TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/21 94/11/0232

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Veröffentlicht am 21.03.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §1;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs4;
B-VG Art144 Abs1;
WehrG 1990 §23 Abs2;
ZDG 1986 §2 Abs1;
ZDG 1986 §5 Abs2;
ZDG 1986 §76a Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/11/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1994, Zl. 186.118/03-IV/10/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Zivildienstangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Mai 1994 auf Wiedereinsetzung in die in § 2 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes sowie § 76a Abs. 2 Z. 1 des Zivildienstgesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 187/1994 (ZDG) genannte Frist zur Einbringung eines Antrages auf Befreiung vom Wehrdienst aus Gewissensgründen bzw. einer Zivildiensterklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 ZDG gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 AVG abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging in der Begründung ihrer Entscheidung davon aus, daß der Beschwerdeführer am 1. Feber 1994 einen Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst aus Gewissensgründen eingebracht habe; zu diesem Zeitpunkt sei er nicht rechtswirksam für tauglich befunden gewesen, damit habe ihm die Legitimation zur Einbringung des Antrages, die die Tauglichkeit zur Voraussetzung hat, gefehlt. Sein Antrag habe daher als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Am 13. Mai 1994 habe der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Zivildiensterklärung mit der Begründung beantragt, er habe erst am 2. Mai 1994, als ihm der Zurückweisungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. April 1994 zugestellt wurde, davon Kenntnis erlangt, daß er seinen Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt hatte, zu dem er noch nicht tauglich gewesen sei. Den "Tauglichkeitsbeschluß der Stellungskommission" habe er am 24. März 1994 erhalten und sich hiebei darauf verlassen, ohnehin bereits fristgerecht einen Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst aus Gewissensgründen gestellt zu haben. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid hiezu aus, daß die Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung für den Beschwerdeführer am 10. April 1994 abgelaufen sei, die Wiedereinsetzung in eine "materiell-rechtliche Fallfrist zur Wahrnehmung eines Rechtes, die im Gesetz genannt sei", unterliege nicht den Möglichkeiten des § 71 AVG, der Wiedereinsetzungsantrag sei daher abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hält die Begründung des angefochtenen Bescheides für unzureichend und vertritt im wesentlichen die Auffassung, daß es sich bei der Frist gemäß § 2 ZDG um eine verfahrensrechtliche Frist handle, sodaß der Wiedereinsetzungsantrag von der belangten Behörde inhaltlich hätte behandelt werden müssen. Zumindest sei im Zweifel anzunehmen, daß eine prozessuale Frist vorliege. Darüberhinaus habe die belangte Behörde in unzulässiger Weise die gesetzmäßige Wiedereinsetzungsfrist auf eine Woche verkürzt. Schließlich sei Einbringungsbehörde für den Antrag nach § 2 ZDG das Militärkommando Wien, der belangte Bundesminister für Inneres hätte sich daher zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag für unzuständig erklären müssen.

Auf Grund dieses Vorbringens hatte sich der Verwaltungsgerichtshof vorerst mit der Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer gestellten Wiedereinsetzungsantrag auseinanderzusetzen.

Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Gemäß § 5 Abs. 2 ZDG ist die Zivildiensterklärung im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission, sonst bei dem nach dem Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen Militärkommando schriftlich einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben. Gemäß § 5 Abs. 3 leg. cit. hat die Einbringungsbehörde die Zivildiensterklärung unverzüglich an den Bundesminister für Inneres weiterzuleiten, welcher nach Abs. 4 ohne unnötigen Aufschub mit Bescheid festzustellen hat, ob Zivildienstpflicht eingetreten ist.

