TE Vfgh Beschluss 1992/12/9 B492/92

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Veröffentlicht am 09.12.1992
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
RAO §2 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Anrechnung der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Wiener Handelskammer auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung mangels Beschwer infolge Novellierung der Bestimmung der RAO über die erforderliche Dauer der praktischen Verwendung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Schreiben vom 25. März 1991 an die Rechtsanwaltskammer Wien beantragte der Beschwerdeführer, die bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 1. April 1986 bis zum 31. Jänner 1988 als Fachkraft ausgeübte Tätigkeit auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung gemäß §2 Abs1 RAO anzurechnen. Er habe im Jahre 1984 das juristische Studium mit dem Erwerb des Doktorats abgeschlossen, sei als Rechtspraktikant bei Gericht und als Rechtsanwaltsanwärter, bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien als Fachkraft und sodann wiederum als Rechtsanwaltsanwärter tätig gewesen; weiters wird ausgeführt:

"Bis zum heutigen Tage beträgt daher die Dauer meiner praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt 3 Jahre, 3 Monate und 21 Tage und würde unter der Annahme ununterbrochener Beschäftigung bei einem Rechtsanwalt bis zum 31.12.1991 4 Jahre und 27 Tage betragen.

Die Dauer meiner praktischen Verwendung bei Gericht betrug insgesamt 1 Jahr, 2 Monate und 3 Tage, sodaß, da ich vor dem 1.1.1986 in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen war, die erforderliche praktische Verwendung zur Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte, soferne ich die Eintragung bis spätestens 1.1.1992 erwirken würde, gemäß §2 RAO in der vor dem 1.1.1986 geltenden Fassung, welcher im vorliegenden Fall gemäß BGBl 1985/556, ArtVI (3) anzuwenden wäre, vorliegen würde.

Da ich jedoch die erste Teilprüfung der Rechtsanwaltsprüfung nach dem Rechtsanwaltsprüfungsgesetz - die Erfordernisse des ArtVI (4) BGBl 1985/556 zur Ablegung der Prüfung nach den früheren Bestimmungen lagen mangels entsprechender praktischer Verwendung bei einem Rechtsanwalt zum Stichtag 1.1.1989 nicht vor - erst am 10.7.1990 abgelegt habe, darf ich die zweite Teilprüfung der Rechtsanwaltsprüfung nicht vor dem 1.1.1992 ablegen, sodaß auch die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vor dem 1.1.1992 nicht erwirkt werden kann.

Somit ist §2 (2) RAO in der derzeit geltenden Fassung anzuwenden, wonach die praktische Verwendung im Sinne des §2 (1) RAO sieben Jahre zu dauern hat, wovon mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens fünf Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen sind.

Damit aber ist die Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang meine Tätigkeit bei der Wiener Handelskammer als praktische Verwendung im Sinne des §2 (1) RAO anzurechnen ist, von entscheidender Bedeutung für die Ermittlung des Zeitpunktes, ab welchem ich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erwirken kann."

Er begründete seinen Antrag damit, seiner Anstellung, Einstufung im Gehaltsschema und Verwendung bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien sei die Absolvierung des juristischen Studiums zugrundegelegen. Weiter führte er aus, daß er in verschiedenen Abteilungen tätig gewesen sei, wo er mit spezifisch juristischen Belangen befaßt war und sich dabei umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechtes, die für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft zweifelsohne dienlich seien, erworben habe.

2. Mit Bescheid vom 16. April 1991, GZ 1894/91, hat die Abteilung 5 des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien diesen Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen und ausgesprochen, seine Tätigkeit bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien werde auf die gemäß §2 Abs1 litd RAO nachzuweisende praktische Verwendung nicht angerechnet. Die Tätigkeit in der Privatwirtschaft sei auch dann, wenn das Erfordernis der Dienlichkeit an sich gegeben sein könnte, mangels einer entsprechenden gesetzlichen Zulassung nicht anzurechnen.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien. In seiner Begründung ergänzte er sein Vorbringen und brachte vor, daß die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft sowohl im eigenen als auch im übertragenen Wirkungsbereich mit Imperium ausgestattet seien; im Rahmen ihres Wirkungsbereiches hätten sie sowohl generelle Normen (Umlagen) als auch individuelle hoheitliche Verwaltungsakte zu erlassen, weshalb sie als Verwaltungsbehörden iS des §2 Abs1 RAO anzusehen seien. Dies begründete der Beschwerdeführer unter Anführung verschiedener Bestimmungen des HandelskammerG und des BerufsausbildungsG.

