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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Oktober 1993, Zl. 4.322.669/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Oktober 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, der am 31. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Oktober 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer deshalb kein Asyl gewährt, weil sie - ohne sich mit der Frage seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen - der Ansicht war, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Aus der Erstbefragung des Beschwerdeführers vom 20. September 1991 gehe nämlich hervor, daß er sich vor seiner Einreise nach Österreich ein Monat lang in Rumänien aufgehalten habe. Es wäre ihm daher möglich gewesen, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Er sei in Rumänien keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe nicht befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben zu werden. Denn Rumänien sei seit dem 7. August 1991 Mitgliedsstaat der Genfer Konvention und es spreche nichts dafür, daß es die sich aus dieser Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige. Somit habe der Beschwerdeführer "daselbst" Verfolgungssicherheit erlangt.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hat es unterlassen, seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen, ist ihm zu entgegnen, daß die Anwendung des Asylausschließungstatbestandes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht voraussetzt, daß zuvor die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 geprüft werden müsse (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0532). Hingegen ist der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, er sei während seines Aufenthaltes in Rumänien "nicht in den Genuß des Schutzes der Konvention" gekommen, im Ergebnis im Recht. Die belangte Behörde hat nämlich bei ihrer Argumentation übersehen, daß die Genfer Flüchtlingskonvention nach ihrem § 43 Abs. 2 nicht durch die Abgabe der Beitrittserklärung eines Staates für diesen in Kraft tritt, sondern erst am 90. Tages nach der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde. Die Wirksamkeit des Beitrittes Rumäniens ist daher (nach Abgabe der Ratifikationserklärung am 7. August 1991) am 5. November 1991 eingetreten.
Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß Rumänien zu der Zeit, in der sich der Beschwerdeführer in diesem Staat aufgehalten hat, bereits an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden war. Andererseits lagen der belangten Behörde - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - auch keine Feststellungen vor, ob Rumänien schon vor Wirksamkeit des Beitrittes zur Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlingen faktisch einen den Anforderungen dieser Konvention entsprechenden Schutz gewährte.
Es entbehrt daher die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei vor seiner Einreise nach Österreich bereits im Rumänien vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 sicher gewesen, jeder Begründung. Der solcherart mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastete Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte bei diesem Ergebnis gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das den Ersatz des Verhandlungsaufwandes betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da dem Beschwerdeführer Aufwendungen, die unter diesem Titel abzugelten wären, nicht entstanden sind.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994190971.X00Im RIS seit
20.11.2000