TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/27 95/10/0018

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Veröffentlicht am 27.03.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/03 Weinrecht;

Norm

AVG §39 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
GO Weinkostkommissionen §7 Abs3;
GO Weinkostkommissionen §7 Abs4;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §28 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Dezember 1994, Zl. 67.039/787-VIB7b/94, betreffend Entziehung der staatlichen Prüfnummer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. Dezember 1994 entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 9 Z. 1 des Weingesetzes 1985, BGBl. Nr. 444/1985 (WeinG), das Recht zur Verwendung der staatlichen Prüfnummern E 8980/93, E 3896/92 und E 10178/92.

In der Begründung wird ausgeführt, die Untersuchungsergebnisse der amtlichen Proben B 208/94 vom 9. Juni 1994, B 206/94 vom 6. Juni 1994 und B 207/94 vom 6. Juni 1994 hätten ergeben, daß die Weine mit den im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten staatlichen Prüfnummern entgegen § 29 Abs. 1 Z. 4 WeinG sensorisch nicht mehr die Eigenart von Qualitätsweinen aufgewiesen hätten.

Im Ermittlungsverfahren sei der Verdacht der rechtswidrigen Vorgangsweise anläßlich der Verkostung der Weinproben durch das Bundesamt für Weinbau vorgebracht worden. Es sei vom Beschwerdeführer behauptet worden, der oxidative Geschmack sei durch Öffnen der Probe, durch intensiven Luftkontakt hervorgerufen worden. Dazu sei die zeugenschaftliche Einvernahme des Kostvorsitzenden beantragt worden.

Hinsichtlich der Probenbehandlung und des Kostvorganges werde routinemäßig folgender Vorgang eingehalten:

Nach Übernahme der Weinprobe von der Bundeskellereiinspektion werde der für die Kost benötigte Probenanteil aus der Originalflasche in eine 0,25 l Probenflasche überführt und diese mit einem gesichert geschmacksneutralen Kronenkork spundvoll verschlossen. Bis zur Verkostung werde die Probe bei 10 Grad C gelagert und unmittelbar vor der Verkostung nach entsprechender Temperierung geöffnet. Eine Kostvorlage aus der Originalflasche sei in der Geschäftsordnung für Weinkostkommissionen nicht zwingend vorgesehen und wäre auf Grund der Erfahrung und Erprobung durch das Bundesamt für Weinbau nicht zweckmäßig, da nur die dargestellte Vorgangsweise Beeinträchtigungen der Probe (wie z. B. durch Kork) möglichst ausschließe. Daß Wein durch sekundenlangen Luftkontakt eine oxidativen Geschmack annehme, sei unrichtig, vielmehr nähmen Weine, die nach Gärende nicht mit schwefeliger Säure ausreichend behandelt werden, diesen Geschmacksfehler an, der primär durch Ethanol hervorgerufen werde und keine normale kellertechnische Erscheinung darstelle.

Auf die zeugenschaftliche Einvernahme des Vorsitzenden der Kostkommission sei zu verzichten gewesen, da die dargestellte Vorgangsweise bei der Kost routinemäßig angewendet werde.

Wein unterliege laufend önologischen Veränderungen, wobei es aber Ziel der rationellen Kellerwirtschaft im Sinne des § 3 Abs. 3 WeinG sei, durch geeignete Behandlungsweisen die Konsumfähigkeit und die Gesunderhaltung des Weines günstig zu beeinflussen und somit den Anforderungen des § 29 und des § 30 WeinG zu entsprechen.

Die Abwägung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens habe ergeben, daß die vorliegenden Beanstandungsgutachten auf fachlich gleicher Ebene nicht widerlegt hätten werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die in der Bundesanstalt für Weinbau in Eisenstadt eingerichtete Weinkostkommission habe die in der Geschäftsordnung für Weinkostkommissionen rechtsverbindlich vorgeschriebene Vorgangsweise bei der sensorischen Prüfung von Weinproben nicht eingehalten. Proben dürften nämlich erst unmittelbar vor Durchführung der Probenprüfung geöffnet werden. Im Beschwerdefall sei die Probenziehung am 9. Mai 1994 erfolgt, die Weine seien am 11. Mai 1994 bei der Bundesanstalt eingelangt, dort geöffnet und in 0,25-Liter-Flaschen umgeleert worden, wodurch es zu einem intensiven Luftkontakt gekommen sei. Erst am 18. Mai 1994 sei der Wein der Beurteilung durch die amtliche Weinkostkommission zugeführt worden, eine weitere Probe sei erst 14 Tage später verkostet worden. Der Beschwerdeführer habe diese rechtswidrige Vorgangsweise bereits im Verwaltungsverfahren gerügt und dargelegt, daß bei Öffnung einer Bouteille Weines, Umleeren in ein anderes Gefäß und einwöchiger Lagerung im Kühlschrank Wein massiv an Qualität verliere (bis hin zur Ungenießbarkeit).