Nach dem Zweck der Bestimmung des § 71 Abs. 4 AVG ist darauf abzustellen, daß die Behörde, bei der die Handlung vorzunehmen gewesen wäre, eine Entscheidung über die Handlung zu treffen gehabt hätte, sodaß dieser Behörde eine Entscheidungskompetenz zugekommen wäre. Dies kann jedoch nicht für Fälle wie den vorliegenden gelten, in denen die Entscheidung in der Sache selbst in keinem Fall der Behörde, die bloß für die Entgegennahme des Schriftstücks zuständig ist, sondern einer Behörde aus einem anderen Ressortbereich zukäme. Das Ergebnis einer bloß grammatikalischen Interpretation des § 71 Abs. 4 AVG würde dazu führen, daß die Zuständigkeit über einen verfahrensrechtlichen Bescheid (Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) in einer Zivildienstangelegenheit einer Militärbehörde obliegen würde, wohingegen über die Rechtswirksamkeit der Zivildiensterklärung der Bundesminister für Inneres zu entscheiden hat. Dieser Regelungszweck kann § 71 Abs. 4 AVG nicht unterstellt werden (vgl. auch die Anlage zu § 2 Teil 2 des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, idF vor der Novelle BGBl. Nr. 1105/1994, Abschnitt G Z. 11 und Abschnitt I). § 71 Abs. 4 AVG ist daher auf die (Regel-)Fälle zu beschränken, in denen der Einbringungsbehörde auch Entscheidungsbefugnis in der Sache selbst zukommt. Der angerufene Bundesminister für Inneres war somit zur Entscheidung über den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag zuständig.

Die Frage, ob die Versäumung der Frist zur Abgabe der Zivildiensterklärung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich ist - wobei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1994, B 1659/94-8, verwiesen wird -, kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Denn der Beschwerdeführer übersieht, daß eine Fristversäumnis zur Stellung des Zivildienstantrages, die Grundlage für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte, hier nicht vorgelegen hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1994, B 1204/94-8, B 1474/94-6, folgendes ausgeführt:

Dem Einleitungssatz des auf Verfassungsstufe stehenden § 2 ZDG zufolge kann der Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990, der erstmals tauglich zum Wehrdienst befunden wurde, innerhalb eines Monats nach Abschluß des Stellungsverfahrens eine Zivildiensterklärung abgeben. Personen, deren dauernde Untauglichkeit im Stellungsverfahren festgestellt wurde, dürfen nicht in das Bundesheer einberufen werden. Es wäre daher sinnlos, sie im Sinne des Zivildienstgesetzes von der Wehrpflicht auszunehmen. Aus diesen Erwägungen wäre es auch nicht sinnvoll zu erlauben, daß eine rechtswirksame Zivildiensterklärung bereits zu einem Zeitpunkt abgegeben wird, zu dem über die Erklärung noch längere Zeit nicht entschieden werden kann, weil der Betreffende noch nicht der Stellung zu unterziehen ist und daher seine (allfällige) Tauglichkeit zum Wehrdienst erst in fernerer Zukunft festgestellt werden kann.

Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - das Stellungsverfahren zum Zeitpunkt der Abgabe der Zivildiensterklärung bereits eingeleitet war, führt eine am Sinn des Gesetzes orientierte Auslegung zur Annahme, die Zivildiensterklärung sei - zulässigerweise - als bedingt für den Fall abgegeben anzusehen, daß das Stellungsverfahren die Tauglichkeit zum Wehrdienst ergibt (vgl. auch § 5 Abs. 2 ZDG). Diese Erwägungen gelten auch dann, wenn die Übergangsregelung des § 76a Abs. 1 leg. cit. Anwendung gefunden hat.

Diese Rechtsauffassung wird auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilt.

Es ist daher im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß der Bundesminister für Inneres in seinem Bescheid vom 22. April 1994 - ausgehend von einer anderen, verfehlten Interpretation des Gesetzes - die Auffassung vertrat, der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag vom 1. Feber 1994 auf Befreiung vom Wehrdienst aus Gewissensgründen sei zu einem Zeitpunkt eingebracht, zu dem der Beschwerdeführer nicht tauglich gewesen sei, und daher unzulässig; dies ist jedoch nach dem zuvor Gesagten unrichtig. Damit hatte der Beschwerdeführer jedoch keine "Frist versäumt", sondern er wäre verhalten gewesen, gegen den genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, um die Durchsetzung seiner Rechte zu wahren.

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, daß eine Frist (oder eine mündliche Verhandlung) versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, fehlt es gemäß § 71 Abs. 1 AVG an einer wesentlichen Voraussetzung für die Wiedereinsetzung und es ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon deshalb nicht stattzugeben (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S 622 f angeführten Judikaturhinweise).

Die belangte Behörde lehnte daher mit dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht die Bewilligung der vom Beschwerdeführer beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Rahmen des gestellten Begehrens.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994110232.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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