TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/28 94/19/1159

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Veröffentlicht am 28.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §10 Abs1;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bundesminister für Inneres, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylangelegenheiten, gemäß § 42 Abs. 4 VwGG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der in der Berufung gestellte Eventualantrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, daß (er) "die Flüchtlingsdefinition des § 1 Z. 1 AsylG 1991 erfülle", wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Liberias, ist am 21. Juli 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 23. Juli 1992 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 27. Juli 1992 mit der Begründung abgewiesen, daß die erkennende Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneine.

In seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung stellte der Beschwerdeführer die Anträge 1. eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens aufgrund der offenkundigen Mangelhaftigkeit desselben anzuordnen und 2. ihm nach dem Asylgesetz 1991 Asyl zu gewähren. Weiters stellte er "in eventu" den Antrag, "festzustellen, daß (er) die Flüchtlingsdefinition des § 1 Z. 1 AsylG 1991 erfülle". (Ein weiterer Eventualantrag ist nicht Gegenstand der Beschwerde).

Mit Bescheid vom 15. April 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab; beim Beschwerdeführer liege der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 vor, da er in Sierra Leone und Ägypten vor Verfolgung sicher gewesen sei. Ein Abspruch über den "in eventu" gestellten Antrag des Beschwerdeführers erfolgte nicht. Aus der Begründung des Bescheides läßt sich kein Hinweis darauf entnehmen, daß mit dem Spruch auch über den Eventualantrag entschieden werden sollte.

Über die Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG erwogen:

Der Beschwerdeführer geht davon aus, daß sein Eventualantrag nicht auf die Gewährung von Asyl gerichtet ist. Es liegt daher ein Begehren vor, über das das Bundesasylamt als Erstinstanz nicht abgesprochen hat, da diese die Flüchtlingseigenschaft nur als Vorfrage für den Spruch über die (Nicht)Gewährung von Asyl zu beurteilen hatte. In dem Eventualantrag in der Berufung des Beschwerdeführers ist kein "Minus" zum Asylantrag zu sehen. Es liegt vielmehr eine andere "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG vor.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 ist der Bundesminister für Inneres Asylbehörde zweiter Instanz. (Gegenteiliges läßt sich auch dem § 28 leg. cit., der nur die Zuständigkeit zur Vollziehung des Asylgesetzes 1991 regelt, nicht entnehmen.) Unvorgreiflich der Frage der Zulässigkeit oder Begründetheit des gestellten Feststellungsantrages wäre daher zur Entscheidung über das Begehren die Asylbehörde erster Instanz, nämlich das Bundesasylamt, zuständig gewesen, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend verweist und was der Beschwerdeführer immerhin bereits als möglich angesehen hat.

Der in der Berufung erstmals gestellte Antrag, festzustellen, daß der Beschwerdeführer "die Flüchtlingsdefinition des § 1 Z. 1 AsylG 1991 erfülle", war daher zurückzuweisen, da sich der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AVG kein Rechtsanspruch auf Weiterleitung oder Weiterverweisung unter Abstandnahme von der bescheidmäßigen Zurückweisung des Antrages wegen Unzuständigkeit entnehmen läßt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 86, wiedergegebene Rechtsprechung).

Entgegen der in der Gegenschrift geäußerten Ansicht der belangten Behörde lag jedoch deren Säumnis - trotz ihrer Unzuständigkeit - vor, da sie über den hier verfahrensgegenständlichen in der Berufung vom 10. August 1992 gestellten Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist abgesprochen hat. Jede Partei des Verwaltungsverfahrens hat nämlich Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages oder der Berufung vorliegen. In diesem Fall hat sie den Anspruch auf Erlassung eines Bescheides betreffend die Zurückweisung ihres Antrages oder ihrer Berufung; auch im Streit um Parteistellung und Antragsbefugnis besteht, insoweit diese zur Entscheidung stehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht. Beschwerdeberechtigt gemäß Art. 132 B-VG ist demnach auch ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann (vgl. zu dem allen den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934, 1223/73, Slg. Nr. 9458/A).

Die belangte Behörde hat die ausstehende Entscheidung innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht nachgeholt. Die Zuständigkeit zur Erledigung des in der Berufung gestellten Antrages ist daher auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. Dieser Antrag war aus den bereits oben genannten Gründen vom Verwaltungsgerichtshof zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 leg. cit. iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191159.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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