Die belangte Behörde hat unter Hinweis darauf, daß im Beschwerdefall der gleiche Sachverhalt vorliege wie jener, welcher auch dem hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1994, Zl. 94/10/0104, zugrunde gelegen sei, von der Einbringung einer Gegenschrift und der Vorlage der Akten Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 31 Abs. 9 Z. 1 WeinG hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft dem Verfügungsberechtigten das Recht zur Verwendung der staatlichen Prüfnummer zu entziehen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die gemäß Abs. 4 erster Satz erforderlichen Angaben unrichtig waren oder der Wein den Voraussetzungen für die Erteilung einer staatlichen Prüfnummer in sonstiger Weise nicht oder nicht mehr entspricht.

Im Beschwerdefall geht es um einen Qualitätswein. Unter welchen Voraussetzungen Wein unter der Bezeichnung "Qualitätswein" in den Verkehr gebracht werden darf, regelt § 29 WeinG.

Nach § 29 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. darf Wein unter der Bezeichnung "Qualitätswein" in Verkehr gebracht werden, wenn der Wein die der Bezeichnung entsprechende und typische Eigenart aufweist und bei der sensorischen Prüfung die in einer Verordnung gemäß § 47 Abs. 7 festgelegten Mindesterfordernisse erreicht.

§ 47 Abs. 7 WeinG sieht vor, daß der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz für die amtlichen Weinkommissionen durch Verordnung eine Geschäftsordnung zu erlassen hat.

Die Geschäftsordnung für Weinkostkommissionen findet sich derzeit in der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, BGBl. Nr. 470/1972 i.d.F. BGBl. Nr. 10/1992, welche gemäß § 70 Abs. 3 Z. 3 WeinG bis zu einer Neuregelung als Bundesgesetz weiter gilt.

Nach § 7 Abs. 3 der Geschäftsordnung hat der Vorsitzende der Kostkommission vorzusorgen, daß die Proben ehestens nach ihrem Einlangen in der Untersuchungsanstalt zur Probenprüfung bereitgestellt werden. Bis dahin sind die Proben so aufzubewahren, daß Veränderungen in deren Zustand möglichst ausgeschlossen werden.

Nach § 7 Abs. 4 leg. cit. hat der Vorsitzende die Proben in einer auf den Prüfungsvorgang abgestimmten Reihenfolge und der Eigenart der zu prüfenden Weine entsprechend temperiert den Kostmitgliedern dazubieten. Die Proben dürfen erst unmittelbar vor Durchführung der Probenprüfung geöffnet werden.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, die in Rede stehenden Proben seien bereits etwa eine Woche vor der Sinnenprüfung geöffnet und umgefüllt worden, wird von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 1994, Zl. 94/10/104, ausgeführt hat, widerspricht eine Öffnung der Proben eine Woche vor Durchführung der Sinnenprobe § 7 Abs. 4 letzter Satz der Geschäftsordnung für Weinkostkommissionen.

§ 7 Abs. 4 letzter Satz der Geschäftsordnung stellt eine Vorschrift über das bei der Erstellung eines Gutachtens einzuhaltende Verfahren und somit eine Verfahrensvorschrift im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG dar. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führte nur dann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschrift auch zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Daß die belangte Behörde bei Einhaltung des § 7 Abs. 4 letzter Satz der Geschäftsordnung nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist nicht ersichtlich. Die Unwesentlichkeit der Verletzung des § 7 Abs. 4 leg. cit. hätte - wenn überhaupt - nur auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens dargetan werden können; die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides reichen dazu nicht aus.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der zuerkannte Aufwandersatz setzt sich zusammen aus S 12.500,-- Schriftsatzgebühr, S 240,-- Stempelmarkengebühr für zwei Ausfertigungen der Beschwerde und S 30,-- Stempelgebühren für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides. Weitere Beilagen waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig; der dafür in Rechnung gestellte Stempelgebührenaufwand konnte daher auch nicht zuerkannt werden.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweismittel Sachverständigengutachten Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und Beilagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995100018.X00

Im RIS seit

07.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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