TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/9 93/18/0350

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Veröffentlicht am 09.03.1995
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §14b Abs1 Z4;
FrPolG 1954 §3;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs3;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs2;
VStG §65;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §30 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 15. Juli 1993, Zl. 1-181/93/E2, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 24. Februar 1993 wegen Übertretung des § 14b Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) bestraft, weil er sich im Zeitraum vom 31. Jänner 1991 bis mindestens 27. September 1991 als Fremder nicht rechtmäßig, nämlich ohne Sichtvermerk, im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Verfahrenskosten wurden mit S 200,-- bestimmt. Zum Tatbestand der Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz wurde ausgeführt, daß der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Sichtvermerk mit 31. Jänner 1991 abgelaufen sei. Gegen den Beschwerdeführer bestünde ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot. Er habe dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Für den Aufenthalt bedürfte er als Fremder jedoch auch eines Sichtvermerkes. Ein Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes sei erst am 28. November 1991 eingebracht worden. Zum Strafausmaß wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt, daß keine mildernden und erschwerenden Umstände zu berücksichtigen gewesen seien. Die Höhe der verhängten Geldstrafe entspreche dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Übertretung und dem in diesem Fällen in der Regel eingehobenen Strafbetrag.

In seiner Berufung gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, daß er gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verbunden mit dem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung unter anderem in der Weise zuzuerkennen, daß die Nichtbeachtung des Verlassens des österreichischen Bundesgebietes gegenwärtig und bis auf weiteres nicht zum Anlaß der Verhängung weiterer Verwaltungsstrafen genommen werden dürfe, erhoben habe. Diesem Antrag habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 7. März 1990 entsprochen. Nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof habe er die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof verbunden mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im angeführten Umfang beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluß vom 16. Oktober 1990 diesem Antrag stattgegeben. Der ihm nunmehr gemachte Vorwurf sei deshalb völlig unbegründet. Nach Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - seiner Beschwerde sei nicht stattgegeben worden - habe er unverzüglich am 28. November 1991 eine neue Aufenthaltsberechtigung beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (die belangte Behörde) der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß als Tatzeitraum der 1. Februar 1991 bis zum 27. September 1991 zu gelten habe. Gemäß § 64 Abs. 2 VStG wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 400,-- zu bezahlen. Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten, daß sich der Beschwerdeführer in dem im Straferkenntnis angeführten Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten habe. Für den Zeitraum ab dem 1. Februar 1991 bis zum 27. September 1991 sei ihm laut Aktenlage kein Sichtvermerk erteilt und ihm auch mit Bescheid keine Aufenthaltsberechtigung verlängert worden. Er habe sich somit in diesem Zeitraum nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Der Einwand, daß die seinen Beschwerden gegen den Bescheid betreffend das Aufenthaltsverbot von den Höchstgerichten zuerkannte aufschiebende Wirkung den Vorwurf völlig unbegründet erscheinen lasse, treffe nicht zu. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe nur den Aufschub der Wirkungen des angefochtenen Verwaltungsaktes, somit im vorliegenden Fall den Aufschub des Vollzugs des Aufenthaltsverbotes zur Folge. Der Verstoß gegen die Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes sei bei Berücksichtigung der Dauer des unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht als unerheblich zu werten. Die erstinstanzliche Behörde habe eine im unteren Drittel der Strafdrohung liegende Geldstrafe verhängt. Als Verschuldensform sei Vorsatz anzunehmen, was als erschwerend zu berücksichtigen sei. Unter Zugrundelegung des vorgetragenen Sachverhaltes aber auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers finde die belangte Behörde die von der erstinstanzlichen Behörde festgesetzte Strafe schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen. Die Präzisierung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses sei deshalb erfolgt, weil sich aus dem Verwaltungsakt ergebe, daß der dem Beschuldigten erteilte Sichtvermerk am 31. Jänner 1991 abgelaufen sei; der unrechtmäßige Aufenthalt habe somit am 1. Februar 1991 begonnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unbestritten steht fest, daß der Beschwerdeführer Fremder im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes ist und der ihm erteilte Sichtvermerk am 31. Jänner 1991 abgelaufen ist. Er macht geltend, daß der gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid erhobenen Beschwerde sowohl vom Verfassungsgerichtshof als auch vom Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung unter anderem in der Weise, daß die Nichtbeachtung des Verlassens des österreichischen Bundesgebietes gegenwärtig und bis auf weiteres nicht zum Anlaß der Verhängung weiterer Verwaltungsstrafen genommen werden dürfe, zuerkannt worden sei. Aufgrund der Entscheidungen der Höchstgerichte habe er darauf vertrauen können, daß ein Aufenthalt ohne Sichtvermerk nicht bestraft werde. Nach dem Vorliegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde habe der Beschwerdeführer unverzüglich am 28. November 1991 um die Aufenthaltsberechtigung angesucht.