Dieser Vorstellung wurde mit Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 9. Juli 1991, GZ 05/03 91/1894, keine Folge gegeben.

4. Auch der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 14. Oktober 1991, Zl. Bkv 9/91-6, keine Folge gegeben; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 9. März 1992 zugestellt.

5. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die am 16. April 1992 zur Post gegeben wurde und am 17. April 1992 beim Verfassungsgerichtshof einlangte. In ihr werden die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und der Erwerbsfreiheit sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

6. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

7. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes teilte der Beschwerdeführer mit, daß er sich durch die durch das Bundesgesetz BGBl. 176/1992 bewirkten Änderungen nicht als klaglos gestellt erachte. Durch dieses Bundesgesetz sei lediglich die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung von sieben auf fünf Jahre herabgesetzt worden, keineswegs sei jedoch die vom Beschwerdeführer beantragte Anrechnung seiner Tätigkeit bei der Wiener Handelskammer anrechenbar geworden. Wenn der Beschwerdeführer infolge der genannten Novelle auch ohne Anrechnung der Tätigkeit bei der Wiener Handelskammer die erforderliche praktische Verwendung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erfüllen würde, könne es in Zukunft durch Änderung der geltenden Rechtslage - etwa dahingehend, daß die Zeiten der praktischen Verwendung bei der Pensionsberechnung berücksichtigt werden - rechtlich bedeutsam sein, ob die genannte Tätigkeit auf die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung angerechnet werde oder nicht.

8. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1992 teilte die Rechtsanwaltskammer Burgenland dem Verfassungsgerichtshof mit, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf die novellierte Bestimmung des §2 Abs2 RAO (BGBl. 176/1992) am 9. Oktober 1992 in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Burgenland eingetragen worden sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Mit ArtI Z1 des Bundesgesetzes, mit dem die RAO und das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz geändert wird, BGBl. 176/1992, in Kraft getreten nach Ablauf des 31. März 1992 (Art49 Abs1 B-VG), wurde die Dauer der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderlichen praktischen Verwendung von sieben auf fünf Jahre herabgesetzt. Hievon sind gemäß der neuen Rechtslage im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.

Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Rechtsanwaltskammer Wien ergibt, hatte der Beschwerdeführer die erforderliche praktische Verwendung in der gesetzlichen Art und Dauer nach der neuen Rechtslage bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung, das ist der 16. April 1992, zurückgelegt.

2. Die Erhebung einer auf Art144 Abs1, erster Satz, B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde hat unter anderem zur Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte (vgl. hier und zum folgenden - jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur - VfSlg. 11764/1988). Dieses subjektive Recht muß kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sein. Die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes ist dann gegeben, wenn der Bescheid subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt.

Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt ein objektives Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Bescheides voraus. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (vgl. - mit weiteren Nachweisen - VfSlg. 11764/1988).

3. Aufgrund der Herabsetzung der erforderlichen Dauer der praktischen Verwendung von sieben auf fünf Jahre durch die Novellierung des §2 Abs2 RAO durch das BG BGBl. 176/1992 (s.o. Pkt. II. 1.) kann der Beschwerdeführer - bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen - seit Inkrafttreten der genannten Novelle mit 1. April 1992 die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte gemäß §1 RAO bewirken. Wie die Rechtsanwaltskammer Burgenland mit Note vom 14. Oktober 1992 mitteilte, ist der Beschwerdeführer am 9. Oktober 1992 in die Liste der Rechtsanwälte der genannten Kammer eingetragen worden. Dem Beschwerdeführer fehlt es daher seit Inkrafttreten der genannten Novelle an der notwendigen Beschwer, um den an ihn ergangenen Bescheid mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof anfechten zu können. Denn sein einleitend wörtlich wiedergegebener Antrag war ausschließlich darauf gerichtet, die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erwirken zu können; diese Möglichkeit steht ihm nunmehr offen.

Auch versagt der angefochtene Bescheid die Anrechnung der Tätigkeit bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft - dem darauf beschränkten Antrag des Beschwerdeführers entsprechend - nur mit Bezug auf die angestrebte Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte; eine darüber hinausgehende Wirkung kommt ihm nicht zu.

III. Die Beschwerde war somit mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Rechtsanwälte Ausbildung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B492.1992

Dokumentnummer

JFT_10078791_92B00492_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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