TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/9 92/18/0465

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.1995
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §64 Abs2;
FrPolG 1954 §13a Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z7;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Juli 1992, Zl. SD 354/92, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Juli 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen äthiopischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 31. Dezember 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die im erstinstanzlichen Bescheid genannten Gründe seien auch für ihre Entscheidung maßgebend gewesen. Der Beschwerdeführer sei mit Hilfe eines Schleppers aus der Tschechoslowakei illegal, unter Zuwiderhandlung gegen das Paßgesetz und das Grenzkontrollgesetz über die sogenannte "grüne Grenze" nach Österreich gelangt. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 komme ihm nicht zu, sodaß das Fremdenpolizeigesetz auf ihn in vollem Umfang anzuwenden sei.

Der Beschwerdeführer sei zugegebenermaßen mittellos, sodaß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 7 und damit auch des § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt seien. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt sei und sich hier unerlaubt aufhalte. Auf Notstand könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen, weil es sich beim Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht um ein Strafverfahren handle und weil der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz kein Verschulden voraussetze.

Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführer liege nicht vor. Er sei unerlaubt in Österreich. Seine Angehörigen lebten in Äthiopien. Im Hinblick auf das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Auftrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Tatsachen im Sinne des § 13a Fremdenpolizeigesetz stünden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. § 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz hindere nicht den Ausspruch der Erstbehörde im Sinne des § 64 Abs. 2 AVG.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 7. Oktober 1992, B 1372/92-5, ablehnte und sie mit Beschluß vom 3. November 1992, B-1372/92-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz sei verwirklicht, und weist in diesem Zusammenhang auf das Bundesbetreuungsgesetz hin.

1.2. Zur Erwiderung auf dieses Vorbringen genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach der mit dem Hinweis auf die Antragstellung nach dem Bundesbetreuungsgesetz nicht der gemäß § 3 Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz erforderliche Nachweis für den Besitz der Mittel zum Unterhalt des Fremden geführt werden kann (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 11. Mai 1992, Zl. 92/18/0144, und vom 14. April 1993, Zlen. 92/18/0321 bis 0331, mwN).

Dem vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Erkenntnis vom 25. November 1987, Zl. 86/01/0004, lag ein völlig anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Ansprüche im Sinne der dort genannten Vorschriften werden vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

2.1. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe ihm zu Unrecht angelastet, daß er unerlaubt eingereist sei. Er habe nämlich in der Tschechoslowakei nicht Schutz vor Verfolgung gefunden.

2.2. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach den von der belangten Behörde übernommenen, unbekämpft gebliebenen und unbedenklichen Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde ist der Beschwerdeführer am 21. Juni 1992 mit Hilfe eines Schleppers aus der Tschechoslowakei unerlaubt über die grüne Grenze in das Bundesgebiet eingereist und hat am 25. Juni 1992 einen Asylantrag gestellt. Gemäß § 27 des Asylgesetzes 1991 ist dieses Gesetz mit 1. Juni 1992 in Kraft getreten, sodaß es im Falle des Beschwerdeführers anzuwenden war. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Rechtsprechung, die zum Asylgesetz (1968) ergangen ist, ist demnach nicht zielführend. Der Beschwerdeführer kann sich nicht mit Erfolg auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 berufen. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung kommt gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 nur jenem Asywerber zu, "der gemäß § 6 eingereist ist". Diese Voraussetzung ist unter Zugrundelegung der unbekämpft gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde beim Beschwerdeführer nicht erfüllt: Er fällt nicht unter § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991, weil er nicht direkt aus dem Staat gekommen ist, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen (Äthiopien); § 6 Abs. 2 leg. cit. kommt für ihn deshalb nicht in Betracht, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß ihm die Einreise formlos gestattet worden wäre (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1033, mwN).

3. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die belangte Behörde hätte sein Vorbringen betreffend die Unzulässigkeit der Abschiebung in seine Heimat bei der Beurteilung nach § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz oder bei der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. berücksichtigen müssen, genügt auch hier im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Abschiebungshindernisse im Sinne des § 13a Fremdenpolizeigesetz nicht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen sind, weil in diesem Verfahren nicht zu beurteilen ist, in welchen Staat ein Fremder zulässigerweise abgeschoben werden kann (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, 93/18/0425, mwN).

Damit ist auch der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen.

4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt § 6 Fremdenpolizeigesetz, der in seinem Abs. 1 die Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides normiert und im Abs. 2 die Möglichkeit zur Verkürzung dieser Frist bei Gefahr im Verzuge vorsieht, im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit des Regelungsgegenstandes nicht die Spezialnorm gegenüber § 64 Abs. 2 AVG dar, sodaß es von diesem Gesichtspunkt aus nicht rechtswidrig war, wenn die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die von der erstinstanzlichen Behörde verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nicht stattgegeben hat. Im übrigen ist auf Grund des Beschwerdevorbringens und der Aktenlage nicht erkennbar, inwiefern der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung seiner Beschwerde durch die Aberkennung der aufschiebenen Wirkung in seinen Rechten verletzt war, lag doch in diesem Zeitpunkt der angefochtene (rechtkräftige und vollstreckbare) Bescheid vor und waren nach der Aktenlage in der Zeit der Wirksamkeit des Ausspruches nach § 64 Abs. 2 AVG gegen den Beschwerdeführer keine darauf beruhenden Maßnahmen gesetzt worden (vgl. auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 14. April 1993).

5. Der Beschwerdeführer macht die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend und führt dazu aus, nach § 13a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz sei die Abschiebung eines Fremden in einen Staat, in dem er im Sinne des Abs. 1 Z. 1 bedroht sei, nur zulässig, wenn der Landeshauptmann gemäß § 4 Asylgesetz (1968) festgestellt habe, daß der Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle oder daß er nach rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Verbrechens das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sei, eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute. § 13a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz derogiere dem § 3 leg. cit. 5.2. Diesen Ausführungen des Beschwerdeführers kann schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil der angefochtene Bescheid einen (feststellenden) Ausspruch im Sinne des § 13a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz in Verbindung mit § 4 Asylgesetz nicht enthält. Die belangte Behörde hat vielmehr als gemäß § 11 Abs. 2 und 3 Fremdenpolizeigesetz zuständige Berufungsbehörde über die Berufung gegen einen Bescheid, mit dem ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde, entschieden.

6. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992180465.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten