur Behebung der Mängel der Berufung vom 15. April 1987 mit 30. Juni 1987 festgesetzt und darauf hingewiesen, daß bei Versäumung dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gilt. Diesem Mängelbehebungsauftrag kam die beschwerdeführende Partei nicht zeitgerecht (innerhalb der mit Bescheid vom 7. Juli 1987 nicht mehr verlängerten Mängelbehebungsfrist) nach. Obwohl die Berufung damit nach § 275 BAO als zurückgenommen galt, hat die belangte Behörde (in der Sache) eine Berufungsentscheidung erlassen. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid - und zwar hinsichtlich der vom Beschwerdepunkt betroffenen Entscheidung - mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet, die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG von Amts wegen wahrzunehmen war (vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1977, Slg. Nr. 5.078/F, und vom 14. September 1992, 91/15/0135). Entgegen der Meinung der belangten Behörde wird die beschwerdeführende Partei durch die Sachentscheidung in ihrem im Rahmen des Beschwerdepunktes (Nichtqualifizierung als Scheingeschäft) gelegenen subjektiv-öffentlichen Recht auf Beachtung der einfachgesetzlichen Zuständigkeitsordnung verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG (im Rahmen des Beschwerdepunktes) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1990140225.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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