Die Bestimmungen des § 85 Abs. 2 und 3 VerfGG und des § 30 Abs. 2 und 3 VwGG dienen der Wirksamkeit der Rechtsschutzfunktion der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, weil damit unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit geschaffen wird, zu verhindern, daß der angefochtene Bescheid während des Beschwerdeverfahrens vollstreckt oder in anderer Weise zum Nachteil des Beschwerdeführers in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde - unabhängig vom Wortlaut des Antrages - alle an den das Aufenthaltsverbot betreffend den Beschwerdeführer aussprechenden rechtskräftigen Bescheid geknüpften Wirkungen aufgeschoben, also die Vollstreckbarkeit, Bindungswirkung und die Tatbestandswirkung. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wurde damit aber nicht eine fehlende Aufenthaltsberechtigung ersetzt oder eine befristet bestehende über ihre Gültigkeitsdauer hinaus verlängert. Die vom Beschwerdeführer vorgenommene - irrige - Gesetzesauslegung entschuldigt ihn nur dann, wenn sie unverschuldet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1978, VwSlg. 9684 A). Ein solcher Schuldausschließungsgrund ist dann nicht gegeben, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen hat. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung muß von einem Fremden verlangt werden, daß er sich über die mit dem Aufenthalt von Ausländern im Inland zusammenhängenden österreichischen Vorschriften informiert. Unterläßt er Erkundigungen, so kann er sich nicht auf unverschuldete Rechtsunkenntnis berufen (vgl. dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, § 5 Abs. 2 VStG, E Nr. 45-47). Da der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, Informationen über die Richtigkeit seiner Auffassung über die Wirkungen der der Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid zuerkannten aufschiebenden Wirkung eingeholt zu haben, scheidet ein relevanter Rechtsirrtum von vornherein aus.

Der Beschwerdeführer meint, die Tat könne ihm nicht vorgeworfen werden. Sicherlich liege kein vorsätzliches Verhalten vor, das als Erschwerungsgrund bei der Strafbemessung hätte herangezogen werden dürfen. Richtigerweise hätte die belangte Behörde den Erschwerungsgrund Vorsatz nicht berücksichtigen dürfen. Hätte sie dies gemacht, so sei nicht ausgeschlossen, daß die Strafe niedriger bemessen worden wäre.

Nach der Aktenlage hielt sich der Beschwerdeführer seit 1974 in Österreich auf. Der ihm zuletzt erteilte Sichtvermerk berechtigte ihn zum Aufenthalt bis zum Ablauf des 31. Jänner 1991. Wenn die belangte Behörde angesichts dieser Umstände als Verschuldensform Vorsatz angenommen hat, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil ein positives Wissen des Beschwerdeführers über die Notwendigkeit einer Aufenthaltsberechtigung evident ist.

Hinsichtlich des Kostenausspruches im angefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer geltend, daß die belangte Behörde den Tatzeitraum um einen Tag eingeschränkt habe. Es liege sohin kein "bestätigendes" Straferkenntnis vor, weshalb die Vorschreibung von Kosten des Berufungsverfahrens nicht zulässig sei.

§ 65 VStG findet nur dann Anwendung, wenn von der Berufungsbehörde eine Änderung des erstinstanzlichen Strafbescheides zugunsten des Bestraften vorgenommen worden ist, also entweder die Strafe herabgesetzt oder der von der Strafbehörde erster Instanz angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist. Im Beschwerdefall führte die Strafbehörde erster Instanz im Spruch des Straferkenntnisses aus, daß sich der Beschwerdeführer "im Zeitraum vom 31.1.1991 bis mindestens 27.9.1991" nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Aus der Begründung, wonach der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Sichtvermerk "mit Datum vom 31.1.1991" abgelaufen sei, ergibt sich zweifelsfrei der Beginn des Deliktszeitraumes mit Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes. Wenn daher die belangte Behörde den Beginn des Tatzeitraumes mit dem 1. Februar 1991 festsetzte, veränderte sie die Verurteilung nicht zugunsten des Beschwerdeführers.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Begriff der aufschiebenden Wirkung Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Spruch der Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993180350.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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