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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek sowie die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Mai 1992, Zl. 4.306.270/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Mai 1992 - dem Beschwerdeführer am 21. Mai 1992 zugestellt - wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, der am 30. November 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 30. November 1992, B 868/92, ab und trat diese in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof ab. In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung am 2. Jänner 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland angegeben, nach seiner Schulausbildung aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in seinem Heimatland keine Arbeit gefunden zu haben, sodaß er mit seiner Familie von einer kleinen Landwirtschaft gelebt habe. Somalia sei von einem kommunistischen Diktator regiert worden. Der Beschwerdeführer habe zwar keiner Partei angehört, sei jedoch gegen dieses Regime eingestellt gewesen. Er habe mit der antikommunistischen Partei SNM sympathisiert. Es komme in seinem Heimatland immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen der kommunistischen und antikommunistischen Gruppierungen der einzelnen Stämme. Auch habe die Regierung wiederholt Bombenangriffe durchgeführt. Dabei habe es laufend Tote und Verletzte gegeben, wobei meist auch unschuldige Personen zu Schaden gekommen seien. Aus Angst habe er mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern schließlich sein Heimatland verlassen.
In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß seine Erstbefragung in Schubhaft stattgefunden habe, sodaß er daher zurückhaltend gewesen sei und nicht gewagt habe, offen über seine politische Einstellung und seine Fluchtgründe zu sprechen. Er gehöre nämlich dem Stamm der Issak in Norden Somalias an, der von der Regierung besonders verfolgt werde, weil viele Mitglieder der Oppositionsbewegung diesem Stamm angehörten. Diesbezüglich lege er einen Bericht von Amnesty International vom Juni 1990 vor, in dem darüber berichtet werde, daß im Juli 1989 in Mogadischu eine große Anzahl von Personen durch Soldaten auf einem Platz zusammengetrieben worden sei. Diejenigen, die man als Stammesangehörige der Issaks habe identifizieren können, habe man verhaftet und in der Folge erschossen. Diese Personen seien ausschließlich aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit getötet worden. Für Angehörige der Issaks sei es auch sehr schwer, Arbeit zu finden. Der Beschwerdeführer selbst habe mit seiner Familie eine kleine Landwirtschaft geführt, sei jedoch dann von der Regierung enteignet worden. Nach längerer Suche habe er schließlich eine Stelle als Mechaniker gefunden. Nachdem er aber an seinem Arbeitsplatz mehrmals von einer Gruppe von Leuten aufgesucht worden sei, die ihm Prügel und Verhaftung angedroht hätten, habe er versucht eine andere Stelle zu finden. Als er schließlich auch zu Hause Morddrohungen mit der Aufforderung, das Land zu verlassen, erhalten habe, habe er sich im August 1989 zur Flucht entschlossen.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung die Ansicht vertreten, daß die Angaben des Asylwerbers bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz der Wahrheit am nächsten kämen, und dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagt. Sein erstinstanzliches Vorbringen allein sei jedoch nicht geeignet, eine Asylgewährung zu rechtfertigen.
Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß die belangte Behörde dabei übersieht, daß das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers seinem erstinstanzlichen Vorbringen keineswegs widerspricht, sondern dieses lediglich ergänzt, und daß der von ihm gebotenen Begründung, weshalb seine Aussagen in der ersten Instanz weniger ausführlicher gewesen seien, nicht von vornherein jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen werden kann. Aber auch bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte die belangte Behörde zu keinem anderen Ergebnis gelangen können. Um Gründe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darzutun, müssen konkrete, den Asylwerber selbst oder die ethnische, politische oder religiöse Gruppe, der er angehört, betreffende Umstände behauptet und glaubhaft gemacht werden, aus denen die in Art. 1 Abschn. A Flüchtlingskonvention geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist. Der Hinweis eines Asylwerbers auf Berichte von Amnesty International oder auf die allgemeine Lage läßt keinen tragfähigen Schluß auf derartige konkrete Verfolgungshandlungen zu (Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0754, und Erkenntnis vom 5. Dezember 1990, Zl. 90/01/0202).
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Berufung - im Gegensatz zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen, in dem er lediglich auf die politischen Verhältnisse und seine politische Einstellung Bezug genommen hat - geltend gemacht hat, er sei Angehöriger des seitens der Regierung verfolgten Stammes der Issak, befindet sich die belangte Behörde mit ihrer in dieser Hinsicht gewählten Argumentation, diesem Vorbringen müsse die Glaubwürdigkeit versagt bleiben, weil die Angaben eines Asylwerbers bei seiner ersten Befragung der Wahrheit am nächsten kämen, auf dem Boden der zur Frage der Beweiswürdigung und ihrer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ergangenen hg. Judikatur (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0514). Der Beschwerdeführer hat hiezu lediglich darauf verwiesen, daß er sich bei seiner Erstbefragung in Schubhaft befunden habe. Daraus kann aber kein Hindernis für einen Asylwerber abgeleitet werden, alle für die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Umstände bereits bei der Ersteinvernahme vorzubringen.
Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, daß ihm das in diesem Bericht angeführte Vorgehen der Soldaten bereits in seinem Heimatland bekannt und ausschlaggebend für seine Flucht gewesen sei. Auch habe ihm eine Gruppe von Leuten Prügel und Verhaftung angedroht. Der Beschwerdeführer hat nicht angegeben, um wen es sich bei dieser "Gruppe von Leuten" gehandelt habe, also ob diese Drohungen von staatlichen Stellen ausgegangen seien. Gleiches gilt für jene Drohungen, die den Beschwerdeführer - seinen Angaben nach - zu Hause erreichten. Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche kommen als Verfolgung im Sinne der Konvention nur dann in Betracht, wenn dadurch eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage gegeben ist, was der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet hat.
Angesichts dieser Rechtslage kommt dem Umstand, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör bezüglich der von ihr angenommenen Änderungen der Verhältnisse in Somalia zu verschaffen, keine Relevanz zu.
Soweit der Beschwerdeführer überdies die Auffassung vertritt, der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil es die belangte Behörde unterlassen habe, ihm gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1991 den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu bewilligen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die belangte Behörde noch das Asylgesetz (1968), BGBl. Nr. 126/1968, anzuwenden hatte. Gemäß seinem § 27 trat das Asylgesetz 1991 nämlich erst mit 1. Juni 1992 in Kraft; der angefochtene Bescheid war jedoch bereits am 21. Mai 1992 (Datum der Zustellung) erlassen. Eine dem § 8 Asylgesetz 1991 entsprechende Bestimmung beinhaltete das Asylgesetz (1968) aber nicht.
Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994190445.X00Im RIS seit
20.11.2000