TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/14 94/20/0726

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Veröffentlicht am 14.03.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. August 1994, Zl. 4.338.755/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 25. Juni 1992 (er hatte damals das 15. Lebensjahr vollendet) mit seinem Vater in das Bundesgebiet eingereist und hat am 1. Juli 1992 in Begleitung seiner Mutter als "Erziehungsberechtigte" (damit gemeint: gesetzlicher Vertreter) einen Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Juli 1992 wurde dieser Asylantrag gemäß § 17 Abs. 1 und 3 Z. 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen.

Der in weiterer Folge rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer erhob rechtzeitig Vorstellung gegen diesen (im Mandatsverfahren) erlassenen Bescheid. Das Bundesasylamt wies daraufhin mit Bescheid vom 7. Juli 1992 den Asylantrag im wesentlichen mit der Begründung ab, daß dem Beschwerdeführer zufolge Verwirklichung des Asylausschließungsgrundes im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 deshalb kein Asyl zu gewähren sei, weil er vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. August 1994 wurde die gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes (vom 7. Juli 1992) erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat im Rahmen des Berufungsverfahrens (am 11. Juli 1994) der Asylbehörde erster Instanz die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens dahin aufgetragen, den Beschwerdeführer im Beisein seines Vertreters hinsichtlich seiner Fluchtgründe einzuvernehmen. Der Beschwerdeführer hat in Anwesenheit seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung durch das Bundesasylamt am 26. Juli 1994 unter anderem folgendes angegeben:

"Ich bin Kurde und werde deswegen in der Türkei benachteiligt. In der Schule wurde ich abgelehnt und habe ich mich daher distanziert. Im Jahr 1989 habe ich deswegen dann auch die Schule verlassen. Von 1990 bis zu meiner Ausreise habe ich in Istanbul in einer Schneiderei als Lehrling gearbeitet. Es ist immer wieder zu Vorfällen gekommen und als Kurde wurde ich diskriminiert. Ich wurde öffentlich beschimpft und meine Altersgenossen haben mich abgelehnt. Im Juni 1992 bin ich mit meinem Vater aus der Türkei ausgereist. Meine Mutter war bereits vorher nach Österreich gekommen. Meine Eltern sind nach cirka drei Monaten wieder in die Türkei zurückgekehrt.

...

In der Türkei mußte ich unter sehr schweren Bedingungen leben und glaube daher genug Gründe für meinen Asylantrag zu haben. Genauere Angaben bezüglich der Vorfälle kann ich keine machen.

...

Die Polizei konnte seinerzeit aufgrund meiner Minderjährigkeit nicht gegen mich vorgehen. Wenn ich jetzt in meine Heimat zurückkehren müßte, würde es mir genauso ergehen wie den anderen Kurden. Schon bei geringstem Anlaß werden Kurden festgenommen.

..."

Die belangte Behörde hat ihren abweislichen Berufungsbescheid im wesentlichen damit begründet, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere die Einvernahme des Beschwerdeführers, nicht ergeben habe, daß er Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Konkret gegen seine Person gerichtet gewesene und von seinem Heimatstaat ausgehende Verfolgungshandlungen habe der Beschwerdeführer nicht darzulegen vermocht. Die allgemeine Situation der kurdischen Volksgruppe bzw. die bloße Zugehörigkeit zu dieser sei nicht geeignet, die Asylgewährung zu rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, er sei noch sehr jung und "defacto minderjährig". Aus diesem Grund sei die Situation für ihn problematisch und "geradezu lebensbedrohlich". Seine Familie befinde sich großteils in Österreich. Er sei in der Türkei - einem für Kurden notorisch gefährlichen Land - "sozusagen als Minderjähriger übriggeblieben". Es könne nicht immer von konkreten Verfolgungsakten ausgegangen werden. Als völlig hilfloser Minderjähriger sei er der Situation vollkommen wehrlos ausgeliefert. Durch ergänzende (psychiatrische) Erhebungen wäre sein "permanenter Angstzustand" festgestellt worden. Es bestünden ausreichende Gründe, seine Eigenschaft als Konventionsflüchtling zu bejahen.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Gemäß § 3 leg. cit. hat die Asylbehörde einem Asylantrag mit Bescheid stattzugeben, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist. Die Gewährung von Asyl ist gemäß § 4 leg. cit. auf Antrag auf die ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kinder und den Ehegatten auszudehnen, sofern sich diese Personen in Österreich aufhalten und die Ehe schon vor der Einreise nach Österreich bestanden hat.

Auf dem Boden dieser Rechtslage und zufolge der ständigen bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der belangten Behörde darin zuzustimmen, daß allein aus der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bzw. aus dem Hinweis auf deren schlechte allgemeine Situation das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) nicht abgeleitet werden kann. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist die Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit in der Türkei nicht als Umstand zu werten, der für sich schon allein begründete Furcht vor Verfolgung nach sich zöge (vgl. für viele beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl.93/01/0010, und vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768). Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das vom Beschwerdeführer im Asylverfahren zur Begründung seiner Flüchtlingseigenschaft erstattete Vorbringen (aus rechtlichen Gründen) als nicht geeignet gewertet hat, eine auf einen eigenen Asylantrag gestützte Asylgewährung zu rechtfertigen. Daß der Beschwerdeführer - der auf seine Minderjährigkeit in der Beschwerde besonders verweist - einen auf § 4 Asylgesetz 1991 gestützten Ausdehnungsantrag gestellt hätte, ist dem Verwaltungsverfahren jedoch nicht zu entnehmen und wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Bei diesem Ergebnis kann der gerügten Unterlassung weiterer Erhebungen aber Wesentlichkeit nicht mehr zukommen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200726.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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