TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/28 94/07/0084

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Veröffentlicht am 28.03.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs1;
WRG 1959 §10;
WRG 1959 §63;
WRG 1959 §64;
WRG 1959 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Wassergenossenschaft K II, vertreten durch den Obmann R in W, dieser vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BMFL vom 30.3.1994, Zl. 512.720/06-I5/93, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Parteien: Josef und Waltraud P in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. März 1993 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß den §§ 10 bis 14 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Wasserversorgungsanlage für die Siedlung am K II und für einen Teil der Siedlung K I mit Bezug des Wassers aus der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde Mü. erteilt. Gleichzeitig wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 63 lit. b WRG 1959 das Recht eingeräumt, die Wasserleitung auf Grundstücken der mitbeteiligten Parteien zu verlegen.

Die mitbeteiligten Parteien beriefen.

Mit Bescheid vom 30. März 1994 behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG.

In der Begründung wird ausgeführt, das Projekt der beschwerdeführenden Partei sehe einen Wasserbezug aus der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde Mü. vor, welche ihrerseits das Wasser von der Wasserversorgungsanlage der Stadtgemeinde Mö. beziehe. Hinsichtlich des Wasserbezuges bestehe zwischen der Stadtgemeinde Mö. und der beschwerdeführenden Partei ein Wasserlieferungsvertrag. Eine Änderung des wasserrechtlichen Konsens der Stadtgemeinde Mö. erfolge nicht.

Voraussetzung der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundegelegten Rechtsvorschriften, nämlich der §§ 10 bis 14 WRG 1959, sei die sogenannte "Wasserbenutzung".

Darunter verstehe man den Gebrauch der Wasserwelle, des Gewässerbettes oder des Ufers. Bewilligungspflichtig sei nach § 10 Abs. 1 und 2 WRG 1959 die Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und die damit im Zusammenhang stehenden Eingriffe in den Grundwasserhaushalt sowie die Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen. Im Beschwerdefall handle es sich weder um eine Erschließung noch um eine bewilligbare Benutzung des Grundwassers, da die Stadtgemeinde Mö. diesbezüglich Bewilligungsinhaberin sei. Es bleibe daher die Prüfung, ob das von der beschwerdeführenden Partei beantragte Projekt eine Errichtung oder Änderung der zur Benutzung des Grundwassers dienenden Anlagen (der Stadtgemeinde Mö) beabsichtige. Dies sei zu verneinen, da die beschwerdeführende Partei keine Erweiterung der Anlagen der Wasserversorgungsanlage der Stadtgemeinde Mö, sondern vielmehr die Errichtung einer eigenen Wasserversorgungsanlage bewerkstelligen wolle. Diese Wasserversogung sei aber nicht mit einem eigenen Wasserbenutzungsrecht verbunden, da das Wasser mittels privatrechtlichem Vertrag von der Stadtgemeinde Mö bezogen werde, wofür eine wasserrechtliche Bewilligung nicht erforderlich sei. Der vereinbarte Wasserbezug beeinträchtige auch keine in § 105 WRG 1959 genannten öffentlichen Interessen, da kein Anhaltspunkt vorliege, daß die Stadtgemeinde Mö ihren Entnahmekonsens nicht einhalte. Daraus ergebe sich, daß das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei nach § 10 Abs. 2 WRG 1959 nicht bewilligungspflichtig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, wenn eine Wasserleitungsanlage wie die gegenständliche nicht unter das WRG 1959 fiele, befänden sich derartige Anlagen im rechtsfreien Raum und es wäre die Errichtung derartiger Anlagen, insbesondere mangels Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten, praktisch unmöglich. Aus mehreren Bestimmungen des WRG 1959 ergebe sich, daß Wasserversorgungsanlagen wie die gegenständliche diesem Gesetz unterlägen. § 134 Abs. 1 WRG 1959 spreche von "öffentlichen Wasserversorgungsanlagen", § 100 Abs. 1 lit. f leg. cit. von "Wasserversorgungsanlagen", derselben Ausdruck finde sich auch in den §§ 103 lit. i und 67 Abs. 2 WRG 1959, wobei im Zusammenhang mit der letztgenannten Bestimmung ausdrücklich auf die Rechtsmeinung von Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz (zitiert bei Kaan, Wasserrechtsgesetz 19592, S. 281) hinzuweisen sei. Vor allem ergebe sich aber aus § 63 WRG 1959, daß auch in sich geschlossene Wasserleitungen dem Wasserrecht und der dort vorgesehenen Bewilligung unterlägen, weil gemäß lit. b nur für genehmigte Anlagen Zwangsrechte eingeräumt werden könnten. Dazu führe Raschauer im Kommentar zum Wasserrecht in Rz 5 zu § 63 WRG 1959 aus, der Begriff Wasserbauvorhaben sei nicht im technisch-baurechtlichen, sondern im weiten wasserrechtlichen Sinn zu verstehen; er umfasse neben Anlagen im Sinne der §§ 9 (z.B. Wasserleitungen), 10 und 32 auch solche, mit denen keine Wasserbenutzungsrechte verbunden seien. Zur Frage, ob Wasserleitungen "Anlagen" im Sinne des WRG 1959 seien, werde auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Slg. 5.070/A verwiesen. Zu Unrecht gehe die belangte Behörde davon aus, daß die gegenständliche Wasserversorgungsanlage nicht der wasserrechtlichen Genehmigung unterliege bzw. nicht die Einräumung von Zwangsrechten im Sinne des § 63 WRG 1959 ermögliche.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt:

Die mitbeteiligten Parteien haben ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragen, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Die beschwerdeführende Partei hat eine Gegenäußerung

vorgelegt.

Der Verwaltungesgerichtshof hat erwogen:

Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz hat die Bewilligung der Wasserversorgungsanlage der beschwerdeführenden Partei auf § 10 WRG 1959 gestützt.

Nach § 10 Abs. 1 WRG 1959 bedarf der Grundeigentümer zur Benutzung des Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf keiner Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pump- oder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde steht.

Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. ist in allen anderen Fällen zur Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und zu den damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen in den Grundwasserhaushalt sowie zur Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Mai 1978, Zl. 2275/76, ausgesprochen, daß der Anschluß an eine aus einer Quelle gespeiste, wasserrechtlich bewilligte Wasserversorgungsanlage nicht bewilligungsfähig ist und daher auch die Einräumung von Zwangsrechten nicht in Frage kommt, weil es sich bei einem derartigen Anschluß (Wasserbezug) aus einer bewilligten Wasserversorgungsanlage nicht um die Benützung eines privaten Gewässers im Sinne des § 9 Abs. 2 WRG 1959 handelt. Dieselbe Auffassung liegt auch den Erkenntnissen vom 8. Oktober 1979, Zl. 2452/78 und vom 1. März 1976, Zl. 1451/75, zugrunde.

Um den Wasserbezug aus einer wasserrechtlich bewilligten Wasserversorgungsanlage geht es auch im Beschwerdefall. Ob die Wasserversorgungsanlage, aus der der Wasserbezug erfolgen soll, aus Tagwässern oder aus Grundwasser gespeist wird, geht aus dem Akt nicht hervor. Die Erstbehörde geht - wie sich aus der Stützung ihres Bescheides auf § 10 WRG 1959 ergibt - offenbar davon aus, daß die Wasserversorgungsanlage der Stadtgemeinde Mö aus Grundwasser gespeist wird.

§ 10 WRG 1959 weist im hier relevanten Zusammenhang dieselbe Struktur auf wie § 9 leg. cit. Beide Bestimmungen unterwerfen die Benutzung von Gewässern sowie die Errichtung oder Änderung der dazu erforderlichen Anlagen einer wasserrechtlichen Bewilligung. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den zitierten Erkenntnissen zu § 9 WRG 1959 gelten daher auch für § 10 leg. cit., d.h. der Wasserbezug aus einer aus Grundwasser gespeisten, wasserrechtlich bewilligten Wasserversorgungsanlage und die Errichtung der hiefür erforderlichen Anlagen stellt seitens der beschwerdeführenden Partei keine wasserrechtlich bewilligungspflichtige, daher aber auch nicht bewilligungsfähige Maßnahme dar. Die Bewilligungspflicht von Anlagen, die der Wasserbenutzung dienen, setzt eine Wasserbenutzung im Sinne des § 10 WRG 1959 voraus. Eine solche Wasserbenutzung liegt aber seitens desjenigen, der - unter Einhaltung des dem Bewilligungsinhaber erteilten Konsenses - aus einer wasserrechtlich bewilligten Wasserversorgungsanlage Wasser bezieht, nicht vor. Fehlt es aber an einer auf seiten der beschwerdeführenden Partei wasserrechtlich bewilligungsfähigen Wasserbenutzungsanlage, dann kommt auch die Einräumung von Zwangsrechten nicht in Betracht (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1979, Zl. 2452/78).

Der Wasserrechtsbehörde erster Instanz fehlte es somit, wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat, für die meritorische Erledigung des Bewilligungsansuchens der Beschwerdeführerin an der sachlichen Zuständigkeit, weshalb der Landeshauptmann den Bewilligungsantrag zurückweisen hätte müssen. Daß die belangte Behörde entgegen ihrer Obliegenheit zur Sacherledigung der Berufung nach § 66 Abs. 4 AVG auch ihrerseits eine solche Antragszurückweisung nicht ausdrücklich ausgesprochen hat, verletzte keine Rechte der Beschwerdeführerin, weil die "ersatzlose Behebung" des Erstbescheides nach § 66 Abs. 4 AVG im Beschwerdefall das gleiche rechtliche Ergebnis zeitigt.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen sachliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994070084.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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